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6 Die Markgrafschaft
Deutschland den Krieg", so verkündeten die
Extrablätter. Die Bevölkerung aber ahnte das
Leid, das hinter jeder dieser Schlagzeile stand,
fühlte die Not, die langsam, aber sicher sich an
das Schicksal des Volkes heranschob, zum Herzen
heraufkroch und alles Leben abzuwürgen begann.
Bereits am 3. September 1939, nachts gegen
22 Uhr, verließen als erste Vorboten kommender
Drangsale Neuenbürgs Frauen und Kinder sowie
alte und gebrechliche Leute als ,,Rückwanderer"
die Heimat. Es war, so heißt es in der Aufzeichnung
aus jenen gramerfüllten Tagen, ein schwerer
Abschied von den Zurückgebliebenen, die
genau wie die Scheidenden einem ungewissen
Schicksal ausgeliefert waren. Während die Rückwanderer
zunächst nach Müllheim urid von dort
nach Konstanz und später nach Bayern gebracht
wurden, packten auch die Zurückgebliebenen in
Eile das Nötigste zusammen und warteten abmarschbereit
der kommenden Dinge, nachdem
stündlich ein Feuerüberfall der Franzosen zu
erwarten war. Allmählich beruhigten sich aber
wieder die Gemüter der Neuenburger, sie legten
das Bündel aus der Hand, spannten die Fuhrwerke
aus und gingen wieder ruhig ihrer Arbeit
nach.
So kam der Herbst. Noch immer verlief die
Front ruhig. Man ging in die Reben, holte die
prallen Trübel, die lange die Sonne der warmen
Herbsttage getrunken hatten und hörte dem
alten, ewig neuen „Klick-Klack" der Trotte zu.
Und der Winzer stieg in den Keller, wie er alle
Jahre vorher gestiegen war; vielleicht mit dem
Unterschied, daß er für diejenigen, die um diese
Zeit in der Fremde weilten, einen besonders
guten Tropfen in die Flasche füllte, um sie als
Gruß der Heimat dem Freund zu senden.
Sprengung der E i s enbahnbrücke
Eines Morgens, es war der 7. Oktober und die
Bevölkerung war zum Teil noch im Bett, erfolgte
eine starke Detonation, die eine Befürchtung zur
Wahrheit werden ließ: die Franzosen hatten die
Eisenbahnbrücke gesprengt. Die Einwohner, die
schon immer mit Schrecken an diese Möglichkeit
gedacht hatten, waren am Ende noch froh, als
sich herausstellte, daß durch die Sprengung nicht
einmal eine zerbrochene Fensterscheibe zu verzeichnen
war.
Als alle Arbeit auf den Feldern getan, die
Hackfrucht zu Hause war und die Tage kürzer
wurden, gedachte mancher mit Wehmut der
ersten nahenden Kriegsweihnacht. Da eilte wie
eine freudige Weihnachtsbotschaft die Kunde
durch das Dorf, daß zum Weihnachtsfest die
Rückwanderer wieder eintreffen würden. Und so
war dann auch die Freude groß über das Wiedersehen
, an dem die ganze Gemeinde herzlich
teilnahm.
Einem Warnzeichen gleich, verdunkelte sich am
Nachmittag des 14. März 1940 der Himmel. Unheimlich
, geduckt und zum Sprung bereit wie
eine Wildkatze, schoben sich tiefschwarze Wolken
unheilkündend zusammen. Da kam auch
schon ein erstes tiefes Grollen, dem ein mächtiges
Dröhnen folgte und dann flog der Sturm wie ein
Orkan heran. Fauchend, niederreißend, zerstörend
. Nach kurzer Zeit lagen hunderte von
Bäumen entwurzelt, geknickt und zerzaust am
Boden, Dächer waren abgedeckt, Schornsteine
umgeworfen und Dachstühle weggefegt. Dies
alles war das Werk weniger Minuten.
Wenige Wochen später. Es ist ein Sonntag und
der 26. Mai. Gemütlich rauchend und diskutierend
sitzt die Männerwelt, wie es so Sitte ist, bei
ihrem Viertele oder Bier. Vor den Häusern sitzen
die Frauen und sehen den Kindern beim Spielen
zu. Plötzlich ein Sausen durch die Luft — ein
dumpfer Knall — ein fürchterliches Krachen,
und die erste französische Granate war mitten
über der Stadt geplatzt. Da wußte jeder: jetzt
wird es ernst. Alles suchte Schutz vor dem feindlichen
Feuerüberfall, der um 16.30 Uhr einsetzte
und eine halbe Stunde gedauert hatte. Langsam
kamen die Leute wieder aus ihren Schutzräumen
und besahen sich die mit Sprengstücken übersäten
Straßen. Zum Glück war niemand von den
Schrapnells getroffen worden. Eine in Eile abge-?
haltene Beratung über die neu entstandene Lage,
brachte die Weisung, nach der Frauen und
Männer aufs neue zum Verlassen des Heimatortes
aufgefordert wurden. Mit Vieh und Geräten
fraf dann der Rückwandererzug am 27. Mai in
den Bestimmungsorte^. Sulzburg, Laufen, Britzingen
, St. Ilgen, Muggard und Dattingen ein. Die
meisten der Rückwanderer trafen gute Quartiere
an, wie überhaupt die Hilfsbereitschaft in diesen
Gemeinden manche Not der Rückwanderer lindern
half, die jeden Tag bemüht waren, die noch
in Neuenburg verbliebenen Tiere, Getreidevorräte
und Lebensmittel nach und nach an ihren
neuen Aufenthaltsort heranzubringen. Besonders
schwierig gestaltete sich das Herbeischaffen des
Futters für die Haustiere, denn die Beschießung
Neuenbürgs mit Granaten jeden Kalibers hatte
bereits um diese Zeit eingesetzt. Bei starkem
Granatfeuer fuhren die wackeren Neuenburger
Männer und Frauen nach Hause, um das nötigste
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