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Die Markgrafschaft
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sein Markgräflerland hat er nie mehr vergessen.
Gegenstände aller Art, die ihm wert schienen,
seine Heimat in der norddeutschen Stadt zu verkörpern
, nahm er mit oder ließ sie sich schicken.
Er wollte seine Heimat um sich haberi. Und traf
er in Hamburg Landsleute, dann war es ihm die
größte Freude, wenn er sie zu sich einladen und
ihnen in seinem Heim ein Stück Heimat vermitteln
konnte, verbunden mit echter markgräfler
Gastlichkeit und Gemütlichkeit.
Hans Frieders ungelöste Frage / Fritz Wolfsberger
Der alte Rebbauer S. liegt im Sterben. Vor acht
Tagen noch sah man ihn mit der Haue auf dem
Buckel seinen Reben zuwandern, zwar bedächtigen
Schrittes, denn mit 80 Jahren muß man sich
Zeit nehmen. Aber er wollte noch dabei sein,
wenn's in die Reben ging.
Nun aber hat ihm, der noch nie über einen
Bresten zu klagen hatte, die Krankheit sein Reb-
mannszeug aus den Händen genommen, und der
Tod klopft mit seinem harten, knöchernen Finger
an die Tür seiner Kammer. Kein Kraut und kein
Tränklein will mehr hatten, und der Hans Frieder
spürt selber, daß sein letztes Stündlein nicht
mehr weit ist.
„Elis", sagt er zu der still an sein Bett tretenden
Schwiegertochter, „wie wit sin-er mit de
Rebe im Golle?" — „Hit z'Obe werde mer fertig;
der Hansjörg isch scho . heimcho, er will no
d'Herdöpfel fürle im Sandfeld. Mache Euch
numme keini Sorge, Vadder, 's goht alles si
rechte Gang", berichtet ihm die Schwiegertochter
und wischte dem Kranken den Schweiß von der
Stirn. — „I weiß scho, as alles recht goht un mi
Sächli in rechte Hände isch, au bi mir goht's,
recht. Aber i bi mi Läbtig allewil drbi gsi un
vorne dra gstande un cha jetz nit verstoh, as
Fiirobe si soll. — Hol mer doch no e Chrüsli
Wii — 's isch leer!" — Als das Chrüsli gefüllt
wieder neben seinem Bett stand un 's Elis ihm
ein Glas goldenen, alten Reggenhager reichte, da
flog ein stilles Leuchten über seine Züge. —
„Elis", sagte er, „wenn i numme gnau wüßt, ob's
enedra au so ebbis git, i wott gern uf d'Engels-
fegge un 's Chrönli verzichte. Mengmol glaub i
dra, un emol het's mr traimt, e schöni Mark-
greflere het mir us-eme goldige Becher — 's isch
ungfähr en Auggener Vierteli drin gsi — Wii
z'trinke ge, un was für feine! — Unserem
Herrgott trau i scho so viel zue, daß d'Mark-
grefler nit an e Ort chömme, wo numme Gräs
un Hürst wachse. I cha mr guet vorstelle, as
es dort obe au so ebbis wie-ne Reggehag oder e
Lette git! Meinsch nit? — Me cha doch unsereis
nit eifach numme zwische Matte un Hürst setze.
Rebe un Wii sin halt emol im Markgrefler si Eli*-
ment, un wemmen-ems nimmt, so loßt er d'Fegge
hängge un verreblet. Das weißt unsere Herrgott
au, un drum chan-is f ascht nit glaube, as es änderst
si chönnt. I bi mit de Rebe ufgwachse, un si sin
mr, trotz dr viele Müeih un Enttäuschig, lieb
worde un ans Herz gwachse. Wenn dr Herbst
cho isch, so isch's mr allewil gsi wie ame hoche,
heilige Fiirtig, wenn-is au üßerlich nit so ha
zeige chönne. Wie mengmol han-i so-ne schöne,
gsunde Trübel in d'Hand gnu un unserem Herrgott
dankt für das, Gottes wunder: Wii in so zarte,
guldige Beeri. — Läng mr 's Glas, i mueß wieder
e Surpf ne!" —
Andächtig trank er den dargereichten Wein
und fuhr dann in seiner Rede wie abwesend fort:
„'s wird ebbe nit dr letzt gsi si. Un das Johr hän
d'Rebe wieder so schön agsetzt. Söme het's, so
groß wie Fläscheputzer. Un do lieg-i un cha
nimmi. Isch's nit en-Elend ums Menschelebe!"
„Vadder", unterbrach die Schwiegertochter den
Alten, „Ihr müend nit grad allewil ans Sterbe
denke. Es het scho mengge anegleit, un er isch
doch wieder uf d'Bei cho!"
„Neit Elis, de machsch mir nit wiß, was schwarz
isch. Wenn's e alti Eiche lait, no lit si. I gspür
selber am beste, wie's um mi stoht. Un i chönnt
au ganz guet goh, reisfertig bin-i. Wenn i numme
wüßt---. Elis, läng mr 's Wiiglas nomöl!"
Nun war der Kranke still und fiel bald in
einen ruhigen Schlummer.
Es war Abend geworden. Die untergehende
Sonne verwandelte ihre Strahlen in Gold und
schüttete es über Blauen und Rebhügel. Auch in
die Sterbekammer des Rebmannes schickte sie
ihre Strahlenbündel und legte um das Haupt des
Sterbenden einen goldenen Lichtkranz.
In der folgenden Nacht war der Kranke sehr
unruhig. Am frühen Morgen rief man den Pfarrer
. Als der Geistliche die Sterbekammer betrat,
wollte sich der Kranke aufrichten, aber es gelang
ihm nicht mehr. — „Herr Pfarrer, sagte er mit
matter gtimme, „i wär reisfertig, aber ebbis plogt
mi no allewil; sage Sie, git's im Himmel au Rebe?
Luege Sie, i cha m'r die himmlischi Landschaft
nit ohni Rebe denke. Un alli Dag ei oder zwei
Chrüsli Wii--i mein, soviel hätt unsereis
scho verdient! Es isch doch scho mengge Markgrefler
d'äne, un Durst werde si ellimol au ha!"
„Hans Frieder, das kann jetzt nicht Euqr Wichtigstes
sein", erwiderte der Pfarrer. „Ich bin zu
einem Sterbenden gerufen worden und will Euch
auf Euren ernsten und letzten Weg, den Ihr allein
gehen müßt, vorbereiten!", sagte in freundlichem
Tone der Seelsorger.
Während der Geistliche so sprach, überzog eine
tiefe Blässe das Gesicht des Sterbenden. Schweigen
herrschte in der Kammer. Die Schatten des
Todes hatten sich auf das Antlitz des Sterbenden
gelegt. Offenbar hatte er den Worten
des Seelsorgers nicht mehr recht folgen können
. Nach einer Weile aber richtete sich der
Sterbende noch einmal auf, sah die Umstehenden
der Reihe nach an und sprach dann mit vernehmlicher
Stimme, zu seinem Sohn gewendet: „Hansjörg
, due d'Laitfaß uf dr Wage, un gschirr d'Roß
i, m'r chönne fahre!" Dann sank er zurück in die
Kissen und schlief hinüber in die Ewigkeit. Ob
ihm wohl auf seine Fragen und Wünsche Erfüllung
wurde? Es wär ihm zu gönnen.
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