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Die Markgraf Schaft
Die Markgräfler Idylle
im Himmel und auf Erden
Von Jda Guldenschuh
2. Fortsetzung.
Vierter Gesang
Im Wiesental
Jetze goht d'Fahrt im Wiesedal zue über Lörrech uf Röttie.
Dort, bi dem schöne Chilchli, will's wieder dr Weg unter d'Füeß neh,
's Dal hinter laufen uf Huse in's Hebels liebleche Heimet.
's Wülkli schickt's vorus, es isoll am Alzebüehl warte.
Wehmüetig luegt's em no — es dueht si nüt gern vonem trenne!
's isch em halt grad, as war das e Stuck vo ihm selber un alles
schöner un besser vo obe betrachtet uf dere Erde.
Drum singt's sim Wülkli e Liedli un seit em, wie's em um's Herz isch:
Wiß Wülkli hoch am Himmel blau,
i blifo nüt z'lang meh do.
No fahri mit im Obetau
de gold'ne, Sterne no.
Vo Dir us isch die Welt gar schön,
wie dunkt in luter Liecht.
Bi dene, wo do niede stöhn,
viel Schatte ine bricht.
Du füehrsch eim furt in selli Welt,
Wo dere git der Glanz —
dä nie z'erchaufen isch mit Geld
un doch vergoldet ganz.
Drum, wenn ich's mache chönnt, weiß Gott,
im wenn i wüßt, wo neh,
e jedem Herz in tiefer Not
dät ich e Wülkli geh.
Das treitis liicht dur Schmerz un Qual
hoch in die reini Luft,
un mummleti das Erdedal
in Himmelsgarteduft.
Doch amel wieder fest uf d'Bei
im Erdelebe stoh,
un zwüschenine us em Gschrei
uf Dir spaziere goh.
Wie dure mi doch alli Lüt,
wo niedsi gönn im Weh,
un ganz vergesse übersi
der Gump uf's Wülkli z'neh.
Alles isch anders im Wiesedal jetz — un doch wieder 's Nähmlech.
Rauchegi Chemmi stöhn umme vo Röttie bis hinten an Huse.
D' Mensche sin bleich un zapplig, sie laufe nümme, sie renne,
sitze in große Fabrike an lärmige, neue Maschine,
spuele, hasple un webe. In de Gedanke sin d'Fraue
bi ihre Clünder deheime, wo unbhüetet menggmol der Dag dur
nümme recht wüsse, wohie aß sie ghöre. Aber sie drüeihe
eineweg, bis sie halt o wieder groß sin un o wieder spuele,
hasple un webe, grad wie die Alte. Jedes isch selber
nummen e Fade im Weberschiffli vom ebige Meister.
Mitenander aber düehn sie e Meisterstuck bilde,
gwoben us Treui, Arbet un Fliß, wie sie's anders nüt chenne.
So isch's im Webland, 's isch nüt viel anders dort äne im Rebland.
Dort sin's halt d'Rebe, wo ebe so z'schaffe mache de Lüte,
wo sie müehn pflege johrus un johrii in de Rebberg. O selli
trinke im Wii der Schweiß vo längst vergangene Gschlechter.
Eis git im andere d'Hand — un zletzt isch's d'Arbet wohl wert gsi.
Jetz chunnt 's Vreneli notno an all dene örtlene dure,
wo ünsem Hebel soviel bedütet hei in sim Lebe. „
Vatter un Mueter sin zämmedueh worde im Hauiger Chilchli,
Gottes Sege het gwiß nüt gmanglet bi dene Zweune.
Isch doch in ihrem Büebli e chostbare Chiime verwahrt gsi,
wo so schön ufgangen isch un soviel Herzen erfreut het.
Der schlaue Pilgrim
Joh. Peter Hebel
Vor einigen Jahren zog ein Müßiggänger
durch das Land, der sich für
einen frommen Pilgrim ausgab, gab
vor, er komme von Paderborn, und
laufe geraden Wegs zum heiligen
Grab nach Jerusalem, fragte schon in
Müllheim an der Post: „Wie weit ist
es noch nach Jerusalem?" Und wenn ✓
man ihm sagte: „Siebenhundert Stunden
; aber auf dem Fußweg über
Mauchen ist es eine Viertelstunde
näher", so ging er, um auf dem langen
Weg eine Viertelstunde zu ersparen
, über Mauchen. Das wäre nun so
übel nicht. Man muß einen kleinen
Vorteil nicht verachten, sonst kommt
man zu keinem großen. Man hat öfter
Gelegenheit, einen Batzen zu ersparen
oder zu gewinnen, als einen Gulden
. Aber "15 Batzen sind auch ein
Gulden, und wer auf einem Wege von
700 Stunden nur allemal an 5 Stunden
weiß eine Viertelstunde abzukürzen
, der hat an der ganzen Reise
gewonnen — wer rechnet aus, wieviel
? Allein unser verkleideter Pilgrim
dachte nicht ebenso; sondern
weil er nur dem Müßiggang und dem
guten Essen nachzog, so war ^s ihm
einerlei, wo er war. Ein Bettler kann
nach dem alten Sprichwort nie verirren
, muß in ein schlechtes Dorf
kommen, wenn er nicht mehr darin
bekommt, als er unterwegs an den
Sohlen zerreißt, zumal wenn er barfuß
geht. Unser Pilgrim aber dachte
doch immer darauf, so bald als möglich
wieder an die Landstraße zu
kommen, wo reiche Häuser stehen
und gut gekocht wird. Denn der
Halunke war nicht zufrieden, wie ein
rechter Pilgrim sein soll, mit gemeiner
Nahrung, die ihm von einer mitleidigen
und frommen Hand gereicht
wurde, sondern wollte nichts fressen
als nahrhafte Kieselsteinsuppen. Wenn
er nämlich irgendwo so ein braves
Wirtshaus an der Straße stehen sah,
wie zum Exempel das Posthaus in
Krozingen oder den Baselstab in
Schliengen, so ging er hinein und bat
ganz demütig und hungrig um ein
gutes Wassersüpplein von Kieselsteinen
, um Gottes willen, Geld habe er
keines. — Wenn nun die mitleidige
Wirtin zu ihm sagte: „Frommer Pilgrim
, die Kieselsteine könnten Euch
hart im Magen liegen!", so sagte er:
„Eben deswegen! Die Kieselsteine
halten länger an als Brot, und der
Weg nach Jerusalem ist weit. Wenn
Ihr mir aber ein Gläslein Wein dazu
bescheren wollt, um Gottes willen, so
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