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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1950-05/0014
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Die Markgrafschaft

der Garten und die Rosenhecke darin wieder in
vollster Blumenpracht. Diesem Garten galten
auch während der Schulzeit meine täglichen Gedanken
und ein großer Teil des Inhalts meiner
Briefe nach Hause. Denn ich mußte alles wissen,
was in ihm gearbeitet wurde, und glaubte von
der Schulbank aus diese Arbeiten leiten zu können
, wie denn auch während der Ferien die
Gärtnerei mich vollauf in Anspruch nahm. Als
ich ein paar Tage zu Hause war, fragte mich
unsere Schosefin — sie war noch immer treuer
Hausgenosse — ob ich nicht einmal Robert besuchen
wollte. Ich fragte sie, wie sie dazu käme,
sie wüßte doch, daß wir uns das vorige Mal entzweit
hätten. Die gute Seele meinte: Zwistig-
keiten seien dazu da, daß man wieder Frieden
schlösse. Nun hatten wir uns ja wohl längst beiderseits
jenen Streit verziehen, aber der Stolz
erlaubte keinem den ersten Schritt. Und so
unterblieb auch der Besuch.

So erfuhr ich erst einige Tage später, daß
Marion krank sei. Sie sei gleich nach Wiederbeginn
des Schuljahres im Pensionat schwer erkrankt
, dann nach notdürftiger Genesung nach
Hause gekommen und könne sich jetzt gar nicht
erholen. Nun durfte ich natürlich nicht zögern.
Ich machte meinen Besuch und fand nicht nur
meinen Kolleggenossen sehr freundlich, auch die
Mutter trat mir in ganz ungewohnter Freundlichkeit
entgegen. Aber im Hause war es merkwürdig
still. Als ich nach Marion fragte, zögernd
nur, als ob ich etwas Verbotenes täte, wurde mir
der Bescheid, sie sei zu schwach, man könne sie
nicht sehen. Am Abend fragte ich meine Mutter,
ob es wohl anginge, daß ich Rosen hinüberschickte
. Das geschah. Von da ab brachte ich täglich
meine Rosensträuße ins Nachbarhaus. Ich
sagte niemals, daß sie für Marion seien, aber sie
wurden wohl selbstverständlich als Gabe für die
Kranke angenommen.

Einmal durfte ich sie ihr auch selber bringen,
und ohne daß ich es merkte, nannte ich sie beim
Gruße Fleurette. Denn mir war, als ob sie wieder
kleiner geworden sei, als sie in den Jahren
vorher gewesen war. Ganz wieder Blümchen.
Am nächsten Sonntag war die Madien bei der
Schosefin in der Küche und weinte zum Herzbrechen
. Sie komme nur, um sich auszuweinen;
zu Hause könne und dürfe sie es nicht tun, der
Madame wegen. Sie weinte um Marion, die langsam
verlösche wie ein sich verzehrendes Licht.

Es waren wieder einige Tage, da kam Robert
und bat mich, ich möchte doch herüberkommen.
Marion habe es gewünscht. Er verbiß sich dabei
mühsam die Tränen. Als ich hihüberkam, den
großen Rosenstrauß in der Hand, da schien mir
Marion viel fröhlicher und gesünder, als ich sie

Die gute Mutter / v

Im Jahre 1796, als die französische Armee nach
dem Rückzug aus Deutschland jenseits hinab am
Rhein lag, sehnte sich eine Mutter in der Schweiz
nach ihrem Kind, das bei der Armee war, und
von dem sie lange nichts erfahren hatte, und ihr
Herz hatte daheim keine Ruhe mehr. „Er muß

zuletzt gesehen hatte. Sie saß in einem Lehnstuhl
und hatte auf den Wangen Röschen, die an Zartheit
mit denen wetteiferten, die ich eben gebracht
. Sie schien in ihrer Krankheit alle ihre
deutschen Worte vergessen zu haben und zog
mich leise damit auf, daß ich nur zögernd und
widerstrebend ihr Französisch beantwortete. Früher
hätte ich das besser gekonnt, lachte sie.

Und nun plauderte sie von der Mauer, der
Lücke, durch die sie hindurchgeschlüpft, von dem
„Hup! hup!", dem stundenlangen Weilen hinter
der Rosenhecke, dem Naschen am reifen Wein.
Mir war damals, ich hatte alles vergessen, und sie
erst erinnere mich wieder daran. Dann sprach
sie von jenem Ausblick aus dem Giebelfenster
droben, von dem schönen Sonntag und der weiten
, weiten blauen Ferne mit den Jurabergen,
und den Alpenriesen hinter ihnen.

„Wenn ich gesund bin, möchte ich da einmal
hingehen; nicht wahr, Mama?"

Die Mutter nickte und ging hinaus. Als ich
gleich danach auch fortging, weil der Arzt kam,
saß sie im Vorzimmer und weinte. Da fühlte ich,
daß ich hier ein Sterben miterlebte. Und es erfüllte
mich eine große Liebe - zu der Frau, die
mir bisher so fremd und unnahbar geschienen,
so daß ich zu ihr hintrat, um ihr die Hand zu
küssen, was ich sonst nie fertig brachte. Da schloß
sie mich heftig in ihre Arme.

Der Tod war schon in der Nacht gekommen
und hatte das flackernde Lichtlein ausgeblasen.
Ganz früh am nächsten Morgen kam die Madien,
es uns zu sagen.

Das ganze Dorf trauerte mit der hartgeprüften
Frau. Ich aber ging mit Ernest in den Garten,
und wir schnitten Rosen ab, bis wir einen großen
Korb voll hatten. Dann gingen wir hinüber.
Robert führte mich gleich zu Marion hinein, und
als ob es sich so von selbst verstände, nahm die
Mutter die Rosen, die ich ihr einzeln zureichte,
und schmückte das Lager ihres Lieblings.

Fleurette! Nun war sie wieder Rosenprinzessin
wie einst.

Zwei Tage darauf wurde sie hinausgetragen
zum Kirchhof bei der Kapelle draußen vor dem
Dorfe. Nach der Sitte trugen die Knaben aus dem
gleichen Jahrgang den Sarg. Ich trug das Kreuz
voran. Ich hatte es ganz mit Rosen umwunden,
mit dunkelroten die beiden Kreuzesarme und mit
hellroten einen Kranz rund herum.

Das ist schon lange, lange her. Aber wenn, wie
jetzt, der Abendwind den Rosenduft aus dem
Garten ins Zimmer trägt, so brauche ich nur die
Augen zu schließen, und ich sehe den alten
Rosengarten daheim und als schönste Rose darin
dich, Fleurette!

n Johann Peter Hebel

bei der Rheinarmee sein", sagte sie, „und der
liebe Gott, der ihn mir gegeben hat, wird mich
zu ihm führen", und als sie auf dem Postwagen
zum St. Johannistor in Basel heraus und an den
Rebhäusern vorbei ins Sundgau gekommen warr
treuherzig und redselig, wie alle Gemüter sind,.


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