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Die Markgrafschaft

11

Seill Wort muß mall halten . . . / Nacherzählt von Lina Ritter

Dies Geschichtlein soll in unserer Gegend
passiert sein, natürlich dort, wo der beste Wein
wächst.

Es war vor hundert oder mehr Jahren, irgendwo
im Markgräfler Rebland. Die Oktobersonne
brannte noch recht heiß auf die Hügel herab und
verlieh den Trauben den Grad von Kraft und
Süße, den sie nur im geheimnisvollen Zeichen
des Skorpions zu verschenken hat. Ganz spät
setzte der weise Rat die Lese an; dankbar genossen
Winzer und herbeieilende Städter den köstlichsten
aller irdischen Genüsse: den frischgekelterten
Wein.

Lebte da der Kleinbauer Jörg mit seinem
jungen Weib, der Jakoba. So hieß die Große,
Stattliche, weil sie am Tag dieses Apostels geboren
war, zu einer Zeit also, wo die Sonne am
höchsten. steht. Die prächtig gewachsene Jungfer
mit den zwei stolzen Kugeln hätte an jedem
Finger einen Liebhaber haben können. Sie
wählte den Jörg, trotzdem er nicht viel Feld und
nur kleine Rebstücke hatte; aber er ließ das
herzige Weible im Hause regieren und rührte
ihm nicht in der Suppe herum, ohne ihm darum
je zu erlauben, das Regiment zu führen. In einem
Wort: sie paßten zueinander, wie der Deckel auf
das Häfele, und liebten einander, schafften fleißig
am Werktag, benützten die Feiertage zu
gutem Kirchgang und heiterem Ausruhen.

Ihr Gütlein ernährte sie, Hunger brauchten sie
keinen zu leiden. Aber in den Strumpf oder gar
,ins Stroh legen konnten sie auch nichts. Das
einzige, was auf einmal ein Stück Geld eingebracht
hätte, wäre der Wein gewesen, wenn man
ihn gleich im Herbst an einen reichen Stadtherrn
verkauft hätte. Aber da saß der Haken: der gute
Jörg und seine hübsche Jakoba tranken halt
selber gern den guten Tropfen, der die Frucht
ihres Schneidens, Bindens, Hackens, ihres täglichen
Schweißes war. Von dem Tag an, da die
Trauben in der Trotte waren, blieb das Krüglein
im Hause nie leer und nie voll, bis eben der
letzte Tropfen die beiden schönen, wohlgebauten
Gurgeln hinuntergeflossen war. Was wollt Ihr
Tugendbolde und Abstinenzler Euch aufregen
deshalb? Es schmeckte ihnen gut, es bekam ihnen
vortrefflich; sie bleiben darum keinen Ackerzins
schludig, und die Fastenzeit war doch noch lange
genug, wenn es ein schlechtes Jahr war; denn
wie gesagt, es waren kleine Weinbauern.

Neben ihnen wohnte der Ignaz; der hatte einen
Weinkeller, darein das Häuschen des Jörg zehnmal
hätte hineingestellt werden können. Dessen
Weib nannte man die „Kuttleursi", weil sie eine
dicke Ursula war, deren Magen wohl extra starke
Wände und weite Maße hatte, ihrem Appetit
nach. Die reiche Bäuerin behandelte die Nachbarsleute
etwas verächtlich, worüber sich die Jakobe
in der Einfalt ihres Gemütes manchmal aufregte.
Ihr Mann tröstete sie: ,,Laß doch der Kuttleursi
ihren Krattel, und behalte D u dein frohes
Gemüt!"

,, D e r könnte man nur imponieren, wenn man
so reich wäre wie sie!"

„Das ist für uns unmöglich, Schätzelein!",
lachte der Jörg.

„Wir müßten anfangen zu sparen!", sann die
junge Frau.

„An was?"

„Wir müßten uns das Weintrinken abgwöhnen".

Der Jörg schaute sein Weib groß an: war es
ihm wirklich ernst* mit solch einem Vorschlag?
Da durfte er auch nicht schwächer sein. „Das
wäre wohl ein Anfang. Wenn es uns gelänge,
jährlich neun Zehntel der Weinernte zu verkaufen
, und nur das letzte selber zu trinken.."

„ — könnten wir in ein paar Jährchen das Rebgut
vom Franzsepp kaufen, der schon in den
achtzig ist, und keine Erben hat..."

„ — ja, und später das Anwesen der Geschirr-
lisi, die sich Haus und Feld auf dem Markt mit
ihren Scherben verdient hat..."

Sie berauschten sich an den Aussichten auf
künftigen Reichtum, bis das Krüglein leer vor
ihnen stand. Sein Inhalt war wie feurige Kraft
durch ihre Adern geronnen, und befähigte sie zu
heldenhaftem Entschluß. Die Frau sagte, während
sie auf dem Schoß ihres Jörgi saß und ihre
Hand auf sein Herz legte: „So wollen wir einander
schwören, nur noch an den Sonntagen ein
Krüglein heraufzuholen!"

„Wir fahren mit unserem Esel und dem Spanwägelchen
auf den Markt mit einem Faß Wein!",
rief der glückliche Besitzer einer so gescheiten
und molligen Frau selig aus. „Da lösen wir viel
mehr, als wenn wir ihn gleich im Herbst an
einen der geizigen Stadtherren abgeben. Denn
je mehr einer hat, umso mehr hält er's zusammen
".

„Das zeigt sich bei unsern Nachbarn! Ja, wir
gehen auf den Markt in Basel! Gleich morgen
spannst du ein —".

„Und jedesmal, wenn ich heimkomme n^t den
Batzen im Sack, holst du den Strumpf und tust
sie drein, und ich steig' hinab, und hol für uns
beide ein Krüglein, als Trinkgeld!", lachte der
Jörg, und drückte die Jakobe fest an sich.

„Abgemacht! Alle Sonntage, -d alle Mittwoch,
wenn Du vom Markt heimkommst!" rief die
junge Hausfrau, und hob ihre Hand zum heiligen
Schwur.

„Wir sind anständige Leute, und halten unser
Wort!", nickte der Jörg heftig, und hob auch die
Schwurfinger. „Ich kann es ganz b< immt aushalten
!", lachte er dann fröhlich auf, und küßte
die ihn zärtlich Umsehlingende keck auf den Hals,
dort, wo der Brustlatz etwas offen stand. „Denn
du bist ja doch mein beste Krüglein, mein
edelster Tropfen, mein feurigster Wein! So lang
ich Dich habe, brauch' ich sonst nichts--".

Sie waren noch jung und schnäbelten sich. Es
schmeckte ihnen gut, es bekam ihnen vortrefflich.


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