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Die Markgrafschaft
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Der Herzog von Enghien
Die reiche Geschichte unserer Heimat am
Oberrhein prägte so manches Schicksal unserer
Vorfahren. Freud- und leidvolle Zeiten gingen
über das Markgräflerland. Not- und Schreckenszeiten
wechselten mit Jahren ungestörter Arbeit
und ruhigen Daseins. Die großen europäischen
Ereignisse spielten sich oft in der fruchtbaren
Landschaft zwischen Rhein und Schwarzwald ab.
Innerhalb des historischen Geschehens leuchten
nun da und dort Bilder menschlichen Glückes
oder Unglückes auf, die mit Recht unsere Aufmerksamkeit
in Anspruch nehmen dürfen. So
blüht auch auf dem dunklen Grund der französischen
Revolution zu Ende des 18. Jahrhunderts
ein menschliches Ereignis auf, gleich einer schönen
Blume, deren Blühen frühzeitig durch eine
grausame Hand zerstört wird.
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Im Jahre 1789 verließ der 17-jährige Ludwig
Anton Heinrich von Bourbon-Conde, Herzog von
Enghien, zusammen mit seinem Vater und Großvater
das Schloß Chantilly, um sich den vielen
nach dem Bastillensturm in das Rheinland auswandernden
französischen Adeligen anzuschließen
. Während sich der Vater des jungen Herzogs,
dessen Urgroßmutter väterlicherseits die deutsche
Prinzenssin Karolihe von Hessen-Rheinfels gewesen
war, nach England begab, stellte sein Großvater
ein Emigrantenkorps zusammen, mit dem
er zusammen mit dem österreichischen Heer
unter Wurmser die Monarchie in Frankreich wieder
einzusetzen hoffte. Der Stab dieses französischen
Korps, zu dem auch der junge Herzog von
Enghien gehörte, lag in Müllheim. Dieser selbst
fand freundliche Aufnahme im Hause des Küfers
Johann Jakob Löffler, dessen Aufrichtigkeit und
Gastfreundschaft für den heimatlosen und auch
so gut wie mittellosen Herzog von großer Bedeutung
war. Uber die freundschaftlichen Beziehungen
zwischen dem reichen Markgräfler und dem
Herzog geben eine Reihe von Briefen des letzteren
, die im Familienarchiv des Oberst a. D. Erich
Blankenborn aufbewahrt sind, Aufschluß. Der
Herzog, ein großer, ebenmäßig gebauter Mann,
dessen blonde Haare und blaue Augen seine
deutsche Herkunft bestätigten, faßte bald eine
tiefe Liebe zu der zweiten Tochter seines Gastgebers
, der ebenso reizenden wie tugendsamen
und geistvollen Judith Löffler. Eine Reihe glühender
Liebesbriefe des Herzogs, in der über-
schwänglichen Sprache jener Zeit abgefaßt, erzählen
uns von dieser Liebe, die von vornherein
kaum auf* Erfüllung hoffen durfte. Immer wieder
beschwört der junge Herzog seine Angebetete:
,,.. Sie, die so viel Reise und so viel Geist in sich
vereinigen, können Sie glauben, Ihr wirkliches
Glück bestehe darin, gefühllos zu bleiben? ..."
„Sie raubten mir noch in der Nacht die paar
Stunden Schlaf. Ihr Bild sprach unaufhörlich zu
meinem Herzen und benahm mir den Atem".
Wie aus den Briefen hervorgeht, fand diese Liebe
keine Erhörung. Das gesunde Empfinden der
Markgräfler Bürgerstochter warnte sie, sich in
ein Verhältnis einzulassen, das seinen natürlichen
Abschluß in einer Ehe.nie hätte finden können.
Daß Judith Löffler dieses Verzichten schwer angekommen
ist, geht aus manchem hervor; sie
blieb auch, als der schöne Herzog längst einem
tragischen Geschick zum Onfer gefallen war,
ledig. Aus einem Bildnis der Judith Löffler blik-
ken große dunkle Augen, schwermütig, in sich
gekehrt, als ob dahinter ein tiefes, bittersüßes
Geheimnis verborgen liege.
Inzwischen ging die Müllheimer Episode zu
Ende. Conde, der Großvater des Herzogs, hatte
sein Hauptquartier nach Adelshofen verlegt. In
einem schmerzlichen Brief nimmt der Herzog
Abschied von Judith Löffler. „Es ist mein Schicksal
, unglücklich zu sein", schrieb er. „Sicher einer
treuen Liebe, glaubte ich die Ufer des Glückes
erreicht zu haben, aber ach, es ist verschwunden,
mir bleibt nur der Schatten, welcher meine
Schritte verfolgt.. ".
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Die Erinnerungen an das liebliche Müllheim
und an die Familie Löffler blieben jedoch dem
Herzog in seinem neuen Quartier um so lebendiger
, als der Trennungsschmerz sie täglich erneuerte
und manche Umstände in Adelshofen
dem jungen Prinzen wenig behalten. In einem
Brief an den Vater Löffler verrät er auf eine lebhafte
Art sein Bedauern über den unglücklichen
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