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Die Markgrafschaft
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Rocksaum herunterhängt. Das Käppchen hierzu
ist hinten offen und wird nun, nachdem die
Schleife mit dem angenähten Kämmchen auf dem
Vorderhaar festgesteckt ist, unter den Zöpfen mit
einer Hafte zusammengehängt. Die verheiratete
Frau hat ebenso eine besondere Haartracht, den
„Drüller". Das Haar wird vorn in der Mitte gescheitelt
, am Wirbel fest zusammengenommen
und zu einer langen, senkrechten Rolle gedreht,
die festgesteckt wird. Der Rest des Haares wird
nun geflochten und als beiter Zopf um den
„Drüller" gelegt. Bei kurzem oder dünnem Haar
hilft ein Zopf vom Friseur. Über diesem „Nest"
wird das kürzere, geschlossene Käppchen mit
langen, schwarzen, dickköpfigen Nadeln festgesteckt
.
Der glatte, hochgeschlossene Leibrock mit glattem
Ellbogenärmel hat sich bei den älteren Mark-
gräflerfrauen in seiner Form bis heute erhalten.
Die Jugend ging, durch die zunehmende Verstädterung
des Landes, ganz mit der Kleidermode
.
Die Kleider wurden farbiger und leichter, Seidenstoffe
gesellten sich zu den Wollstoffen. Der
halblange Ärmel löste im Sommer den langen
Ellbogenärmel ab und der unbequeme Stehkragen
verschwand. Ein schlanker, freier Hals
schaute wieder aus dem schön gefalteten Halstuch
hervor.
Der Rock aber, die „Junte", wie die Mark-
gräflerin sagt, begann zu entarten. Er wurde, der
städtischen Mode entsprechend, kürzer und kurz,
enger und eng, stand in keinem Verhältnis mehr
zum Leibchen-Teil, zum schönen, faltigen Halstuch
. Die schöne, stolze Tracht wurde bisweilen
zum Zerrbild. Das Füllige, Schwingende, das
einem knöchellangen Trachtenrock seine Eigenart
gibt und einen jugendschlanken Körper doch
nicht verdeckt, wurde zum engen Moderock, der
kein schönes, gelassenes Schreiten mehr zuließ.
Die schöne Tracht wurde stillos und unecht. Vielleicht
trägt dies die Schuld, daß sie immer mehr
in den Hintergrund trat. Höchstens noch an Festtagen
bekam man junge Markgräflerinnen zu
sehen.
Als neues Hindernis kam das Übergreifen der
„Bubikopf-Tracht" in die Landgemeinden. Hierzu
paßt natürlich die Markgräfler-Kappe in ihrer
heutigen Form keineswegs, und die schönen
Kappenbänder wären sinnlos, weil die Zöpfe
fehlen.
Und doch — unsere schöne, stolze Markgräfler-
Tracht darf nicht verschwinden. Was wäre unsere
Landschaft ohne den „Haimetschy" der Mark-
gräflerin!
Ansätze zu einer Änderung, einer Umformung,
sind da. Sie lehnen sich zum Teil an die alte
Vreneli-Tracht an, zum Teil tauchen sie als Neuentwürfe
auf, wie die Trachten- und Winzerfeste
des Jahres 1949 zeigten. Kleidsam sind sie alle.
Möchte sich doch aus diesen Ansätzen eine
wirklich getragene Tracht herausschälen, die
nicht nur an Trachtentagen als Schaustück hervorgeholt
wird.
Müßte man eines Tages von unserer schönen
Markgräfler-Tracht als von etwas „einmal Gewesenem
" sprechen, wäre das schmerzlich und beschämend
für unser Land und seine Eigenart.
Ein Vers aus Burtes „Geschöntes Land" sollte
wie ein lauter Ruf durch's Markgräfler Land
gehen: •
D' Chappe stolz uf de Hoor,
Halstuech um, Fürtueeh vor,
Bisch e Freud, bisch e Pracht,
Markgräfler Tracht.
Gegenstände für das Heimatmuseum
in Müllheim
werden als Gaben oder Leihgaben jederzeit gerne
entgegengenommen. Schriftliche Anmeldung beim
Hebelbund Müllheim, Werderstraße 25.
3^ In den nächsten Wochen wird der Hebelbund
in den Dörfern des Markgräflerlandes eine
Werbung für unser Blatt durchführen. Wir bitten
unsere Leser, die Werber in ihren Bemühungen
zu unterstützen.
Unserem aus Amerika heimgekehrten Abonnenten
Julius Kramer
entbieten herzlichen Heimatgruß
Redaktion der „Markgrafschaft"
Hebelbund Müllheim
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