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Die Markgrafschaft
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einer Aufzeichnung aus jenen Tagen, „war Neuenburg
gerettet".
Die Tulla'sche Rheinkorrektion
Das letzte Hochwasser aber gab Nden Anlaß zu
einem großen Werk, durch das man dem ungestümen
Element ein für allemal natürliche Grenzen
zu setzen hoffte. Wollte man von den verheerenden
Folgen weiterer Überschwemmungen
verschont bleiben, urid sollte die Stadt wenigstens
in dieser Hinsicht zur Ruhe kommen, dann mußte
ein Weg gefunden werden, den in verschiedenen
Strömungen wild dahinflutenden Rhein in ein
festes Bett zu zwingen.
Oberst von Tulla, damals Direktor des Straßen-
und Wasserbaues, fand im Jahre 1825 diesen Weg.
In einer denkwürdigen Druckschrift gelang es
Tulla, die Landesregierung zu überzeugen-, daß
den Ausschreitungen des Rheins nur dann wirksam
begegnet werden konnte, wenn es gelang,
dem Strom einen möglichst geraden Lauf zu verschaffen
und den Wasserspiegel zugleich zu senken
, wodurch der Rhein genötigt sein sollte, in
der Tiefe zwischen den neuen Ufern zu strömen.
Bei höherem Wasserstand als dem mittleren, so
folgerte Tulla, habe das Gewässer immer noch
Raum genug, über die Ufer hinaus sich zu verbreitern
, ohne irgendwie dadurch zu schaden; im
Gegenteil, sagte Tulla, und wies darauf hin, daß
der Fluß in einem solchen Fall zwar das anliegende
Land überschwemmen, aber beim Abfluß
Sand und Schleim zurücklassen würde, wodurch
sich das trockene Land dann im Laufe, der Zeit
selbst besamen und bepflanzen könnte, bis es zur
Kultur tauglich sein würde. Nach einer Reihe von
Jahren würde man auf dem öden Gelände dann
die schönsten'Waldungen, Felder und Wiesen antreffen
. Die Gemeinden aber würden auf diese
Weise zu ihren alten Gemarkungen einen wertvollen
Zuwachs erhalten.
Ohne Versäumnis wurden diese Gedankengänge
Tullas, die überall Gehör und Beifall fanden
, in die Tat umgesetzt. Nach Aufzeichnungen
der Chronik fing man unterhalb Bellingen an, den
Rhein, wie man damals sagte, zu „rektifizieren4
Der Grundstein zu neuem
Wohlstand
Für die Geschichte Neuenbürgs begann damit
ein neuer, höchst bedeutender Abschnitt, der in
den nächsten Jahren vieles Leid heilen und den
Grundstein für glücklichere Tage bilden sollte.
Nicht nur, daß dieses große Unternehmen viele
Neuenburger in Arbeit und Brot brachte; in den
Niederungen entstanden allmählich große Waldungen
und fruchtbare Weideplätze, wo Futter
und Streu für das Vieh geholt wurde. Große
Wasserläufe durchzogen diese Naturanlage und
in den Altwassern gab es -viele Fische, die eine
Blütezeit für die Fischerei herbeiführten. Aber
auch sonst begegnete man überall dem Fortschritt
, dessen Pulsschlag auch das Herz der
Menschen wieder froher schlagen ließ, die nun
mit Eifer und Lebensfreude fortan ihrem Tagewerk
nachgingen.
Starke Holzeinschläge setzten die Stadt in die
Lage, jährlich große Mengen Sterholz und tau-
sende von „Meterwellen'' zu verkaufen. Das
„Wellenmachen" war inzwischen eine Spezialität
der Neuenburger Bürger geworden, die sich vortrefflich
darauf verstanden und für die es ein
lohnender Verdienst war. Im sogen. Rheinbau
fanden viele Neuenburger einen Dauererwerb, da
die großen Uferbauten ständig in Ordnung gehalten
werden mußten. Was die Fuhrleute oder
„Steinbauern", wie sie auch genannt wurden,
betraf, so hatten diese vollauf zu tun, um aus
Britzingen, Badenweiler, Niederweiler und Liel
die Ufer steine zu holen; eine schwere Arbeit, die
mit vier oder sechs Pferden, mit starken Steinwagen
und mit viel Schweiß geschafft sein wollte,
aber auch einen Verdienst, der das Haus aufstocken
und die „Geldkatze" dicker werden ließ.
Weiteren Verdienst brachten die großen Inseln
oder Sandbänke, die nach und nach im Rhein
entstanden waren. Die großen Steine, auch
„Wacken" genannt, wurden von den Schiffern
gesammelt und den ortsansäßigen Steinrichtern
und Pflästerern überlassen, die damit Höfe und
Straßen pflasterten; wie überhaupt das Pflastererhandwerk
sich immer mehr zu einem wichtigen
und angesehenen Erwerbszweig entwickelte. In
der Chronik ist darüber zu lesen, daß man in
Winterszeit dreißig bis vierzig Steinrichter am
Rhein unter ihren Dächern arbeiten sehen konnte.
Von Freiburg heißt es, daß dort sämtliche Gehwege
mit Rheinkies gepflastert wurden, der
größtenteils von den Neuenburgern geliefert
wurde.
Wie sehr die damaligen Verhältnisse der Stadt
zugute kamen und ihren neuen Wohlstand begründeten
, geht auch aus eirler anderen Aufzeichnung
hervor, nach der es heißt, daß Neuenburg
„bereits wieder ein Vermögen von 541 177 Mark
hatte, und die Stadt wieder zu den bestsituierte-
sten Gemeinden des badischen Landes" zählte.
(Fortsetzung folgt.) Karl Kraus-Mannetstätter.
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