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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1950-12/0014
12 Die MarjcgrafSchaft

Brot, Wein und Geld

Was der Grundstein der zerstörten Kirche
barg, war: Brot, Wein und Geld. Während bei
dem Brot noch die Form eines „Spitzwecken" zu
erkennen war, hatte sich bei der Weinflasche inr
Laufe der Zeit der Pfropfen gelöst, so daß der
Inhalt der Flasche sich über die anderen beigelegten
Dinge ergossen hatte. Dies wirkte sich
vor allem auf die Schriftstücke sehr nachteilig
aus, die dadurch zusammenklebten und nicht
mehr zu entfalten waren. Das beigelegte Geld
bestand aus den seinerzeit im Verkehr befindlichen
Münzen und zwar aus je einem Ein-,
Zwei-, Fünf-, Zehn-, Zwanzig- und Fünfzig-
Pfennigstück, sowie aus einem Einmark- und
einem Zweimarkstück mit dem Kopfbild des
Großherzogs Friedrich von Baden, einem Dreimarktaler
mit dem Bildnis des Königs Wilhelm I.
von Preußen und einem Fünfmarkstück mit
demselben Bildnis. Außerdem lagen bei: eine
Ausgabe des „Oberrheinischen Anzeigers" vom
15. Mai 1886, eine Ausgabe des „Badischen
Beobachters" vom 16. Mai 1886, eine Ausgabe
des „Freiburger Boten" vom 16. Mai 1886 und
eine Ausgabe der „Freien - Stimme" vom 15. Mai
1886. Schließlich lagen noch Verzeichnisse der
Christenlehrpflichtigen und derjenigen Ortseinwohner
, welche durch freiwillige Spenden die
Kirchenbauaktion unterstützt hatten, sowie eine
Festzugsordnung für die Grundsteinlegung und
eine Pergamentrolle bei. Letztere konnte jedoch
nicht mehr entrollt werden, ohne däß dadurch
das Schriftstück zerstört worden wäre.

Nach dem Feuerregen

Von dem einst so schönen Städtchen Neuenburg
waren nach diesem Feuerregen nur noch
große, leere Plätze und Ruinen übrig geblieben,
zwischen denen abgemagerte Katzen und streunende
Hunde umher schlichen; da und dort auch
ein Huhn, das nach Futter suchte.

Aus der Erstarrung

Nur mühsam begann sich die Stadt aus ihrer
tödlichen Erstarrung zu lösen. Nachdem der
Abbruch der Ruinen bis Mitte Januar beendet
war, wurde mit der Planung und Bauplatz-
umlegung und anschließend mit dem Wiederaufbau
begonnen. Es war „geplant", das zerstörte
Neuenburg von Grund auf neu aufzubauen.
Mit der Neuanlage der Stadt sollten auch die
landwirtschaftlichen Verhältnisse neu geregelt
werden, desgleichen sollten neue Straßen ange-
legt# werden. Neben der Neuausrichtung der
Klein- und Mittelbauernhöfe war außerdem die
Erstellung sogenannter „Erbhöfe" geplant. Diese
„Pläne" brachten es mit sich, daß auch Gebäudeteile
, die noch erhalten geblieben waren, ebenso
wie die Fundamente der Keller auf „höheren
Befehl" entfernt werden mußten; eine Maßnahme
, die sich wenige Jahre später für die
Gemeinde noch sehr bitter auswirken sollte.

Der Neuplanung mußten u. a. auch die Statue
des hl. Nepomuk, welche am westlichen Ausgang
der Münstergasse stand und von dort in die

Niederungen schaute, ferner das zu Ehren der im
Weltkrieg 1914/18 Gefallenen errichtete Hart-
mannsweilerkreuz und das Kriegerdenkmal von
1870 weichen.

Die letzten Kriegsjahre

Inzwischen war die fünfte Kriegsweihnacht ins
Land gegangen und noch immer war Krieg unter
der Menschheit; war noch kein Schimmer des
heiß ersehnten Friedens zu sehen.

Dagegen begannen sich mit der Invasion am
11. Juni 1944 für die Stadt neue Drangsale abzuzeichnen
. Immer näher kam die Front und alle
Propaganda konnte nicht mehr über das Schwere
hinwegtäuschen^ das der Bevölkerung bevor- *
stand.

Am 8. September 1944 wurden die Hauptver-~
kehrsstraßen, sowie die Eisenbahnlinien und die
Brücke von Tieffliegern angegriffen. Die Angriffe
wirkten lähmend auf das Geschäftsleben und auf
die Bevölkerung, die kaum noch ihre Feldarbeit
verrichten konnte, Noch bedrohlicher wurde die
Situation, als am 22. November sich in den
Kugelregen auch noch das Heulen der Granaten
mischte, so daß sich die Bevölkerung kaum noch
wo anders, als in Kellern oder Bunkern aufhalten
konnte. Bald wurden auch Elektrizität und
Trinkwasserversorgung in Mitleidenschaft gezogen
. Und während deutsche Truppen auf ihrem
Rückzug die unter starkem Beschuß liegende
Eisenbahnbrücke passierten, schlug am 26. und
27. November für die Einwohnerschaft von
Neuenburg abermals die Stunde der Räumung.
Wie im Jahre 1940, nur noch hoffnunnngsloser,
bewegte sich der Zug der Frauen, Kinder und
Männer in Richtung der Hauptevakuierungsorte
Sulzburg, Britzingen, Laufen und Dattingen bis
hinauf nach Sitzenkirch und Kandern. Mit großer
Gefahr und unter ständigem Beschuß wurden die
Habseligkeiten, soweit sie nicht dem Beschuß
und Brand schon zum Opfer gefallen waren,
von der Bevölkerung zurückgeholt. Stadtpfarrer
Johannes Schmid, der am 18. April 1942 anstelle
von Stadtpfarrer Josef Luem nach Neuenburg
gekommen war und sich damals um die Errichtung
einer Notkirche so sehr bemühte, besuchte
von Ballrechten aus unablässig wie ein guter
Hirte seine zerstreute Herde und half wo es auch
immer nötig war, mit tatkräftiger Unterstützung.

Am Sonntag, 22. April 1945, übergab Bürgermeister
Linsenboll, der während der ganzen
Evakuierung in Neuenburg geblieben war und
mit einigen anderen aufrechten Männern im
Keller seines Anwesens hauste, zwischen 13 und
14 Uhr die Stadt den von Norden her einrückenden
französischen Panzerverbänden.

Schon bald darauf begann die Rückkehr der
Einwohner in die Leidensstadt, in der es kein
Wasser, kein Licht, wohl aber Schutt und Asche
gab. Auch das „Heilige Kreuz" wurde diesmal
von den Granaten total zerstört und nur die
Pieta unter der Empore blieb unbeschädigt.
Durch Beschuß und Brand waren weitere 28
Gebäude vernichtet worden. Auch die Notkirche
hatte stark gelitten, so daß die Gottesdienste


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