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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1950-10/0012
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Die Markgrafschaft

Johann Peter Hebel als Rätselmacher / Fr anz Hirtler

Wer die Gedichte und Erzählungen Joh. Peter
Hebels kennt, weiß auch schon viel von seiner
liebenswürdigen, menschlichen Art und von seinem
persönlichen Leben; denn was der vortreffliche
Mann in seinem stillen Karlsruher Junggesellenheim
niederschrieb, kam unmittelbar aus
seinem eigenen Leben oder aus dem seines Volkes
, das er liebte und das er in all seinen Schichten
von Jugend auf nach und nach kennen lernte.
In Karlsruhe hatte der Herr Gymnasiumsdirektor
Hebel bald einen Freundeskreis gefunden. Es
waren Männer, die einander gut verstanden, Beamte
, Ärzte, Professoren und Kollegen Hebels;
sie rauchten, wenn sie sich im Drechsler'schen
Kaffeehaus am Marktplatz trafen, ihre Pfeifen
und unterhielten sich zwanglos. Dort wurden
Schnurren und Anekdoten aufgetischt, und dabei
war Hebel ein ebenso dankbarer Zuhörer wie
bereitwilliger Erzähler. Man verschmähte wohl
das Kartenspiel nicht, aber man versank nicht
darin; die Gesellschaft, in der sich fast alle guten
Köpfe der Residenz zusammenfanden, war dankbar
für jede Anregung, die ihre Teilnehmer mitbrachten
. Gern lauschte man so etwa den Worten
des Hofrats Gmelin, des ,,Chrüterma vo Bade-
wiler", über seine Dienstreise ins Wunderland
Spanien zum Ankauf von Merinoschafen. Auch
der bekannte Architekt Weinbrenner und der
Hofrat Macklot, der Verleger der „Alemannischen
Gedichte", gehörten zu der Gesellschaft im
Drechsler'schen Kaffeehaus. Vielleicht angeregt
durch seinen Oberländer Freund, den Lörracher
Stadtpfarrer Friedrich Hitzig, der Hebel in
Karlsruhe einen Besuch machte, entstand in diesem
Kreis mit einem Mal eine neue Form geselliger
Unterhaltung: das Rätselmachen und Rätselraten
. Im Rätselerfinden zeigte sich Hebel bald
als ein Meister; da konnte er seinen Humor zur
Geltung bringen und seinen Scharfsinn spielen
lassen. Im Drechsler'schen Kaffeehaus und später
im „Museum" ging es manchmal zu wie in einer
Börse, statt der Wertpapiere tauschte man dort
aber Rätsel aus, die man einzeln auf Zettelchen
geschrieben, mitbrachte. Das Rätselraten war ein
Spiel, das von den ältesten Zeiten an den menschlichen
Geist beschäftigt hatte. Mit der Lösung
eines schwierigen Rätsels hatte man einst die
Hand einer Prinzessin und eine Königskrone gewinnen
können; verurteilte Missetäter bekamen
das Leben geschenkt, wenn sie den Richtern ein
Rätsel aufgaben, das diese nicht zu lösen vermochten
. Bei den rätselratenden Karlsruher Herren
ging es dabei höchstens einmal um eine
Flasche Wein.

Manche dieser von Hebel später in einem handgeschriebenen
Heft gesammelten Rätsel vermitteln
uns die Stimmung der alten Zeit, da man
noch in Pferdekutschen fuhr:

Mit zweien fährt der Bürgersmann,
der Edelma/m spannt viere an,
die Potentaten lieben
das reichgeschmückte Sechsgespann;
nun sagt: Wer fährt mit Sieben?

Die Lösung: der Siebmacher ergibt sich, sobald
man erkannt hat, daß die Zahlen: zwei, vier und
sechs nur zur Täuschung des Rätselraters angeführt
sind.

Gern beschäftigen sich die Rätsel mit Worten,
die einen doppelten Sinn haben:

Ich schaff euch Korn zum Brote — dafür
weist ihr mir, wenn ich euch besuch, die Tür.

Einen Flegel meint der Dichter damit.

Weniger Schwierigkeiten macht dieses Doppelsinnrätsel
:

Mancher hat's am Stiefel, Mädchen wohlgemut
lieben's vor dem Busen, beiden steht es gut.

Der Rittersporn, als der Schmuck eines Reiterstiefels
und als Zierde der Bauerngärten sind
hiermit witzig umschrieben.

Wer aber findet sich zurecht bei diesem Rätselspruch
:

Oft begleit' ich euch zu Schmerz und Leide
an die stille Gruft;

öfter schwing' ich mich zu eig'ner Freude
in die Frühlingsluft?

Ein Schmetterling muß das wohl sein; die ersten
beiden Zeilen deuten seinen Namen an: Trauermantel
.

„Tüen mer eis?", fragte Hebel seine Freunde
zur Einleitung der gegenseitigen Rätselauf geberei.
Ganz Karlsruhe wurde schließlich von dem neuen
Gesellschaftsspiel erfaßt. In Zeitungen und natürlich
auch in seinem „Rheinländischen Hausfreund"
veröffentlichte der Dichter seine Rätselverse. Es
ist kein Wunder, daß sogar in den Briefen an
seine Freundin Gustave Fecht in Weil Rätsel
auftauchtn, so dieses fast unlösbare:

Die Freude liegt in der Eiche;
die Eiche liegt in der Birke;
die Birke liegt in der Weide.
Was ist's?

Ein Faß Wein — so soll diese Lösung lauten;
man muß sich dabei denken, daß das eichene
Weinfaß mit Birkenreifen eingefaßt ist und daß
das Faß in einem Weidenkorb liegt. Etwas von
den magischen Geheimnissen der echten, uralten
Volksrätsel spürt man in diesem Spruch. Auch
sonst hat Hebel, seiner gemüthaft sinnigen Art
entsprechend, manche zu tieferem Nachdenken
anregende Rätselfrage gestellt:

Ich weiß ein Rätsel, das kein Mensch ergründet,
und dessen Aufschluß nie der Weise findet,
studiert er auch ein ganzes Leben aus;
und doch bringt jede Hebamm' es heraus.

Die Lösung lautet hier: der Mensch.

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