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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1950-09/0009
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Die Markgraf schaft

wälligt, so bleibt or doch von einer unbedingten Größe
des Wurfs und Willens, der nirgends wie hier das Menschenwerk
des gestalteten Steins über die Erde emporgerissen
hat, und der Drang der gotischen Jahrhunderte,
die Andacht, die Sehnsucht zu Gott im getürmten Bauwerk
zu verkörpern, ist niemals hinreißender verkörpert
worden. Der begeisterte Lobgesang des jungen Goethe,
den dieses Wunderwerk „ im tiefsten Innern ergriff,
besteht noch immer zu Recht.

Wie bei allen großen Kathcdralkirchen der Gotik,
belebt und deutet auch im Straßbunj,er Münster ein
ganzes Volk von Statuen und gemeißeltem Bildwerk die
äußern Formen des Baues. Von der Weltschöpfung bis
zum jüngsten Gericht, von den Personen der Gottheit
über Maria, die Propheten, die Heiligen bis zu den
Königen der Welt, den Meistern des Werks und den
Ausgeburten einer dämonischen Tierphantasie wuchsen
die Sinnbüdgestalten des Glaubens wie ein geistiger
Kosmos aus den Steingefügen der Architektur hervor.
Die edelsten und beseeltesten Meisterwerke der Plastik
befinden sich darunter. Es genügt, die Evangelisten und
die Tubabläser vorn Engelspfeiler zu nennen, die Ecclesia
und die Synagoge vom Südportal, den Versucher und
die Jungfrau am Seitenportal im Westen zu nennen, um
das Schönste herauszuheben,' aber der ganze Reichtum
plastischer Schöpfer lust, das Werk derselben Steinmetzen
, die den Bau geplant und emporgeführt haben,
ist damit kaum erst angedeutet. Auch Im Innern hat,
vom köstlichen Lettner Meister Erwins (1316) und den
figürlichen Grabmälern bis zum Taufbecken, dem Votiv-
relief Nikiaus von Levens (1464), der Kanzel Hans Hammers
(1485—1487), dem Lettneraltar NiUiaus Hagenauers
(1501), im Äußern bis zum Laurentiusportal des Jakob
von Landshut (1495—1505) das Bilden und Formen nicht
aufgehört. Von dem, was die Malerei hinzugetan, ist
wenigstens die farbenglühende Fensterverglasung so
vollständig wie nirgends auf uns gekommen. So ist dem
wahrhaft königlichen Bau eine der herrlichsten Raumschöpfungen
, in seinem Westwerk die hinreißende

Fassade der Gotik, in seinem Turm das hoch über die
engen Häusergassen und Dächerzeilen die Stadt und
Land weithin beherrschenden Wahrzeichen des ganzen
Elsaß geschaffen worden.

*

Die herrlichen, großen und kleinen Münster, deren
Geschichte und künstlerische Sprache hier umschrieben
wurde — und sie sind nur wenige aus Gen vielen, die
der gläubig formende Geist des Mittelalters aus den
Tälern und über den Städten des weiten, blühenden
Landes am Oberrhein als seine schönsten und unvergänglichsten
Blumen und Kronen emporhob —, hat der
treffliche Meister Hagmann in das Schwarz-Weiß der
holzgeschnittenen Bilder gebracht. Die kräftigen Gegen-
' sätze und das verschwimmende Geflecht ihrer Striche
geben eine gute Vorstellung von der hinreißenden Gewalt
des Formens, das in ihnen sich vollendet hat, von
ihrem Aufsteigen über die kleine Welt der bürgerlichen
Ordnung, diese unter sich lassend, von ihrer Verflochtenheit
in die umfangende Natur der Hügel und Berge,
des fließenden Stroms, der weiten Ebenen und des hohen
unendlich atmenden Himmels. Sie zeigen, wie das
höchste geprägte Werk der Menschenhand noch immer
im mütterlichen Boden wurzelt, aus dem es herauswuchs,
wie es aber auch dieser Erde erst die deutende Krone
einer erhabenen Sinngebung aufdrückt. Mögen die Bilder
der Städte und Dome allen, die hier eine vertraute
Heimat gespiegelt finden, den Gedanken und Lebenskreis
der schaffenden Vorwelt, aus der sie selber kommen,
tiefer erschließen! Mögen sie andere, ferner Wohnende,
locken zur Wanderung in die schönen Gaue des Stammes
, der so groß gedacht und gestaltet, der das Geformte
»mit liebender Treue bewahrt, hat! Nie ist das Tun des
Menschen, des Geschlechts und des Volkes vergeblich,
die sich opfern, um ihrem Glauben die bleibenden Maler
aufzurichten. Ihre Werke dauern, selbst wenn der Stein
zerfällt, denn sie begeistern fortzeugend zu gleicher
Gesinnung und neuer Gestalt.

Städte im Markgräflerland / a. Eiseie

Die 700-Jahr feier von Schopf heim und die
Wiederverleihung der Bezeichnung Stadt" an
Kandern und Sulzburg, sind Anlaß, einmal die
Städte im Markgräflerland nebeneinander zu
betrachten und ihrer Entstehung und Entwicklung
kurz nachzugehen. Als Markgräflerland
wollen wir hier nicht die alte Markgrafschaft
allein, sondern auch die früher nicht dazugehörenden
Gemeinden Heitersheim und Neuenburg
untersuchen. Eine der heutigen Städte hat
ihre eigene Entwicklung genommen: Weil am
Rhein. Von 1202 Einwohnern im Jahre 1840 ist
die Zahl nacheinander gestiegen auf 2058 im
Jahre 1900, auf 4538 im Jahre 1925, auf 8792 im
Jahre 1946. Die Gründe sind bekannt. Die Bevölkerungszahl
im benachbarten Haltingen steigt
von 799 im Jahre 1840 auf 1840 im Jahre 1919,
auf 2358 im Jahre 1925 und 2714 im Jahre 1946.
Freilich ist die Einwohnerzahl für die Einstufung
als Stadt nicht allein ausschlaggebend. Der Geograph
Robert^Gradmann schreibt: „Es gibt gerade
in Süddeutschland recht viele Städtchen mit 1000
und noch weniger Bewohnern, die nach ihrer
Bauweise, ihrer wirtschaftlichen und sozialen
Struktur, ihrer Stellung im Rahmen der Nachbarorte
und oft schon durch ihre Lage für jeden
nicht ganz oberflächlichen Beobachter ihre städtische
Art unverkennbar zur Schau tragen . . . .
Allerdings sind von der neueren Gesetzgebung
den Städten überhaupt oder doch den kleineren
unter ihnen meist alle besonderen Vorrechte entzogen
; verwaltungsrechtlich ist in diesen Fällen
der Name Stadt wirklich nur ein leerer Titel.
Aber die alten Stadtrechte, auf die er hinweist,
sind darum doch nicht bloß eine historische Erinnerung
; sie leben recht kräftig weiter in ihren
Nachwirkungen". Die historische Erinnerung soll
in den folgenden Zeilen aufgefrischt werden.

Über die Geschicke der ehemaligen Reichsstadt
Neuenburg berichtet eine ausführliche Darstellung
in diesen Blättern, so daß nur einige
wenige Dinge noch zu sagen bleiben. Von vornherein
stand für Berthold IV. die Brückenkopfstellung
Neuenbürgs im Vordergrund. Der Ort
sollte nicht nur einen Stützpunkt für die Rhein-
Überfahrt bilden, sondern auch als fester Stützpunkt
für das im südlichen Breisgau gelegene
Gut der Zähringer dienen. Denn in nächster
Nachbarschaft lag die Burg und Herrschaft
Badenweiler, die das Heiratsgut von Herzog
Konrads Tochter, dementia von Zähringen, bildete
, das sie ihrem Gemahl, Heinrich dem Löwen,
zubrachte. Die Burg blieb nicht lange im Besitz
des Weifen. 1158 vertauschte er die Herrschaft
Badenweiler an Kaiser Friedrich gegen Besitzungen
im Harz, die für seine poetischen Ziele günstiger
lagen. Die Hohenstaufen erreichten ihr
Ziel, eine feste Stellung im Zähringer Raum zu
bekommen und damit ihre Güter in Schwaben
mit denen im Elsaß zu verbinden, auch nicht,
weil eben durch Bertholds IV. Gründung der
einzige Rheinübergang dieser Gegend in der


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