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Die Markgrafschaft
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deren Bild uns in einem Merian'schen Stich noch
erhalten ist. Nehmen wir die jetzige, im Jahr
1898 eingeweihte Kirche hinzu, so haben wir
folgende Reihe von Kultstätten: Römischer
Tempel (der Diana?) — karolingische Kirche —
gotische Kirche — unschöne Behelfskirche —
jetzige Kirche im neuromanischen Stil. Wenn
wir den Römerbau ins Jahr 150 nach Chr. Geburt
setzen, so haben wir
hier — stets an der
gleichen Stelle — eine
1800-jährige Kultstätte
vor uns!
Der Totentanz ist im
Jahr 1866 in der Turmvorhalle
der Behelfskirche
durch Professor
Lübke entdeckt, aber
erst 1891 beim Abbruch
des alten Turmes von
Maler Kaim aus München
abgelöst und auf
Gipsplatten übertragen.
Diese stehen jetzt im
Untergeschoß des neuen
Turmes in guter Sicherheit
, aber sehr der
Restaurierung bedürftig.
In der Gegenüberstellung
von drei Lebenden
und drei Toten
wird uns eine erschütternde
Predigt von der
Nichtigkeit alles menschlichen
Seins gehalten;
sie kann zusammengefaßt
werden in die
Worte:
Was ihr seid,
das waren wir,
Was wir sind,
das werdet ihr.
Dieser Ruf der Toten
an die Lebenden erklingt
vom 11. Jahr-
hundet ab bei allen
Kulturvölkern der damaligen
Zeit. Der Gedanke
, daß wir dem
Tod alle erliegen, wird
schon in der Antike
ausgesprochen. Aber
erst im christlichen
Mittelalter wird er auf
die eben zitierte Form
gebracht. Vielleicht ist
die erste uns erhaltene
Fassung die auf der Grabschrift des Hl. Petrus
Damiani (| 1072); sie beginnt:
Quod nun es fufmus
Quod sumus ipse futurus.
Auch in der Legende des hl. Abtes Sylvester
(t 1267) spielt die Sentenz eine Rolle.
Anscheinend entstammt sie aber nicht dem
christlichen Ideenkreis, sondern der arabischen
Literatur. In die arabische Poesie aufgenommen,
gelangte der Spruch nach Spanien und Frankreich
. Französische Handschriften des 14. und 15.
Jahrhunderts beweisen dies, wie überhaupt der
Stoff von Frankreich her nach Mitteleuropa geleitet
sein dürfte. Entsprechende Darstellungen
finden sich auch in England, Holland, Italien,
der Schweiz und Deutschland. In St. Segolina in
HTcma «Empfängnis
Holzsdinitt von Joh. Aug. Hagmann
Metz dürften die ältesten Bilder über unsern
Gegenstand erhalten sein, sie werden noch dem
13. Jahrhundert zugeschrieben; eine andere
Kirche in Metz birgt etwas spätere Bilder.
Den Fresken aus dem 14. Jahrhundert gleichzeitig
dürften unsere Bilder in Badenweiler sein.
Sie bilden somit das älteste Denkmal von den
drei Lebenden und den drei Toten auf deutschem
Boden. Wir sehen die Lebenden hier als Jüng-
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