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DIE MARKGRAFSCHAFT
Nr. 2/ 3. Jahrgang
Monatszeitschrift des Hebelbundes
Februar 195 t
So singt die Kohlmeise jetzt wieder ihren
Liebesruf in unseren Gärten; und wie das
Schneeglöckchen unter den Blumen, so ist dieser
kleine, bunte Vogel mit seinem Lockpfiff für uns
einer der ersten Boten des nahenden Frühlings.
Und so lieblich und vielbesagend ist doch diese
Verdolmetschung des Vogelrufes in unserer
Sprache und besonders in unserer Mundart:
; ,,D' Zyt isch de". Es gibt ein
wohl vielen Lesern bekanntes
Schweizer-Liedlein, das mit der
Nachahmung dieses Vogelpfiffs
beginnt und mit seinen hüpfenden
Klängen und seiner heiteren
Melodie so recht wiedergibt
, was dies: D' Zyt isch do!
uns Menschen besagen will.
Und ich meine, wir sollten es
wirklich übersetzen und verdolmetschen
in das Alltagsgespräch
unseres Lebens, dies:
D' Zyt isch do.
Denn es ist ja nun wirklich
die Zeit da, wo der Winter mit
seiner Kälte, der Stein und
Bein erfrieren machte, vorüber
ist. „Vom Eis befreit sind
Strom und Bäche". Die längste
Zeit in diesem. Tauprozeß
scheint aber das menschliche
Herz zu brauchen. Denn von
der Fasnacht und seiner Lustigkeit
haben wir doch immer den
Eindruck einer etwas gar zu
gewaltsamen und krampfhaften
„Befreiung". Wir empfinden
wohl, daß dieser Vorgang organischer
, naturhafter und tiefer
wirken sollte. Denn dies
menschliche Herz ist eben doch
bis tief hinein zugefroren durch
den Eiswind der Lieblosigkeit
von außen her und durch die Kälte der Selbstsucht
von innen her. Und bei manchen Menschen
möchte man meinen, daß dieser Aggregatzustand
überhaupt nicht mehr schwinden wolle. Besonders
unsere Gegenwart mit ihrem für so viele
so harten Existenzkampf und mit der Geldverknappung
ist so recht dazu angetan, uns roh und
kalt gegeneinander zu machen. Wie selten ist
doch etwa ein freundlicher Gruß, ein gutes Wort
oder ein erheiternder Brief! Lesen wir aber einmal
bei J. P. Hebel nach in seinen Briefen, wie
er so im Februar und März ordentlich auftaut
gegen seine Freunde und ihnen wieder Grüße
schickt. Man vergleiche nur etwa den in dieser
„Markgrafschaft" abgedruckten Brief vom Februar
1801, wo er die große Initiative ergreift,
nun seine alemannischen Gedichte einmal in
einem Bändlein gesammelt heraus- und ihnen
ein Wörterbuch und eine Grammatik der Oberländer
Sprache beizugeben. Und obwohl er es
ein „herculeum opus" nennt, geht er mutig dran.
Ein herkulisches Werk mag's auch uns dünken,
eine erstarrte Welt durch
freundliche Güte auftauen zu
wollen, aber wir wollen uns
nicht davor scheuen. Und so
schwer ist es nicht einmal, die
eingefrorenen Guthaben unseres
Herzens flüssig zu machen
und umzuwechseln in die gangbare
Münze des Alltags, in
einen freundlichen Gruß auf
der Straße, in ein gutes Wort
im Gespräch und in einen
herzlichen Ton in unseren
Briefen. Dieser Kurs steht
immer hoch.
,,D' Zyt isch do", daß auch
die Hebelfreunde sich nicht
mehr nur in netten, literarischen
Zirkeln miteinander an
schöner Kunst ergötzen, son^
dern daß sie mehr hinausgeben
in unser Volk von dem, was
ihnen gerade von Hebel zufließt
an edler Menschengüte,
an rechtem Ton und gutem
Wort. Und die Menschen werden
uns dankbar sein.
Hebel schreibt einmal an
seine Straßburger Freunde, er
halte es eigentlich gern mit
den Römern, die ihr neues
Jahr am 1. März angefangen
haben, und so wünsche er der
Familie Haufe zu diesem Tag
ein glückseliges neues Jahr — und ich wünsche
es mit ihm allen lieben Lesern in den Märzen
hinein und ins Frühjahr, da sich ja nach des
Dichters Wort „alles, alles wenden soll". D' Zyt
isch do. Richard Nutzinger.
Natur und Gott sind ein und dasselbe. Je mehr ich
der Natur zubillige, um so mehr billige ich Gott zu. Je
niedriger ich die Vernunft einschätze, um so höher achte
ich die Kreatur. Je mehr ich die Natur preise und lobsinge
, um so mehr preise und lobsinge ich Gott.
Aus: Zibaldone:
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