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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1951-01/0005
Die Markgrafschaft

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gen „Einige Gedanken, wie die bisherige Einrichtung
der Lectiones des Pädagogiums, besonders
in Rücksicht der zweiten Klasse, nach Umständen
könnte abgeändert werden", zeigen den
warmherzigen, jugendnahen Erzieher, dem es
gegeben ist, die Fragen vom Kinde her zu sehen,
nicht als Wissenschaftler, aber auch nicht als
öder Pauker. Er wendet sich mit guten Gründen
gegen das Übermaß der Lateinstunden und hebt
darauf ab, daß „in unserem pädagogischen Jahrhundert
" von der Muttersprache und ihrem Verständnis
abzugehen sei und diesem Fach mehr
Raum als bisher zugestanden werden müßte. Der
Dreißigjährige hatte, nach dieser Denkschrift zu
urteilen, klare und wohl begründete pädagogische
Anschauungen, denen er zeitlebens treu geblieben
ist. In dem oben angeführten Brief von 1804
fragt er Hitzig nach einem guten Lehrbuch der
Physik, „das kurz und jugendlieb war". Die
Natürlichkeit, Mitteilsamkeit, den Humor und
die Liebe, welche den echten Erzieher ausmachen,
besaß unser Hebel, wenn einer. Zwar haben wir
keine Zeugnisse über sein Wirken als Lehrer in
Lörrach, aber allein schon diese Denkschrift in
der feinen, akuraten Schrift und die Verzeichnisse
des Pensums und der Schüler mit der
gleichen liebevollen Genauigkeit geführt, beweisen
, wie er in seinem Beruf aufging. Nach der
Sitte jener Zeit wurde jedes halbe Jahr die
Klasse in öffentlicher Prüfung examiniert und
den Schülern ein knappes Urteil in lateinischer
Sprache über Betragen, Begabung, Fleiß und
Leistung in die Listen eingetragen. Die Formulierungen
Hebels sind köstlich, besonders dort,
wo er ein munteres aber nicht allzu braves
Bürschlein zu charakterisieren hatte, eins von
denen, welchen trotz übermütiger Streiche niemand
ernstlich böse sein kann. „Mit Lachen verbringt
er sein Leben". Ein anderer wird als
„geschwätzig, verlogen, verfressen" schon etwas
eindeutiger abgestempelt, von einem anderen
gar heißt es „ein Feind der meisten Wissenszweige
, doch anscheinend nicht unbegabt". Die
deutsche Übersetzung vergröbert den Ausdruck
schon, bös gemeint war's bestimmt in keinem
Fall, und die Mehrzahl der Schüler erhält vom
Herrn Präzeptoratsvikar anerkennende, ja fast
durchweg lobende Beurteilungen. Die Klasse war
klein, 9 bis 12 Schüler werden nach den Prüfungsakten
der Jahre 1783 bis 1791 vom Präzeptoratsvikar
jeweils im Frühjahr und Herbst den
Herren des Kapitels und den eingeladenen Gästen
in der Prüfung vorgeführt. Da finden sich unter
dem Vorsitz von Spezial (Dekan) Wagner der
Senior und der Kämmerer des Kapitels als Prüfungsbehörde
ein. Als Gäste sind immer etwa ein
halb Dutzend Pfarrer aus dem Markgräflerland
anwesend, dazu aus Lörrach der Landvogt, der
Doktor Brodhag, der Ökonomierat Sonntag, ein
Tuchfabrikant, ein Indiennefabrikant, etwa auch
einmal ein Gastwirt. Gäste aus der Schweiz, wie
die Frau Landvögtin aus Riehen oder, wie es
heißt „Gelehrte aus Basel" werden in den Protokollen
besonders vermerkt. Der Spezial erstattete
über den Befund der Schule einen Bericht an
den Kirchenrat in Karlsruhe, in einem Reskript

dieser Behörde wurde dann meist die Zufriedenheit
und Anerkennung für die Lehrer ausgesprochen
. Erst 1794, also nach Hebels Ausscheiden
, „sind mehrere wesentliche Fehler wahrgenommen
worden". Hebel wird nur zweimal in
solchen Schreiben erwähnt. Einmal wird er 1785
wegen eines Briefes gerügt, in welchem er sich
gegen zu häufige Belastung durch Predigtaushilfe
verwahrt hatte (Zentner Nr. 1), und im Reskript
vom 25. Mai 1787 wird erinnert, daß am Pädagogium
„mehr Fleiß auf die Lehren des Christentums
verwendet und solche nicht als Nebenwerk
tractirt werden solle. Anbei ist von dem
Vicario Hebel eine Erklärung abzufordern, was
seine Anzeige im Schematismo (Pensum) unter
den Sacris (Religion) Nr. 2 ,Cateehismus Lutheri
minor, exceptis his, qui auctoritatem huius libri
Symbolicum non agnoscunt, memoriae mandatus'
eigentlich heißen sollen".

Hebel hat offenbar, als seine Hoffnungen auf
das Prorektorat zunichte geworden waren, daran
gedacht, als Pfarrer aufs Land zu gehen, ein Ziel,
das ihm ja noch lange Jahre darnach als erstrebenswerter
erschien als „der leidige Schulstaub".
Mit dem Kirchenamt war er ja immer noch in
einiger Fühlung, da er in Lörrach und gelegentlich
in Grenzach zu predigen hatte. Es kam
anders. Ein Jahr nach Abfassung der erwähnten
Denkschrift, der man aber im übrigen keine
Folge gab, wurde Hebels Ernennung zum Lehrer
am Karlsruher Gymnasium ausgesprochen, wohl
doch, weil man dort auf den Verfasser aufmerksam
geworden war, oder daß man ihn für die
entgangene Rektorstelle entschädigen wollte. Am
13. November 1791 verabschiedete er sich in
einer Predigt von der Gemeinde zu Lörrach, am
11. Dezember predigte er zum ersten Mal den
Karlsruhern, worüber er gleich an Gustave Fecht
berichtete. Das Datum auf der Gedenktafel des
Lörracher Gymnasiums ist also, wie schon Alt-
wegg S. 261 Anm. bemerkt, nicht genau, da es
das Wirken Hebels bis Januar 1792 angibt.

Die zahlreichen mißmutigen Äußerungen Hebels
über die Last des Lehrerberufs, die „Mühe
des Informierens, den Schulstaub, das Dunstund
Schweißbad der Schule" sind kaum ganz
ernst zu nehmen. Als er nicht mehr unterrichtete,
hat er diese Tätigkeit schmerzlich vermißt und
sie über die Verwaltungsarbeit gestellt. Vielleicht
war ihm der Kreis der Schule zum Lehren
manchmal zu eng; daß er lehren konnte und
wollte für einen viel größeren Kreis und in weit
umfassenderer, ja genialer Weise, hat er als
Dichter bewiesen.

Als seine alemannischen Gedichte gedruckt
wurden und er zwei Bilder suchte, die „in die
Ovale des Umschlags" eingefügt werden sollten,
da schreibt er an Hitzig am 4. Juli 1802, im
einen Oval solle das Röttier Schloß gezeichnet
werden. „Aber im andern Oval müßte sich eine
Ansicht der Gegend nach Riehen hin, von dem
Auditorium in Lörrach aus, nicht übel ausnehmen
". Man sieht —, er hatte das Kapitelhaus
nicht vergessen.


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