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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1950-08/0010
8 Die Markgrafschaft

Sechs Dome am Oberrhein / Prof Dr. Otto Fischer

4. Fortsetzung.

Unser lieben Frauen Münster zu Freiburg
im Breisgau ist erst im 19. Jahrhundert zur
Bischofskathedrale des neu gegründeten Sprengeis
geworden, ursprünglich war es nur die Pfarrkirche
eines aufstrebenden Städtchens. Freiburg
war erst 1120 von den Zähringern gegründet worden
, später wurde es zum Hauptort des vorderösterreichischen
Breisgaus. Umso höher ist der
große Bauwille der Bürger zu schätzen, die um
1200 mit der Errichtung eines wahrhaft gewaltigen
Gotteshauses begannen. Zur Ausführung kam
damals der Chor und das Querhaus als die Mitte
und die drei Arme eines Kreuzhauptes, das aus
vier quadratischen Hochräumen von je 10 Meter
Seitenlänge bestand. Der Chorschluß allerdings
war durch Abschrägungen polygonal gestaltet.
Die Vierung war, wie heute noch, mit einer einfach
gerippten Kuppel, die Querschiffe mit schweren
Kreuzrippen überwölbt. In den Winkeln
neben dem Chor wurden zwei achteckige Türme
mit kräftig-schlichten gekuppelten Bogenöffnun-
gen emporgeführt. Vermutlich war die Weiterführung
des Langhauses im gebundenen System
mit Emporen nach dem Basler Vorbild geplant —
auch die schlichten Querhausfronten mit ihren
Radfenstern, einfassenden Lisenen und Rundbogenfriesen
erinnern durchaus an Basel. Als man
aber um das Jahr 1260 zur Errichtung des Langhauses
schritt, hatten sich die Bauanschauungen
gewandelt, und offenbar vom Straßburger Münster
kam die Anregung zu einem Bau in den reifen
Formen der Hochgotik. Nun wurde die Haupthalle
der Kirche in der Folge von sechs, nicht
mehr ganz quadratischen quergelegten Jochen
geordnet, die Seitenschiffe bis zum Abschluß des
Querhauses verbreitert, das Mittelschiff zu sehr
großer Höhe weit über die Vierung und Triumphbogen
emporgesteigert. Man verzichtete dabei auf
das Schmuckstück der französischen Triforien-
galerie. Nur die weiten Öffnungen der edlen
Spitzbogen, die schön gebündelten Pfeiler mit
ihren aufstrebenden Diensten, die lichten Oberfenster
und der hohe Schwung der Gewölberippen
gliedern mit klarster Logik den Mittelraum
, der durch die weiten Nebenhallen, die ihn
begleiten, ein prachtvolles Gefühl des freien
Erhobenseins gewinnt. Fenster und Wölbungen
des Hochschiffs sind im zweiten Viertel des
14. Jahrhunderts zum Abschluß gebracht worden.
Bald darauf (1354) genügte auch der alte Chor
den neuen Ansprüchen nicht mehr. Man riß ihn
nieder und entschloß sich, an seiner Stelle einen
unvergleichlich erweiterten und bereicherten Bau
von nicht geringerer Länge als das Langhaus
selber zu errichten. Der eigentliche Chorraum,
mit drei Seiten des Achtecks abschließend, wurde
in der Breite des Mittelschiffs,' aber nach der
Höhe noch über dieses hinausgeführt. Man umgab
ihn mit einem schmäleren Umgang und reihte
an diesen einen Kranz von 14 fünfeckigen Kapellen
, die im Äußeren das elegant und scharfgeschnittene
Strebewerk des steilen Hochraumes

zwischen sich emportragen. Hans Parier von
Gmünd, den wir aus Basel kennen, ist wahrscheinlich
der Schöpfer dieses außergewöhnlichen
Werks gewesen, doch ist der Bau erst nach einer
hundertjährigen Stockung vollendet worden. Hans
Niesenberger aus Graz hat ihn von 1471—1491
vollends emporgeführt, die prachtvoll schwebenden
Netzgewölbe sind erst 1510 geschlossen
worden.

In eine viel ältere Zeit, nämlich in die ersten
Jahrzehnte des Langhausbaues, geht die Errichtung
des Münsterturmes zurück. Man stellte ihn
vor die Westfront der Kirche und gab seinem
quadratischen Grundriß etwas mehr als die Breite
des Mittelschiffs. Sein einfacher Unterbau ist von
mächtig vorspringenden Streben gegürtet, das
schöne Spitzbogenportal mit seinen feingestuften
Gewänden führt in eine überwölbte Vorhalle —
das sog. Paradies, aus dem man in das Innere des
Münsters eintritt, das zweite Geschoß umschließt
die in weitem Bogen gegen das Langhaus geöffnete
Michaelskapelle. Über diesem schlichtstrengen
Mauergefüge des Unterteils, der bis zur
Firsthöhe des Hochschiffes reicht, erhebt sich das
hohe, mit überaus schlanken Fenstern durchbrochene
Achteck des Mittelteils, der als offener
Glockenstuhl dient. Der Übergang vöm Viereck
ins Achteck wird durch die in den Winkeln vorgesetzten
Dreieckspfeiler und ihre viel tiefer als
dieses abschließenden Turmfialen in selten harmonischer
Weise verkleidet. Als oberstes Glied
des Turmes strebt endlich darüber, von Strebefialen
und Wimpergspitzen des Mittelteils leicht
umkränzt, die reingeführte steile Pyramide des
achtseitigen Helms bis zur krönenden Spitze. Sie
ist zwischen ihren zusammenlaufenden Rippen
mit dem schönsten Maßwerk wie ein luftgewirktes
Gebilde durchbrochen. Durch die Klarheit
seiner Konstruktion, die Ausgewogenheit seiner
Verhältnisse, die wunderbare Selbstverständlichkeit
seines immer leichteren, immer beschwingteren
Emporsteigens ist dieser 114 Meter hohe Freiburger
Turm, dessen Schöpfer wir nicht kennen,
zum schönsten und vollkommensten aller gotischen
Turmbauten, nicht nur Deutschlands, sondern
des ganzen Zeitalters geworden. Man wird
niemals müde, dem reinen Adel seiner strenggeprägten
Linien bis zur Spitze zu folgen und
erlebt vor ihm immer aufs neue die Beglückung,
die von dem schlechthin Vollendeten ausgeht.

Die Ausstattung des Münsters mit Statuen und
Bildwerk ist im Grundsatz ähnlich wie in Straßburg
, aber dem Charakter des Baues entsprechend
mit maßvoller Zurückhaltung erfolgt. Dafür
ist alles noch unberührt an seiner Stelle, und
die schlichtere Ausführung macht die derbe
Erfindungskraft und das starke plastische For-

(Schluß auf Seite 14)

jp^F* Seite 9: Münster in Freiburg i. Br. (Holzschnitt von
Johann August Hagmanh, Basel.)


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