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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1950-12/0004
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Die Markgrafschaft

wird. Und dieser Zustand wirkt sich eben auch
auf das geistige Leben aus. Was wird doch den
Menschen von heute alles dargeboten in allerhand
„Illustrierten", in manchen Filmen usw.
Und darin „schneuken" die Zeitgenossen und
werden verschleckt und verderben sich gründlich
den Magen. Wie sagt Hebel so treffend in dem
Weihnachtsgedicht:

„Gieb sparsem wie der liebe Gott,
er helset nit alli Tag Zuckerbrot".

Aber eben aus diesem Grunde sind auch die
Menschen unserer Gegenwart sehr unzufrieden
mit dem lieben Gott, weil er ihnen die Lebensgenüsse
anscheinend sehr sparsam zumißt. Lassen
wir uns doch von Hebel zurückführen zu
einer einfacheren und gesünderen leiblichen und
geistigen Lebenshaltung, zum guten Brot und zur
kräftigen Kost, wie er sie uns selbst eben durch
seine Schau auf Gott hin darreicht. Bei ihm finden
wir keine romanhaften Spielereien, keine
Phantasterei, keine lebensleeren Sphären, keine
nervenkitzelnden Sensationen; bei ihm ist derbe
und gesunde Hausmannkost, sind die starken
Lebensmittel, nämlich die Mittel zu einem Leben
der leiblichen und geistigen Wiedergenesung.

Im zweiten Haus, in das Hebel auf seinem
weihnachtlichen Rundgang hineinblickt, ist im
Gegensatz zum ersten das Familienleben darum
in Ordnung, weil die Hausmutter der Meister-

losigkeit des Bübleins durch ernste Zucht zu
wehren weiß. Gerade diese „Meisterlosigkeit"
spielt ja bei jenem anderen alemannischen Propheten
noch eine viel ernstere Rolle, bei Jeremias
Gotthelf, der vor ihr als einem der Grundübel
unserer Gegenwart warnt. Und wir empfinden es
bitter, wie diese Meisterlosigkeit auch heute wieder
an der Tagesordnung ist, wie demokratische
Freiheit so oft verwechselt wird mit Zuchtlosig-
keit und mit einer Kritisiersucht, die so leicht
und so billig ist. Da steht uns nun wieder Hebel
mit seiner ganzen Dichtung als ein „Meister" vor
uns. Mit welch feiner Zucht und klugen Beschränkung
schreibt er seine Gedichte und Geschichten
; da ist nirgends etwas Überflüssiges
und Unnötiges, das istt alles in seiner Ordnung
und an seinem Platz notwendig. Und wenn er
dazu auch inhaltlich nicht müde wird, „zu Zucht
und Sittsemkeit" zu mahnen, so ist das wahrlich
kein leeres Wort bei ihm, sondern die große und
starke Lebensart, die er von seiner Mutter überkommen
, selbst geübt und uns vorgelebt jund
gelehrt hat. Kehren wir zurück von der Meisterlosigkeit
zu einer Meisterschaft im Leben!

Genug davon! „En andri Cheri mehr!" Die
Überschrift dieses zweiten Weihnachtsgedichts:
„Eine Frage", erscheint uns vielleicht etwas blaß
und nichtssagend, bekommt aber dann sofort
Farbe und Blut, wenn wir es auffassen als eine
Gewissensfrage an uns! Und das will sie sein.

Hebel und seine Mutter

In einem Dankschreiben — das von Hebels
Biographen fast allgemein zitiert wird — an
einen seiner Schüler, der ihm eine Zeichnung
gesandt hatte, die das elterliche Haus in Hausen
zeigt und daneben einen Teil des benachbarten
Schulhauses, des jetzigen Rathauses, findet seine
tiefe Verehrung der Mutter Ausdruck. Er schrieb
dem Spender zurück: „Beide Stätten sind mir
heilig, wo zwei Menschen wohnten, meine Mutter
und mein Schulmeister, Andreas Grether, die so
Vieles an mir taten, denen ich so vieles verdanke
".

Hebel hatte früh seinen Vater verloren und
auch das Schwesterchen folgte ihm bald im Tode
nach, so daß er als Bub allein mit seiner Mutter
war. Wilhelm Altwegg schreibt von ihr und
ihrem Einfluß auf den Sohn in seinem Hebelbuch
: „Um so nachhaltiger wirkte auf ihn (Hebel)
die fromme Mutter, die etwas von dem natürlichen
Adel gehabt haben muß, der so oft einfachsten
Frauen des Markgrafenlandes eigen ist,
und def dieser schlichten Dienstbotin unwillkürlich
Achtung und Liebe erwarb".

Trotzdem der Vater aus dem Hunsrück
stammte und Franke war, hat sich Hebel immer
nur als Alemanne gefühlt, nach der Heimat seiner
Mutter, die als Tochter des Georg Oertlin
in Hausen am 10. November 1726 geboren wurde
und deren Ahnen im Wiesental daheim waren.

„Sie konnte ihm das Beste mitgeben", schreibt
Ernst Keller im Vorwort zu seiner Hebel-Ausgabe
, „was wir an ihm verehren: sein feines,
reines Gemüt, seine Lust und Fähigkeit, Liebe
und Treue zu geben und zu gewinnen". Und
Wilhelm Altwegg schreibt: „Die Mutter vererbte
ihm... das alemannische Gemüt, das Beschauliche
und Sinnige, und aus den Kindertagen ihrer
Betreuung hat er die Tugend der Ehrfurcht mitgenommen
und das Gefühl einer letzten Geborgenheit
, die ihn, allem Schwerem zum Trotz, an
einen gütigen Gott glauben und Welt und Menschen
als seine schöne Schöpfung bejahen ließ".

Allzufrüh mußte der kleine Johann Peter auch
von seiner geliebten Mutter für immer Abschied
nehmen. Als der Dreizehnjährige zum Abschluß
der Lateinschule bei Obermüller in Schopfheim
in „Kost und Logis" war, kam von Basel die
Nachricht, daß die Mutter, die auch nach dem
Tod des Vaters alljährlich einige Zeit in der alten
Dienststelle im Iselin'schen Hause verbrachte,
erkrankt sei und nach dem Heimatdorf zurückwolle
. . Auf einem Ochsengespann des Vogts
Maurer von Hausen holte Johann Peter die Mutter
in Basel ab. Da geschah das Erschütternde.
Auf der Fahrt zwischen den Dörfern Brombach
und Steinen starb sie am 16. Oktober, nachmittags
4 Uhr. Diese Stunde hat Hebel sein Lebtag
nie mehr vergessen.

Dr. Fritz Fischer


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