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Die Markgrafschaft
Glück muß der Mensch haben / jda pr eusch-Müller
In einem alemannischen Städtchen sollte eine
neue Kinderschule gebaut werden. Wie das so
üblich ist, mußten erst einige neuere Bauten in
der Umgebung und im Amtsstädtchen besichtigt
werden, verglichen, und die Erfahrungen der
betreffenden Gemeinden gesammelt werden. Dies
war Aufgabe einer Kommission, die aus dem
Bürgermeister, dem ältesten Gemeinderat und
dem Niedermüller bestand.
Das Bähnchen fuhr damals noch nicht, und so
spannte der Niedermüller sein Kütschlein an, und
fröhlich fuhren die drei zum Städtchen hinaus.
Voraus zu schicken ist, daß der Niedermüller ein
steifes, gekrümmtes Bein, der Bürgermeister
einen krummen Arm und der Gemeinderat einen
verwachsenen Rücken hatte.
Es war ein schöner Herbsttag, und der Neue
war schon federweiß, also ein Männnertrunk.
Überall wo sie einkehrten, bekamen sie ein
Krüglein Neuen vorgesetzt, dem sie tapfer zusprachen
. So verlief die Reise recht vergnügt und
zur allseitigen Zufriedenheit.
Für die Heimfahrt am Abend hatten sie zwei
dicke Kerzen mitgenommen, die gemütlich in den
Chaisenlaternen flackerten, und das Bräunle
trabte brav und flott daher. Aber weiß der
Kuckuck, wie es kam, ob der Weg so steinig und
uneben war, daß das Bräunle stolperte, oder ob
der vergnügte Kutscher ein verstohlenes Nickerchen
gemacht hatte, statt die Zügel stramm zu
halten, kurzum auf einmal kippte das Kütschle
um, und die Männer lagen im Straßengraben.
Ächzend und schimpfend drehten sie sich auf
die richtige Seite und krabbelten wieder hoch.
Ob da am Ende der Neue? ... Sie befühlten sich
Arme und Beine, klopften sich ab und beguckten
sich gegenseitig im Schein der Kerzen. Nein, es
war ihnen nichts geschehen. Da entrann sich der
Brust des Bürgermeisters ein befreiter Seufzer:
„Gottlob, daß mer alli unseri grade Glieder no
hän!" Und dann stiegen sie wieder ein. Der Bürgermeister
zog mit dem krummen Arm den
Schlag zu, der Gemeinderat legte seinen schiefen
Rücken behaglich ans Polster, und der Kutscher
schwang sein krummes Bein kühn auf den Bock.
„Hü Bräunle!"
Der Bammert-Frieder / pa ula Hollenweg er
Wenn's Herbst isch, stoht uf eimol die mageri
langi Gstalt vum Bammert-Frieder, „Bannwart"
schriebe d'Chroniste, vor myne Auge. Vu Wind
un Wetter'sin syni Chleider arg mitgnu worde
un hen e dunkelgraui Färb agnu. Sy Huet isch
verdruckt un verschlisse, un sy Gsicht isch faltig
un so brun wie Leder. Aber syni Auge luege hell
un luschtig in d'Welt.
Er isch Bammert gsi, solang i mi bsinne cha.
Unter sy linke Arm het er sy Amtszeiche, die
churzi zweizinkigi Gable gchlemmt, aber us sym
Chlöbli im rechte Muulecke chunnt selte Rauch,
wil ihm zuem Dubak meistens 's Geld fehlt. Deheim
sin e Paar hungrigi Müüler, un wenn's do
e mehrstimmig Konzert git, do druckt er sich
gern un goht lieber dur die wyte Felder un dur
die große Rebberg. Do isch er deheim, er weißt vu
jedem Stückli wem's ghört, vu jedem Baum was
er drait, weiß jedi Haselhurscht, jede Fuchs- un
Dachsbau, un jede Rehwechsel. Zuem Schwätze
isch er meischtens nit ufgleit. Wenn aber der
Herbst vor der Tür stoht, un er d'Rebberg hüete
mueß, do lydets ihn Dag un Nacht nit deheim.
Do mueß er d'Tscheubele richte, un d'Maidli
un d'Buebe stöhn bynem und luegen ihm zue, wie
er d'Strauhbütseh bindet un menggmol e schön
Bubbi fliehtet. Die steckt er an jedem verbotene
Weg uf e hoche Stecke, un jede weiß, daß er do
nit dure darf. — Jetz isch er zfriede un luegt
mit sym alte Fernglas vu eim Berg in der ander.
Jetz darf er au sy Vorderlader trage un zielt
menggmol no de gfräßige Store un schneugige
Amsle. Wenn er aber merkt, 's isch näume nit
suber, so deuselet er ane. Chunnt em aber einer
in d'Finger, wo öbbis mitgoh het heiße, Öpfel,
Nuß oder gar Trübel, do weiß er, was er sym
Amt schuldig isch. Umständlich holt er sy schwarz
Notizbuech use, frogt gwissehaft no Name, Geburtstag
und Stand, nimmt-en mit ufs Rothuus
oder loßt ihn im-e liichtere Fall nonemol laufe.
Amel vor un im Herbst het er no ne paar Hilfs-
bammert zuem hüete helfe. Menggmol rüeft-ene
e Buur iine un füllt-ene ihr Logeli mit-em Guete
uf, menggmol kriege sie au e Znüni derzue, un
do basse sie by syne Stückli bsunders guet uf.
Un der usser Buur het-em no bsunders syni
„Rote" uf d'Seel bunde.
Aber die junge Bursch usem Dorf mache ihm
wenig Freud. Er het scho mehr as eimol erlebt,
daß sie ihm die schönste Trübel eweg stybitzt
hän für ihri Maidli; denn er weißt no us syner
eigene Erfahrig, daß einer dermit bsunderi Ehr
ylege cha. Sym Annemeili het er sellimols au
Trübel, gstohleni Trübel, brocht, vo de schön-
schte Rote, wus numme wenig git dervu im Berg.
Uf die paßt er no hüdde wie alli die Johr her
bsunders uf, un sie sin ganz in der Nöchi vum
Bammerthüsli. Es isch hüt recht naßchalt, neblig
un unlustig, un 's Füür brennt ime Ecke vum
Bammerthüsli hell un lustig. Der Bammertfrieder
lit uf der Pritsche un streckt syni alte lange Bei
zuem Füür. Sy volle Logel hangt an-eme Nagel
an der Wand. Er isch vum Ussere Buur, seile Wy
wu drin isch, un seile git-em kei schlechte, un
seil mahnt-en, dopplet guet uf der Huet z'sy.
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