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Die Markgraf'schaft
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Stämme für 288 fl 12 kr genügen. Ein Flößer aus
Kirchen wird das Holz bis Kirchen in ein Altwasser
des Rheines flößen. So sei man 1762 beim
Neubau der Kirche in Wintersweiler auch vorgegangen
. Damals bekam der Flößer 8 kr von jedem
Stamm. Wenn dort in Kirchen die 131 Stämme
vom Zimmermann beschlagen sind, gibt es
höchstens 60 Fronfuhren, für die je ^ Maas Wein
und 1 Pfund Commis gegeben wird. Endlich 1785
erfolgte die Grundsteinlegung. Nun bittet die Gemeinde
, man solle doch einen kleinen Teil der
alten Kirche stehen lassen, damit man bei plötzlichen
Regenfällen während einer Beerdigung
unterstehen könne. Auch seien elf Grabmäler der
ehemaligen Ortsherrschaft von Rotberg teils im
Chor eingemauert, teils bedecken sie den Boden.
Wie weit der Bitte der Gemeinde entsprochen
wurde, konnte bisher aus den Akten nicht festgestellt
werden. Ein großer Teil der Steine der
alten Kirche wurde beim Pfarrhausumbau in
Hertingen verwendet. Jedenfalls verfuhr man
nach der Meinung von Oberamt und Spezial: man
mauerte die Grabmale in die Friedhofmauer ein,
soweit dies möglich war. Der heutige Friedhofeingang
stammt noch von der alten Kirche. Die
Grabtafeln finden sich rechts und links des Ein-
gangs, aber völlig verwittert.
Hebel hat also in seiner Hertinger Zeit (1782
und 1783) als Hauslehrer bei Pfarrer Schlotterbeck
noch die alte Kirche gesehen. Zentner berichtet
in seiner neuesten Hebelbiographie, daß
Karl Storck
Ein Gedenkblatt anläßlich seines
Nicht wir allein, die um dich weinen,
nein, wer dich kannte, liebte dich.
Der Herr auch kennt und liebt die Seinen,
drum nahm er frühe dich zu sich.
Diese Verse auf einem Grabstein meines Heimatdorfes
machten auf mich als Kind immer
einen mächtigen Eindruck. Ihre naive Schlichtheit
paßt auch auf Karl Storck, den Dichter,
Musiker und Menschenfreund, der allzu früh starb
für die Seinen, und für die Menschheit. Aber er
war ein innerlich so vollendeter, gottseliger
Mann, daß der Herr ihn aus Liebe zu sich nahm.
Wer aber heimgehen darf zu ihm, ist auch imstande
, uns mit Trost zu beglücken. Aus dieser
Erkenntnis heraus wollen wir sein irdisches
Leben und seine Leistungen betrachten.
In einem kleinen Dorf im hinteren Sundgau
geboren, der Vater ein Beamter, die Mutter eine
Schweizerin, verbrachte er seine Jugend in dieser
der Welt nie abgekehrten Dreiländerecke, besuchte
die Gymnasien in Zillisheim und Mülhausen
, dann die Universitäten Straßburg und Berlin
, wo er als 22-jähriger zum Dr. phil. promovierte
, nachdem er sich mit der Arbeit ^Entstehung
und Quellen der .Märchen Clemens Brentanos
" den Grimmpreis verdient hatte. Bald trat er
als Schriftsteller hervor und wurde Mitarbeiter
angesehener Zeitschriften. Es erschienen in ra-
schjer Folge Gedichte, Novellen, Romane, aber
Hebel hauptsächlich bei der Austeilung des
Abendmahls behilflich war. „Seiner Handschrift
begegnen wir im Hertinger Kirchenbuch, und
zwar in den Abendmahleinträgen vom dritten
Adventssonntag und ersten Weihnachtsfeiertag
1782 sowie von Karfreitag und Ostersonntag 1783.
In Tannenkirch bestätigen einige Tauf- und
Sterbeeinträge des Dichters dortige seelsorgerische
Tätigkeit. Auch die Kanzel in Hertingen und
im Filialdorf Tannenkirch mag Hebel mitunter
bestiegen haben".
Wie glücklich Hebel in Hertingen war, geht
aus seinem Brief vom 23. Januar 1825 an Gustave
Fecht und Karoline Günttert (Zentner 457) hervor
: ,,0, wie glücklich saß ich einst in Hertingen
zwischen den Milchkänsterlein und den nassen
Strümpfen und Handzwehlen am Ofenstänglein.
Aber freilich 20 Jahre und 63 ist auch ein Unterschied
". Und schon vorher, im Oktober 1801, berichtet
er, daß er auf seiner Reise ins Oberland
„den gesegneten Kramer gemessen" habe. Kramer
war Schlotterbecks Nachfolger. Und im selben
Monat an Gustave Fecht: „Ich nahm den nächsten
Weg über Otlingen, Rötteln, Egringen uud Hertingen
, wo ich viele, die mir einst wert waren,
nimmer fand, wenige mehr kannte, was 20 Jahre
und darunter war, wußte nichts mehr von mir;
ich hatte etwas von der Empfindung, wie wenn
ein Verstorbener nach 100 Jahren wieder käme
und den Schauplatz seines verwehten Lebens wieder
besuchte".
/ Lina Ritter
30. Todestages am 9. Mai 1950
auch zusammenfassende Werke auf dem Gebiet
der Musikgeschichte (2 Bände „Geschichte der
Musik", „die Musikpolitik", „Musik und Musiker
in Karikatur und Satire", das volkstümliche
„Opernbuch", „Deutsche Literatur"), Lebensbeschreibungen
großer Komponisten und Künstler.
Dazu kamen zahlreiche Vortragsreisen und Tagungen
für Musiker und Geistesarbeiter, auf welchen
Karl Storck immer wichtige und wesentliche
Anregungen gab, und besonders der strebenden
Jugend mit Rat und Tat zur Seite stand. Das in
den eigenen Studienjahren erworbene Rüstzeug
war aber bald nur Fundament und Mauerwerk
des Tempels, an dem Karl Storck mitzuformen
die Gnade hatte: seine tiefe Einsicht, seine weisen
Ahnungen, sein gläubiges Herz, wurden Türen,
Fenster, Altäre in diesem Heiligtum, das dem
Dienste der Menschheit geweiht war.
Eine so hervorragende Persönlichkeit erfuhr
natürlich die Freundschaft der besten Männer
seiner Zeit. Der Briefwechsel mit ihnen würde
Bände füllen. Uns interessiert vor allem sein fast
prophetisches Wissen um die Aufgabe der Menschen
, die am Rheinknie, im Hebelgau1 wohnen.
Es genügte ihm nicht, zu allen Malern, Musikern
und Dichtern unserer Gegend in einem warmen
Freundschaftsverhältnis zu stehen, er wollte, wie
drüben in der elsässischen Heimat und im Baselland
bei dem Bruder seiner Mutter, eigenen
Boden unter den Füßen haben, auch hier, mitten
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