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Die Markgrafschaft
kräftig „zeigen" muß. Solche Einstellungen, die
leider Gottes in der Praxis immer wieder Anwendung
finden, sind doch unsinnig, schädlich
und gefährlich, genau so, wie die völlig unzeitgemäße
Klassenhetze. Wir sitzen alle in einem
Schiff, und wer darin mit Dynamit spielt, um
gegebenenfalls den einen oder andern, den er
nun einmal nicht leiden kann, in die Luft zu
sprengen, der bereitet sich selbst den Untergang
vor. Dies scheint eine einfache, simple Wahrheit
zu sein. Wer sie aber in unser öffentliches Leben
übertragen will, steht vor Schwierigkeiten, die
groß genug sind, manchen verzweifeln zu lassen,
vor denen aber nicht kapituliert werden darf,
weil dies dem politischen Selbstmord gleich käme.
An den Regierenden liegt es, die Interessen der
einzelnen abzuwägen und die Gerechtigkeit zu
suchen, (die man allerdings nur finden kann,
wenn man eben etwas „kann"). An den Regierten
ist es, neben den eigenen Interessen und Nöten
auch diejenigen des Nebenmannes zu sehen und
dafür zu sorgen, daß so regiert wird, wie es die
Gemeinschaft notwendig braucht. Freilich, man
muß dann auch von einer Gemeinschaft sprechen
können, von einer, die echt ist, ohne deshalb
Herde zu sein. L. Börsig.
Hertingen und Johann Peter Hebel / Aibert Eiseie
Abseits der Reichsstraße, die dem Zug der
alten Poststraße folgt, liegt heute im Hasselbachtal
das Dörfchen Hertingen. Vor dem 30-jährigen
Kriege waren die Häuser weiter westlich. Aber
Kriegsfolgen und Wassermangel erforderten die
Verlegung der Wohngebäude. Im Jahre 1640
tauschte der Markgraf mit den Herren von Rotberg
(in Bamlach und Rheinweiler). Es ist ein
Schweizer Geschlecht, das 1514 seine sisgauischen
Lehen verkaufte und in den Breisgau zog, wo die
Herren von Rotberg in den Dienst des Markgrafen
traten. Damals, im Jahre 1640, gab der Markgraf
als Lehensherr den Herren von Rotberg anstatt
des vorher innegehabten Lehens über die
Burg Otlingen „das Dorf Hertingen mit Zwing
und Bann, Wald, Feld, Steuer, Eckerich, Frondienst
, Wunn und Waid, sodann Collatur, Kirche
und Kirchensatz mit aller geistlichen Gerechtigkeit
, samt hoher und niederer Obrigkeit mit Leibeigenschaft
, aller Dienstbarkeit, auch Gerechtigkeit
der Wildfuhr, Zehnten, auch alle andere dazu
gehörige Gefälle". Durch langjährige Streitigkeiten
, mit dem Lehensherren veranlaßt, trat die
Familie von Rotberg im Jahre 1733 den Ort Hertingen
mit allen Rechten und Freiheiten an den
Markgrafen um 20 000 fl ab.
Die Familie von Rotberg hatte also bis 1733 die
Collatur und den Kirchensatz, d. h. sie bezog die
Kirchengefälle in Höhe von 7 fl 13 kr Geld, zwei
Malter Roggen, ein Malter Hafer und ein Viertel
Dinkel oder Hafer und hatte das Recht der Besetzung
der Pfarrstelle. Dafür aber hatte sie auch
die Baupflicht an Kirche und Pfarrhaus. Als nun
das Dorf an die Markgrafen kam, gingen auch die
Gefälle an die geistliche Verwaltung samt der
Baupflicht. Schon drei Jahre später bittet die Gemeinde
darum, eine neue Kirche zu erstellen. Die
Gründe werden in einer Eingabe von 1761 durch
Pfarrer Schlotterbeck, Vogt Michel Kromer und
Friedrich Zollikofer, des Gerichts, ausführlich
dargelegt: die Kirche ist so baufällig, schadhaft
und klein, daß eine neue und größere höchst notwendig
ist. Der Turm wackelt und droht einzustürzen
. Der Dachstuhl ist so gebrechlich, daß
man nicht einmal das Uhrwerk sicher befestigen
kann. Die Gewichte sind unlängst herabgestürzt
und hätten „an die 20 Personen wenn nicht töten,
so doch gefährlich beschädigen können". Die
kleine Emporkirche ist wegen der Enge nichts als
eine Gelegenheit des Gedränges und der Unordnung
. Eine Erweiterung gestattet die Enge des
Kirchhofes nicht. Ungeschickt ist, daß die Kirche
außerhalb des Ortes steht. Bei kaltem Wetter ist
darum der Besuch durch alte Leute und Kinder
sehr schlecht.
Der Hertinger Pfarrherr war nach seinem
Staatsexamen zuerst in Holzen im Pfarrhaus zwei
Jahre als Hauslehrer tätig gewesen, bevor er 1753
als Pfarrverweser nach Kleinkems kam. Er heiratete
die Tochter des Pfarrers in Wittlingen und
zog mit ihr 1755 nach Hertingen. 1763 wurde er
nach Teningen versetzt, wo bald darauf seine
Frau starb. Nach drei Jahren kehrte er mit seiner
zweiten Frau nach Hertingen zurück, wie er
selbst schreibt „aus bewegenden Ursachen". Am
26. Mai 1786 starb Schlotterbeck, noch nicht ganz
56 Jahre alt.
Er war es wohl, der den Kirchenbau immer
wieder vorwärts trieb. 1771 hören wir, daß die
Gemeinde inzwischen einen Platz im Ort für die
neue Kirche gekauft hat. Vier Termine sind schon
bezahlt, zwei sind noch zu bezahlen. Aber das
Bauwesen schreitet langsam voran. Es sind zuviel
Kirchen und Pfarrhäuser im Oberland, die teils
erneuert, teils gänzlich neu gebaut werden sollen.
Ein anschauliches Bild von den Schwierigkeiten
jener Zeit gibt uns Pfarrer Mennicke aus Hauingen
, sowie Pfarrer Schmith aus Maulburg. Die
Hertinger müssen warten. 1780 ist das Hertinger
Kirchengebäude so baufällig, daß nun auch der
Turm mit Seilen gebunden werden muß. 1783
berichtet der Spezial Welper, daß er seit 13 Jahren
in seinen Schreiben an die vorgesetzten Behörden
auf die Notwendigkeit des Kirchenbaues
hingewiesen habe. Anläßlich der Kirchenvisitation
dieses Jahres wiederholt er seine Bitte. Im folgenden
Jahre berichten Oberamt, Spezial und
geistliche Verwaltung, daß die Kapelle von Kaltenbach
,,nebst der Kirche zu Hertingen diejenigen
sind, welche unter den verfallenen Kirchen
hiesigen Oberamts am ersten zu bauen angefangen
werden müssen".
Nun beginnt man, Steine für den Neubau beizufahren
, und im folgenden Jahre legt Baumeister
Rebstock eine Berechnung vor für das Bauholz
. Alles Bauholz erfordert etwa 155 Stämme,
die, eins ins andere gerechnet, 371 fl 30 kr kosten.
Dagegen liegt in Basel Floßholz, von dem 131
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