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Die Markgrafschaft
aus dem geheimnisvollen Brunnen der Begabung,
wobei der Schaffende unerklärlich doch zwingend
Auftrag, aber auch Aufmunterung und Zuspruch
erhält aus dem Geheimnisgrunde des JSeins.
Kunst muß demnach sein: Erbauung, Aufrichtung,
Lobpreisung, Danksagung, Tröstung, Anbetung,
Dienst am Ewigen. Das Werk lobt den Meister,
doch mit dem Werk lobt der Meister Gott.
Seiner Auffassung vom gottgegründeten Wesen
der Kunst und ihrer Aufgabe entspricht die
Sicherheit seines Standpunktes über die handwerklichen
und künstlerischen Grundlagen der
Musik. Sind sie nicht gegeben als Geheimnis und
Offenbares zugleich? Die Wunder der Oktave, der
Melodie als schöner Tonfolge, der Harmonie als
mehrstimmigem Wohlklang? Ist Konsonanz nicht
Ruhe und Lösung, Dissonanz nicht Spannung, die
zur Lösung drängt? Ist Dissonanzenhäufung, ohne
Entspannung zur Konsonanz, nicht Zerquälung
und Steigerung der inneren Verwirrung und
Heimatlosigkeit? Ihm, dem Komponisten Franz
Philipp, gelten die gesunden Maßstäbe verwurzelten
Menschentums zur Prüfung einseitiger musikalischer
Werturteile; Volkslied und Volksmusik
geben ihm die Richtschnur ab für echtes, volkstümliches
Schaffen, sie weisen ihm die unüber-
schreitbaren Grenzen, hinter denen das musikalische
Scheingut, das Artistische, Künstliche, die
Musik ohne Widerhall im Menschenherzen, liegt.
Von Jugend an ist ihm die Orgel sein Lieblings
- und Meisterinstrument. So zeigt ihn auch'
das Bildnis seines alemannischen Landsmannes
Hans Adolf Bühler aus dem Jahre 1929 auf der
Orgelbank. Er hat eben sein gewaltiges Spiel
beendet, die eine Hand ruht noch auf den Tasten,
die Klänge hallen noch wider im weiten nach
oben geöffneten Raum; „seine Musik der gläubigen
Menschenseele", wie Hermann Eris Busse sie
preist, verströmt ins Unendliche.
Aus urwüchsiger Wesentlichkeit und genialer
Musikalität entspringen Franz Philipp's Werke.
Sein Hauptschaffen liegt auf kirchlichem Gebiet,
die Literatur der katholischen Kirchenchöre hat
durch ihn eine außerordentliche Bereicherung und
Erneuerung gefunden. Seine weltlichen Gesänge
sind wahres Volksgut geworden. Seine Weisen
sind glücklich und eingängig erfunden, so daß sie
gern gesungen und selbst ihre kunstvolle Stim-
menverwebung mit Freude erarbeitet wird. Sie
schlagen verwandte Saiten der Volksseele an und
wecken helle Begeisterung bei Sängern und Zuhörern
. Der Meister hat dabei einen eigenen Stil
entwickelt, in dem sich das Besondere des alemannischen
Wesens kernhaft ausprägt. Die
Philipp'sche Schreibweise mit ihren volkstümlichschönen
, weitgespannten Melodiebögen hat ihre
Kennzeichnung im musikalischen Leben Deutschlands
als ,,alemannischer Stil" bereits gefunden.
Daß der Schwerpunkt seines Gesamtwerks im
Vokalen, Gesanglichen, liegt, ist ein Beweis mehr
für seine künstlerische Herkunft aus dem Ursprünglich
-Musikalischen, das unmittelbar aus
dem Menschenherzen über die Lippen strömt.
Seine alemannischen Lieder, nach Worten alemannischer
Dichter wie Burte, Körber, Sütterlin
u. a., sind sie nicht im ganzen badischen Oberland
geliebt und gesungen, diese zugleich schlichten
und doch schwungvollen, kraftgeladenen, ernsten
und heiteren Chöre? Haben sie sich nicht schon
als Volksweisen eingebürgert, die bei keinem
Heimatfest mehr fehlen dürfen?
Am 18. April dieses Jahres nun, als dem Jahr
der Erfüllung und der höchsten künstlerischen
Reife, erlebte sein bis jetzt größtes weltliches
Chorwerk, seine symphonische Kantate ,,Zwischen
Zeit und Ewigkeit", ihre Uraufführung in der
Kaiserstadt Aachen. Dieses Lebens- und Bekenntniswerk
nach Versen unseres 1924 verstorbenen
alemannischen Malers Hans Thoma aus Bernau
hinterließ einen großartigen Eindruck und zeigte
eine bis ins Mystische gesteigerte Vertiefung der
Thoma'sehen Gedankenwelt, kraft der musikalischen
Durchdringung durch Meister Philipps
Schöpferpersönlichkeit mit alemannischem Blut
und Wesen. Seine Seele, die im Reich der Schönheit
zu Hause ist, preist die Schönheiten des
Lebens und der Erde mit verklärenden Klängen.
Alle Wirrungen und Irrungen des Daseins überwindend
, weiß sie sich ihres Ursprungs und ihrer
Geborgenheit in Gott sicher, wenn auch Geburt
und Tod für sie unenthüllte Rätsel sind. Die
Seele, die ihren Aufgang kennt, singt stammelnden
Dank ihrem Schöpfer, der selbst Geheimnis
ist und bleibt. ,,Denn nur ein Gott kann Deinen
Geist erschließen, was Traum Dir und Geheimnis
ist". Ein von diesem großen Chorwerk Ergriffener
spricht rühmend dessen Vorzüge aus: ,,Herrliche
Dinge, die da zu singen sind; hoher hymnischer
Flug, die Weite der Anlage, das Architektonische
der Anordnung". Eine andere Stimme, noch im
Banne „jener tönenden Welt der gewaltigen
Orchester-Klangmassen", läßt sich hören: „Philipp
ist mit seiner Musik einer der Lichtträger der
abendländischen Kultur! Das, was seinem Schaffen
Richtung und Fundament gegeben, war gläubige
Religiosität. Gottes Geist webte über seinem
Glück und Unglück, in der Erkenntnis Gottes hat
er ewige und unvergängliche Werte geschaffen".
Der Meister Franz Philipp hat erneut die Kraft
seines erdverhafteten Urmusikertums erwiesen:
dreißig Jahre eigenen Erlebens, freudige Erhebung
und schmerzliche Beugung, hat er in diese
Kantate gesenkt, in einer edlen Tonsprache voll
inniger Empfindung und grüblerischer Schwerblütigkeit
und mit einer technischen Meisterschaft
, die zur Bewunderung zwingt.
So steht er nun an seinem 60. Geburtstag als
Mensch und Künstler vor uns, ein unentwegt
Vertrauender und Weiterbauender, das wahre
Wesen und die Seele des Alemannentums verkörpernd
und verkündend:
„Vom Schöpfergeist geprägt die klare Stirn,
ein Eigner an Gesicht, Gestalt, Gebärde,
kraftvoller Baum aus unsrer Heimaterde, '
im Grunde wurzelnd, häuptlings ragend über
First und Firn".
Die alemannische Heimat vergiltihm Treue mit
Treue, sie sagt ihm Dank für seine herrlichen
Werke, sie wünscht ihm, dem Meister aus alemannischem
Stamme, noch lange Jahre ungebrochener
Lebens- und Schaffenskraft zum Dienste an seiner
großen und reinsten Kunst. k. e. Wiemann.
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