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Die M a r k g r a f s c h a f t
Neuenburg, wie es nur wenige kennen
Aus der Chronik der ehemals freien Reichsstadt am Rhein
Seine Vor- und Frühgeschichte *)
Wenn man heute durch die Straßen Neuenbürgs
geht, so kann man es kaum glauben, daß
Neuenburg einst eine stolze, freie und wohlhabende
Reichsstadt war, die neben Freiburg
und Breisach die bedeutendste Rolle am Oberrhein
spielte.
Aus alten Aufzeichnungen, Urkunden und
sonstigen Uberlieferungen ist nur weniges über
die älteste Geschichte Neuenbürgs zu erfahren.
Wie an vielen anderen Orten im Schicksalsland
des Oberrheins, waren es auch hier die Kelten,
die sich schon Jahrhunderte vor der christlichen
Zeitrechnung niederließen. Später folgten die
Römer, die Burgen und Kastelle bauten, Heerstraßen
errichteten und sich zu Herren des Landes
machten. Das an Neuenburg vorüberziehende
„Hochsträßle", das bereits im Jahre 1341 im
„Tennenbacher Güterbuch" erwähnt wird, ist
noch ein Rest der ehemals am rechten Ufer des
Rheins entlangführenden Römerstraße. Aber auch
auf der linken Seite des Stromes zog sich eine
weitere Heerstraße von Basel nach Breisach hinunter
, an der sich sogenannte „Poststationen"
befanden, an denen die Pferde ausgewechselt und
gefüttert wurden. Drüben, dem Gebirge zu, im
heutigen Badenweiler, hatten die Römer inzwischen
„warmes Wasser" entdeckt und darüber das
prächtige Bad erbaut, dessen Uberreste heute
noch als letzte Zeugen jener Zeit dem Besucher
die Vergangenheit näherbringen.
Über die angebliche Gründung Neuenbürgs um
das Jahr 1171 schreibt Bruder* Johann Meiger,
ein vornehmer Freiburger, der auf Befehl des
Abtes Johann Zenli das „Tennenbacher Zins- und
Kapitalbuch" verfaßte, das wegen seiner genauen
und umfassenden Kenntnisse kurzweg „das alte
Register von Tennenbach" genannt wurde, wörtlich
: „Der Grund und Boden, auf dem die Stadt
Neuenburg ruht, gehörte unserm Kloster, und es
befand sich dort ein Hofgut mit einem Brunnen,
wo jetzt die Stadt liegt. Dieses Hof gut nun kauften
wir, und es kauften dasselbe unsere Vorgänger
mit alF dem, das dazu gehörte, von Herzog
Berthold um dreißig Mark. Nachdem es dasselbe
gegen ein Jahrzehend oder etwas mehr inne gehabt
hatte, in allem Frieden und ohne Unterbrechung
, gefiel es dem Herzog, die Mönche mit
Gewalt aus ihrem seitherigen Besitz zu verdrängen
und ein städtisches Wesen allda zu errichten
(civitatem construere), was sofort geschah. Die
Mönche wandten sich alsdann wegen des ihnen
zugefügten Unrechtes nach Rom an Papst
Alexander III., welcher die Entscheidung gab,
daß, was außerhalb der Mauern der Stadt wäre,
fernerhin dem Kloster gehören sollte nebst dem
*) Nach Aufzeichnungen der Huggle'schen Neuenburger
Chronik und nach Beiträgen von Eiermann, Wenk und
Studer.
Kirchensatz der Stadt. Indessen wurde von all'
dem dem Kloster nichts gehalten und sie bekamen
weder den Kirchensatz noch sonst mehr
etwas in ihren Besitz zurück".
Urkunden aus Klöstern nennen Berthold IV.
von Zähringen als den Gründer Neuenbürgs und
das Jahr 1175 als das Gründungs jähr der Stadt,
die demnach heute auf das ehrwürdige Alter von
775 Jahren zurückschauen kann. Berthold IV., der
um diese Zeit auch im Besitze des Schlosses von
Breisach war, erbaute am Südausgang der Stadt,
so heißt es in der Chronik, eine Burg, von der
man die Namen Nuwenburg, Niunenburg, Newen-
burg und schließlich Neuenburg ableitete. Es wird
angenommen, daß Berthold dieser seiner neuen
Stadt alsbald auch — ähnlich wie es sein Oheim,
Berthold III., bei der Gründung Freiburgs getan
hatte — eine bestimmte Verfassung und gewisse
Rechte als Privilegium gab. Neuenburg, das von
seinem Herrn weniger zu einem Markt- und Handelsplatz
— wie etwa Freiburg — sondern vielmehr
„zu Schutz und Wehr, zu Überwachung oder
auch Sperrung des Rheins" bestimmt war, scheint
sich schnell bevölkert zu haben, denn bald nach
seiner Gründung ist von einem „Pfarrsatz", sowie
von einem Pfarrer und von einer „alten großen
Glocke" die Rede. Diese Glocke, die mit der Beschriftung
„im Jahre 1200 bin ich im Frieden
hierher gekommen" als älteste in Baden bezeichnet
wird, soll nach der Volkssage aus Müllheim
stammen, von den Feinden geraubt, auf einem
Acker vergraben und schließlich von den Neuen-
burgern auf ihren Glockenturm gehängt worden
sein.
Wie viele andere Städte in jener Zeit, war auch
Neuenburg am Rhein mit Festungsmauern, wehrhaften
Türmen und Toren versehen. Den Verlauf
des früheren Stadtgrabens konnte man an Geländevertiefungen
wahrnehmen; so zum Beispiel
in der Spital-, Kreuz-, Kapuziner-, Reb- und
ölgasse. Auf der breiten Hauptstraße, wo früher
das Gasthaus „Schlüssel" stand, bis hinunter zum
„Adler", wurde jeweils der Markt abgehalten.
Kaufleute und Handwerker aller Art, so heißt es
in einem Beitrag von Eiermann, hatten ihre Häuser
in der Marktstraße, während die zahlreichen
Adeligen innerhalb der Stadt prächtige Adelssitze
hatten. Da Neuenburg zur Zeit der Kreuzzüge
erbaut wurde, ließen sich auch einige Orden
innerhalb seiner Mauern nieder; unter ihnen auch
der Orden der Johanniter, oder, wie sie später
hießen, die „Malteser-Ritter", die sich in Seefelden
, Mauchen, Buggingen, Döttingen, Müllheim
, Schliengen und Heitersheim zahlreiche
Güter erwarben. Am oberen Tor der Stadt befanden
sich die Gebäude der Johanniter, nach denen
die Johannisgasse benannt wurde, und wo sich
vor der jüngsten Zerstörung der Pfarrhof befand,
stand einstmals ein Franziskanerkloster mit eigener
Kirche und Friedhof. Die Pilgrimsherberge
und das Gutleutehaus außerhalb der Stadt wer-
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