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DIE MARKGRAFSCHAFT
Nr. 7 / 2. Jahrgang Monatszeitschrift für das Markgrä'flerland
Juli 1950
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Hoch wölbt sich der b^aue Sommerhimmel
über der Landschaft, die unmerklich und doch
wieder so schnell sich verändert hat. Aus dem
satten Grün der Getreidefelder ist ein gelbbraunes
Meer körnerschwerer Ähren geworden.
Mit Zuversicht und Bangen gleichzeitig hat der
Landmann dieses Bild erhofft. Die Erntezeit ist
da. Während in den Höfen noch gerüstet wird,
sind da und dort schon fleißige und schwielige
Hände am Werk, die Frucht ihrer Arbeit und den
Segen Gottes zu bergen. Manche Schweißtropfen
wird es kosten, bis die unter ihrer Last ächzenden
Wagen in die Scheune gefahren
sind und der Wind über die leeren *
Stoppelfelder singt. Aber Erntezeit
ist auch eine fröhliche Zeit, und
wenn auch die harte Arbeit in der
glühenden Spmmersonne Mann und
Frau das Letzte abverlangt, so geschieht
doch alles in einer innerlichen
Freude, die nach wenigen
Wochen der Mühe und der schmerzenden
Glieder ihren Ausdruck im
Erntetanz finden wird. Leider ist da
viel altes Brauchtum verloren gegangen
. So bedauerlich dieser Umstand
geheißen werden muß, üm so
viel schwerwiegender wäre es, wenn
damit auch die Meinung bestätigt
werden könnte, daß unsere Einstellung
zu der so wichtigen Gabe Gottes
, dem Brot, nicht mehr jene wäre,
die für unsere Eltern noch eine
Selbstverständlichkeit war und der
sie in ungekünstelter Gläubigkeit
und Dankbarkeit auch äußeren Ausdruck
gaben. In Gestalt von abgegriffenen
Lebensmittelkarten mögen da und dort in den
Schubladen noch die Erinnerungen an schwere
Notzeiten, die kaum einen Steinwurf hinter uns
liegen, ein vergessenes Dasein fristen. Es scheint
in vieler Hinsicht notwendig, uns in diesen
Tagen an das zu erinnern, was vor so kurzer
Zeit noch für viele von uns bittere Wirklichkeit
war (und was heute "noch in anderen Teilen
unserer ziemlich aus dem Gleichgewicht geratenen
Welt böse Gegenwart ist). Wissen wir noch,
wie es war, als wir Kerben in den Brotlaib
schnitten, um dem Hunger eine quälende Ordnung
zu geben, ihn gewissermaßen zu reglementieren
? Wissen wir noch, wie oft er stärker war
als das Reglement, und erinnern wir uns noch,
daß wir hinter russischem Stacheldraht lange
Zeit überhaupt nichts hatten, in das wir Kerben
hätten schneiden können?
Die menschliche Natur vergißt das Leid, das
überstanden ist, schnell. Der Hauptgrund, weshalb
die meisten alten Menschen mit Wehmut
und Stolz von der „guten, alten Zeit" sprechen,
liegt wohl darin, daß sie nur noch freundliche
Erinnerungen in die Gegenwart strahlt, nicht
aber die Schmerzen, die es immer gab. Dies ist
zweifellos ein glückliches Mitgift für den Erdenbürger
, dem es, weiß Gott, von seinen Mitmenschen
, seiner Konkurrenz, seinem Finanzamt,
seinem Ehegesponst, seinen eigenen Schwächen
nicht leicht gemacht wird. Aber liegt darin auch
Brot
/ Jda Preusdi-Müller
Fahret z'Acker, fahret
mit em Pflueg dur's Land,
wenn der harter Himmel
hoch sich drüber spannt.
Säjet, Buure, säjet
Chorn in's gfahre Land.
Gsegnet sei ech alles:v
Schritt un Wurf un Hand.
Chiimet, Chörnli, chiimet,
wachset us em Grund,
mannshoch in de Halme,
Ähri groß un rund.
Mähjet, Mähder, schwinget
d'Sägese dur's Chorn.
Hüt no volli Äcker,
volli Schüüre morn.
Dröschet, Manne, dröschet
was der Pflegel packt.
Chörnli über Chörnli
Gumben uf im Takt.
Mahlet, Müller, mahlet.
Waize goldegeel
rinnt in Mühliträchter,
wandlet sich in Mehl.
Bachet, Fraue, bachet,
ebnetet lang un fest.
Selberbache Brot isch
allewyl halt 's best.
Denket, wenn der esset,
au an die in Not,
un an Dä, wo segnet
euer täglich Brot.
eine Gefahr: der Mensch, der homo sapiens, ist
wenig geneigt, gewisse Lehren, die er unfreiwillig
überkommt, anzunehmen. Es bedarf oft großer
Erschütterungen, bis wir merken, wo es „gebumst
" hat. Wir haben solche Erschütterungen
hinter uns, und wir wollen hoffen, daß wir sie
nicht bald wieder vor uns haben. Es ist notwendig
, daß wir daran denken, an das Wesen des
Brotes, nicht nur an seinen Preis. Diskussionen
über den Brotpreis gehören sicher in das Gebiet
der Politik, und wir dürfen glauben, daß in Bonn
'ernsthafte Anstrengungen gemacht werden, diese
Frage zu lösen. Ob die Lösung glücklich sein
wird, mag die Zukunft, erweisen. Indessen bleibt
uns hier ein menschliches Anliegen: der Wunsch, *
daß groß und klein den Namen BROT mit
Ehrfurcht aussprechen. Für manchen von
uns bedeutete Brot schon einmal Leben. Mancher
von uns hat ähnliches erlebt wie jene deutschen
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