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Die Markgrafschaft
Johann Peter Hebel und das Lörracher Gymnasium
Von Dr. Josef Kiek, Lörrach
Von den Bauten der Stadt Lörrach ist nächst
der Stadtkirche, von deren Kanzel Hebel gepredigt
hat, das Gymnasium neben dieser Kirche,
das seit 1926 den Namen Hebel - Gymnasium
trägt, die bedeutungsvollste Erinnerungsstätte an
den Dichter; Aus der Geschichte dieser Stätte
und Hebels Wirksamkeit an ihr seien hier einige
Erinnerungen für eine weitere Öffentlichkeit
dargestellt. Die Darstellung schöpft aus Akten
der Gymnasiumsdirektion, aus Kirchenakten des
Generallandesarchivs in Karlsruhe, ferner aus
der gerade für die Lörracher Zeit besonders liebevollen
Darstellung in Altweggs Hebelbiographie
und schließlich aus A. Pfisters Buch über Lörracher
Bauten nebst Karl Herbsters verschiedenen
Aufsätzen zur Stadtgeschichte. Das poetisch
verklärte Bild der Lörracher Zeit findet man in
Hermann Albrechts Erzählung „Der Präcep-
toratsvicari".
Als der noch nicht ganz 23jährige Johann Peter
Hebel am 28. März 1783 als Präzeptoratsvikar am
Pädagogium zu Lörrach angestellt wurde, nachdem
er beim Hertinger Pfarrer Schlotterbeck als
Hauslehrer und Gehilfe im Pfarramt seit 1780
auf ein Unterkommen gewartet hatte, war das
Pädagogium bereits 22 Jahre in dem Gebäude,
welches heute noch das Gymnasium beherbergt.
Es führte den Na#ien Kapitelhaus, weil die
Schule aus der lateinischen Kapitelschule zu
Hotteln hervorgegangen war. Diese Schule war
nach der Zerstörung Röttelns mit den verschiedenen
Amtsstellen nach Lörrach verlegt worden
und hatte ihr Heim seit 1697 nach mehreren
Umzügen in der Herrenstraße Nr. 10, einem
heute noch ansehnlichen Staffelhaus, gefunden.
Der große Bau, Baslerstraße 143, war für eine
Tabakmanufaktur erstellt worden, doch noch vor
der Vollendung vom Land und Kapitel erworben
und 1759 bis 1761 zum Schulhaus umgebaut
worden. In seinem südlichen Flügel, vor dem
jetzt der prächtige Ailanthusbaum seine Äste
ausbreitet, lagen die Wohnungen des Prorektors
und der Lehrer. Hebels Zimmer glaubte Herbster
im zweiten Stock am Ende des Flurs festgestellt
zu haben. Das Pädagogium wurde in Hebels Zeit
von höchstens 60, in der schwächsten Besucherzahl
von nur 34 Schülern aus Lörrach und der
Umgebung besucht, „welche Zahl", wie es in
einem Bericht des Kapitels vom 6. April 1790
heißt, ,,doch sichtbar für 4 Lehrer sehr gering
ist". Im Jahre darauf bemerkt der Bericht, „daß
die 4 Lehrer sehr erleichtert sind und ein ruhiges
Leben führen können". In drei Klassen wurden
die Schüler im Alter von etwa 10 bis 16 Jahren
auf den Übergang ins Gymnasium Illustre oder
Lyceum in Karlsruhe vorbereitet, eine Anzahl
allerdings wandte sich auch vom Pädagogium aus
der Schreiber-, Kaufmanns- oder Lehrerlaufbahn
zu. Von den Pädagogien sagt Hebel launig in
einer gereimten Epistel an seinen Freund Hitzig
vom September 1804 (Zentner, Brief 112) „die
Paedagogia auswärts hingegen als Monde sich um
die Lycaea bewegen" und erinnert den Pfarrherrn
von Rötteln daran „Als du noch in deinem
wohltätigen Schein der Mann im Lörracher
Monde zu sein, genössest die Ehr", daß dieser
von 1796 bis 1800 das Lörracher Pädagogium
geleitet hat. Die hauptsächlichsten Lehrer waren
der Prorektor, der Präzeptoratsvikar und ein
Elementarlehrer, welcher Praezeptor hieß. Das
System der Fachlehrer war noch unbekannt, ein
Lehrer unterrichtete die Schüler in sämtlichen
Fächern und stets die gleiche Klasse. Hebel war
Klassenlehrer der Sekunda und hatte 26 Wochenstunden
zu erteilen. Mit einigen Stunden beteiligte
sich am Unterricht noch der Pfarrvikar
(Diakonatsvikar), Französisch unterrichtete ein
französischer Sprachmeister.
Der Prorektor und die Vikare waren Theologen
in jüngeren Jahren und hielten im allgemeinen
nicht allzulange in ihrer Präzeptoren-
stellung aus, weil sie im Vergleich mit einer
Pfarrei zu gering besoldet war. Während der
Präzeptoratsvikar 300 Gulden jährlich bezog,
stellte sich beispielsweise der Pfarrer in Weil
auf etwa 700 Gulden. Verständlich, daß wir daher
die Prorektoren nach einer Amtszeit von
etwa 4 bis 6 Jahren meist in der näheren Umgebung
als Pfarrherren wieder finden. Von den
Schülern sind viele Pfarrerssöhne aus der Umgebung
, einige kommen aus Riehen, aus der
welschen Schweiz, einer oder der andere aus dem
Elsaß.
Als Hebel sein Amt in Lörrach antrat, muß die
Stelle einige Zeit unbesetzt gewesen sein; denn
im Frühjahrsexamen 1783 waren Klasse I und II
kombiniert unter Prorektor Güntert „durch verzögerte
Wiederbesetzung des Präzeporats-Vika-
riats". Tobias Güntert, der Schwager der Gustave
Fecht, amtete als Prorektor von 1779 bis 1790,
wo er die Pfarrei Weil übernahm. Damals hat
sich Hebel Hoffnungen auf die Nachfolge gemacht
und sich in einer Eingabe vom 2. Dezember
1789 um die frei werdende Stelle beworben
(abgedruckt Zentner, Briefe, S. 732, Anm. 188).
Diese erhielt jedoch ein anderer, Ferdinand
Zandt, Prorector von 1790 bis 1796, nachher
Pfarrer in Otlingen, und Hebel hat dieser Fehlschlag
, wie eine Brief stelle an Hitzig vom Mai
1800 zeigt, sehr gewurmt. Er meint dort, die
Prorectorstelle sei eben „ein wohlhergebrachtes
und eingejährtes Recht der Kirchenratsfamilien",
versichert aber, daß er Hitzig dieses Amt, wie
auch den Freund dem Pädagogium „nicht nur
gönnte, sondern auch wünschte". Auch mit Zandt
scheint er kollegial zusammengearbeitet zu
haben. Beide reichen am 27. Oktober 1790 an die
vorgesetzte Behörde eingehende Reformpläne
ein, die darauf abzielten, „den Unterricht für die
nicht studierenden jungen Leute ertragreicher zu
gestalten, ohne die studierenden zu verkürzen
oder aufzuhalten". Besonders Hebels Ausführun-
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