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Die Markgrafschaft
„No ne mol, — wer weiß was chunnt!"
Dank des Hebelbundes an die Lörracher Narrenzunft nebst Vorschlägen, wie der
Fasnachtsumzug 1952 um einige Wagen zu bereichern sei.
Der Hebelbund hat viele Gegner. Das ehrt den
Hebelbund. Doch die Narrenzunft gehört zu unseren
Freunden. Sie sei aufrichtig bedankt für die
köstliche und zugleich eindringliche Art, wie sie
in der Narrenzeitung der Hebelei zu Leibe rückte.
In der Tat, das war ein Freundschaftsdienst. Just
mit den selben Worten wären wir dem von uns
als Hauptgegner bekämpften „Hebelgeist" in der
Sprache des Prinzen Carneval entgegengetreten.
Auch für den sonstigen Hinweis auf unsere
Schwächen danken wir. Wir kennen sie zwar
ziemlich genau, aber wir haben ein paar mehr
gezeigt bekommen, das tut uns gut, und wir werden
versuchen, sie abzulegen. Die meisten Gegner
des Hebelbundes sind es nur aus Unkenntnis
seines Wesens und seiner Ziele. Zwecks anschaulicher
Belehrung seien darum der Narrenzunft
für den nächsten Umzug einige Wagen aus dem
Lörracher Kulturleben vorgeschlagen, die ,,dem
Mann auf der Straße" zeigen sollen, um was es
dem Hebelbund geht, wo er im Namen Hebels
die helfende und fördernde oder die wegräumende
Hand anlegen muß.
1. Der Wagen der Dichtung
Auf ihm steht ein Maibaum von beträchtlicher
Höhe. In einem am Gipfel des Maibaumes angebrachten
Adlerhorst sitzt ein Dichter, der
Dichter. Er schwingt eine lange Fahne mit der
Aufschrift: ,,Was bleibt, stiften die Dichter". Zu
Füßen des Maibaumes spielt die Jugend Fußball,
ihre Köpfe werden trotz aller Anstrengung des
Dichters von der Fahne nicht berührt.
2. Wagen der Wissenschaft
Auf ihm sitzen in zwei Stockwerken Doktoren
und Professoren, in angestrengte Arbeit mit Büchern
und Reagenzgläsern vertieft. Die Türe zu
dem Gemach trägt die Aufschrift: ,,H ier reine
Wissenschaft", „Störung verboten", ,,Für
Kultur und anderes Unsachliches keine Zeit".
3. Wagen der Kunst
Raum einer Kunstausstellung. Einige Männer
und Frauen betrachten die Bilder mit sachverständigen
Mienen und tauschen bedeutsame Meinungen
und Gebärden aus. Ein Reporter
bewegt sich unter ihnen. Mittels eines Schnurwerkes
kann er seine Ohren kürzer und länger
stellen, um aus den Gesprächen der Snobs ja kein
Wort zu verlieren. Neben dem Kunstsalon befindet
sich ein Sport-Toto und ein Welt-
anschauungsladen, in dem die gerade
gängigen ismen feilgeboten werden.
4. Wagen der Leisetreter
Auf ihm bewegen sich schüchtern vorsichtige
Männer in Filzsocken, teilweise den Finger auf
den Mund gelegt, teilweise die Fäuste in den
Hosentaschen. Transparent: „Wir haben in allem
die Meinung, die man uns gibt".
5. Wagen des Volksbildungswerkes
Konzertsaal. Auf dem Podium ein Trio. Im
Raum zwei Männer, der Kulturbevollmächtigte
und der Saaldiener. Eine Frau betritt den Saal —
Frau Kultur. Der Kulturbevollmächtigte reicht
ihr gerührt und erfreut den vorgesehenen Blumenstrauß
. Zugleich bittet er um einen Stammbuchvers
. Sie schreibt. Der Saaldiener liest das
Geschriebene: „Laßt alle Hoffnung fahren* .
6. Der Filmwagen
Eine riesige, molochähnliche Figur steht auf
dem Wagen, der von zwei schwächlichen Männern
gezogen wird. Aus dem Mund des Molochs hängt
ein Spruchband: Filmkapital. Die zwei ziehenden
Männer tragen als Transparent: Film-
Selbstkontrolle. Der Moloch schaut verächtlich
auf die seinen Wagen umdrängende mit
Papphelmen und Holzsäbeln ausgerüstete Schar
von Männern und Frauen, die unter ständigem
Diskutieren die Waffen gegen den Moloch schwingen
. Dem eigentlichen Filmwagen folgt ein Wagen
der städtischen Kanalreinigung. Als Kutscher
sitzt auf ihm der „Dritte Mann". Der Wagen
trägt die Aufschrift „Kulturfäkalien".
7. Wagen der Lörracher Unterwelt-
Jugend
Gegend zwischen Bahnhof, Union-Theater und
Hebeleck. Halbwüchsige Jungen und Mädchen
tanzen zigarettenrauchend auf den Bürgersteigen
Samba. Ein Zeitungskiosk zeigt am laufenden
Leuchtband Aktphotos. Der Wagen trägt das
Transparent: „Der Menschheit Würde ist in eure
Hand gegeben".
8. Wagen des Hebelbundes
Er ist vollständig leer und trägt das Transparent
: „Wozu Hebelbund?"
Alfred Holler.
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