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Die Markgrafschaft
Um 1800 hatte die Kappe schon eine kleine
Veränderung erfahren. Der Boden wurde oval,
aus hellblauem Damast mit Gold bestickt, das
Band für junge Mädchen hell-, für Frauen dunkelgeblümt
.
Jetz e side Fürttuech her, un endli der Hauptstaat,
Zwenzig Ehle lang un breit e Mailänder Halstuech!
Wie ne lustig Gwülch am Morgehimmel im Früehlig
Schwebts uf der Brust, stigt mittem Othem un senkt si,
Wählet der über d'Achslen, un fallt in prächtige Zipfle
Über der Rucke abe, si ruusche, wenn de im Wind gohsch!
Het me's lang, se loßt me's henke, hör i mi Lebtag.
D" Ermel, denk wohl henksch an Arm, wils Wetter so
schön isch,
as me's Hemd au sieht, un dini gattigen Ärmli,
un der Schie-Huet nimmsch in d'Hand am sidene Bendel.
D' Sunne git eim wärmer, un schint eim besser in d'Auge,
Wer en in de Hände treit, un 's stoht der au hübscher!
Jetz wärsch aisstaffiert, as wenn de hofertig sto-h wotsch,
Un de g'fallsch mer selber wieder, chani der sage.
Wie die Kappe, so hatte auch der Rock seine
Farbe geändert; er war grün geworden, und
änderte in der Folgezeit die Farbe noch» oft, der
jeweiligen Modefarbe entsprechend. Das Brusttuch
vergrößerte sich und das Jäckchen wurde
tiefer ausgeschnitten, damit die schön gemusterte
Seide besser zur Geltung kam. Hinzu kam noch
ein feines, wollenes Umschlagtuch, meist braungrau
gestreift oder kariert mit langen, geknüpften
Fransen. Diese Tücher kaufte man von Italienern
und nannte sie darum „Mailänder Halstücher
". Diese Umschlagtücher werden heute noch
von alten Markgräfler Frauen getragen, allerdings
aus schwarzem Kaschmir, mit kurzen
schwarzen Wollfränschen an zwei Seiten. So ein
Tuch heißt heute ,,Schal".
In den 50er Jahren vereinfachte sich die Tracht
noch mehr. Statt des offenen Leibchens und der
Ärmel jacke wurde nun ein ganzer Leib vom selben
Stoff des Rockes getragen; aus hellem oder
dunklem Wollstoff, rot, braun, grün oder schwarz,
oder aus „Einschützigem", einem Gemisch aus
Wolle und Leinen, das gewöhnlich in zwei Farben
schillerte. Der Leib war ganz glatt anliegend
und am Halse mit einem Stehkragen hochgeschlossen
. Vorn war er durchgeknöpft. Die Ärmel
waren lang und der Mode entsprechend, als Keulenärmel
, Schiffärmel oder enge Ellbogenärmel
eingesetzt. Der Rock war seitlich in Falten gelegt
und hinten eingereiht und am Leib festgenäht.
Kragen und Ärmelrand trugen als Schmuck Borten
aus Seide oder Samtband in abstechenden
Farben. Am Kragenschluß trug man eine Brosche.
Das Halstuch mußte — mit der Vereinfachung
des Kleides — naturgemäß größer und reicher
werden. Es behielt die Dreieckform, bekam aber
an beiden Außenseiten kurze Seidenfransen. Die
Seide war nicht mehr so buntgemustert, sondern
mehr schillernd oder Ton in Ton geblümt, hell
für die Mädchen, dunkler für die Frauen. Die
Art, wie das Tuch nun getragen wurde und heute
noch wird, wirkt viel schlanker. Am hinteren
Halsrand wird das Tuch in schmale Querfalten
geheftet, die mittlere Ecke in der Taille festgesteckt
und die Längsteile in schönen Falten über
der Brust gekreuzt und hinten in einfachem Knoten
gebunden. Die Hanauerin und die Elsässerin,
deren Trachten noch mehr vom Ursprünglichen
behalten haben, tragen das Tuch hinten lose über
dem Knoten hängend.
JRarfgtttjlerin um 1900
Mit der Zeit wurden die Fransen immer breiter
und schöner geknüpft, und als Farbe blieben
noch weiß, creme und schwarz. Zu den Seidentüchern
kamen solche aus Spitzentüll, die vielfach
an Stelle der Seidenfransen etwa zehn Zentimeter
breite Tüllspitzen als Abschluß tragen.
Nun zur Krone der Markgräfler Tracht, der
Flügelhaube, heute noch Kappe oder Hörnerkappe
genannt. Sie hat die größte Wandlung
durchgemacht. Der Teil, der einst den ganzen
Kopf umschloß und ihr den Namen „Kappe" gab,
wandelte sich in das winzige Käppchen, das nur
noch zum Festhalten an der Frisur dient. Das
ehemalige kleine Schmuckschleifchen ist zum
Hauptteil, den Flügeln, geworden. Im Lauf der
Entwicklung wurde die Stirn immer freier, und
die Bandenden, die nun nicht mehr flach, sondern
aufgerichtet auf dem Kopfe lagen, wurden immer
länger und breiter. Schließlich franste man die
Bandenden aus.
Stärkstes schwarzes Ripsband wird schon lange
verwendet, und schmales eingenähtes Drahtband
hält die Flügel glatt und schön in Form. Sie sind
auf Schulterbreite angewachsen, und die schönen,
dichten Seidenfransen reichen bis über die Schultern
hinunter, als vorteilhafte Umrahmung des
Gesichtes.
Wichtig ist die Frisur, die den guten Sitz der
Kappe bedingt. Die Mädchen tragen zwei Zöpfe,
die, am Wirbel angefangen, mit schmalem
schwarzem Seidenband durchflochten sind und
am Ende ein etwa zehn Zentimeter breites, weiches
schwarzes Ripsband tragen, das bis zum
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