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Die Markgrafschaft
Der Obstbau im Markgräflerland
Wenn der Obstbau früher betriebswirtschaftlich
hinter den Weinbau in den einzelnen Betrieben
gestellt wurde und nicht die Ausweitung erfuhr,
wie dies in anderen Gebieten Badens der Fall
war, so hängt dies von verschiedenen Faktoren
ab:
1. ) In den Kieselböden der Hardt und den
Rheinorten ist, insbesondere nach der Tulla-
schen Rheinregulierung und dem damit verbundenen
Absinken des Strombettes, ersprießlicher
Obstbau nicht möglich.
2. ) Die Niederschlagsarmut des Markgräflerlan-
des, insbesondere des oberen Teiles, bedeutet
eine wenig günstige Vorbedingung für einen
erfolgsicheren Obstbau.
3. ) Eine wichtige Rolle spielt die konservative,
erst alles abwägende Einstellung des Mark-
gräflers. Rückständigkeit kann man ihm
nicht vorwerfen, aber er will erst den Erfolg
sehen.
Viele Weinbauern haben schon rechtzeitig um
die Jahrhundertwende erkannt, daß man im
Obstbau eine gute Erwerbsquelle und Betriebsstütze
hat. Schon damals wurde der Obstbau
erstmals über die Hausgärten hinausgehend ausgeweitet
. Im Gebiet arisäßige Baumschulen (Müllheim
, Kandern) sorgten für die passenden Sorten.
In den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts
wurden zuerst die für den Ackerbau wenig geeigneten
Flächen längs der Berge von Sulzburg
bis Kandern mit Obst, vornehmlich mit Süßkirschen
bepflanzt. Nach dem ersten Weltkrieg ging
man daran, auch gutes Ackergelände systematisch
für Kernobst frei zu machen. In den Rheinorten,
dem Rheinvorland, verbreitete sich, bedingt durch
den damals noch günstigen Grundwasserstand,
vor allem der Zwetschgenanbau.
Leider sind durch die Frostwinter 1929, 1939
und 1942 und die darauf folgenden Trocken jähre
im Zusammenwirken mit mangelnder Pflege
gerade die früheren stolzen Kirschenbestände an
den Hängen bald ganz verschwunden. Mit dem
Nachbau derselben Obstart hat man aber in den
seltensten Fällen Erfolg, da der Boden sozusagen
ausgepowert ist und es m. E. auch an bestimmten
Spurenstoffen fehlt, andererseits ist aber an den
meist trockenen Jurakalkhängen mit den flacher
wurzelnden Obstarten nichts zu erreichen. Wie
den Kirschenbeständen ging es auch den Zwetschgen
im Rheinvorland. Auch dort ist ein Nachbau
unmöglich, wenn der Grundwasserstand sich
nicht natürlich bessert. Inzwischen hat sich in den
letzten Jahrzehnten vor der Rebhügelzone, besonders
in Heitersheim, Hügelheim, Müllheim,
Auggen bis Rheinweiler und Kleinkems, wie
auch in Laufen und Niedereggenen der Früh-
Steinobstbau günstig entwickelt. Es zeichnen sich
also in unserer Heimat drei Obstbaugebiete ab:
1. das Spät-Süßkirschengbiet in und an den
Bergen entlang (Eggenertal, Malsburg, Vogelbach
),
2. davor und innerhalb der Rebhügelzone das
Spät-Apfelbaugebiet,
3. vor den Rebhügeln bis zur Bahnlinie das
. Früh - Steinobstgebiet (mit Frühpflaumen,
Frühzwetschgen und Mirabellen).
Den klimatischen Verhältnissen entsprechend
ist dem Ackerobstbau vor dem Wiesenobstbau
der Vorzug zu gebeh. Leider läßt es die betriebswirtschaftliche
Struktur unserer meist kleinbäuerlichen
Betriebe nicht zu, ganz auf Unterkulturen
zu verzichten. Dies können nur größere
Betriebe; sie wenden ihr ganzes Augenmerk auf
die Obstbäume und ernten damit viel mehr ohne
höheren Aufwand. An Sorten finden wir bei
jeder Obstart noch viel zu viele. Obwohl man in
den Jahren 1928—34 schon einmal eine Reduktion
vornahm, sind immer noch weit über fünfzig
Apfel- und Birnensorten vorhanden. Wenn diese
alle gleich fruchten würden und wenn es sich um
Eigenbedarf handelt, dann wäre dagegen nichts
einzuwenden. Aber was haben wir draußen
stehen? Eine Unzahl von fragwürdigen und launischen
Trägern, die wirklich nicht ihre Pflege
verdienen. Wir sind durch die Wirrnisse der Zeit
gezwungen, erwerbsmäßig Obstbau zu betreiben,
wir im Markgräflerland besonders, da wir als
Überschußgebiet auf Ausfuhr in entfernte Gebiete
angewiesen sind. Dem Anbau sind gewisse
Grenzen gesetzt. Der Anbauer müßte dies zu
seinem eigenen Vorteil einsehen. Man kann
schließlich keinem Käufer zumuten, daß er für
sein gutes, oft sauer verdientes Geld Dornzwetschgen
(Sauzwetschgen) kauft, nur weil diese
gerade da und dort gut gedeihen, oder bei den
Äpfeln Wißlicher, Klävlicher, Jobigger, Sauer-
kracher usw. Dies besonders nicht, wenn daneben
schönste Auslandsware zu erhalten ist, oder aber
gut aufbereitete edle heimische Sorten von Kalvillen
, Renetten, Butterbirnen, Bergamotten.
Genau wie heute wieder, haben sich schon vor
25 Jahren Markt- und Absatzschwierigkeiten ergeben
und die Obstbauern genötigt, ihre Sortimente
auf die Wünsche des Verbrauchers und
Handels unter Berücksichtigung der Ansprüche
der Sorten an die Umweltsbedingungen einzustellen
. Es ist unmöglich, überall Cox's Orangen-
Renette, den König der Äpfel, anzubauen, weil
er nun einmal zu den begehrtesten gehört. Genau
so ging es mit dem Boscop, der nun so langsam
in den Hintergrund tritt; auch er gedieh nicht
überall. Wir sind nun hier in der glücklichen
Lage, daß Klima und Bodenbeschäffenheit es
gestatten, die edelsten Sorten mit Erfolg zu ziehen
, was in rauheren Gegenden nicht mehr der
Fall ist.
Im Lauf der Jahre hat man aus den vielen
Sorten, die man im Anbaugebiet vorfindet, die
besttragenden ausgewählt und als Kreis-Sortiment
bezeichnet, das den Obstbauern angelegentlichst
empfohlen wird; es setzt sich u. a. zusammen
wie folgt:
Für trockene Böden und Lagen: W. Goldparmänen
, Berlepsch, Goldrenette, Ontarion,
Champagnerrenette (Zwiebelapfel), Ribstons Pep-
ping, Gelber Bellefleur, Landsberger Renette.
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