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Die Markgrafschaft
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Verhältnissen im Stadttheater Lörrach der Bühnenvorhang
auf, um erneut uns wissen zu lassen,
daß wir armen und geplagten Menschen an die
ewige Aufgabe dieser Kulturgüter glauben sollen.
Musik, jawohl,, Klänge des Lebens! Nicht aber
jenes Lebens, unter dem wir seufzen und stöhnen,
unter welchem wir fast den Glauben an die Sendung
in uns verlieren, sondern vielmehr Brücke
zum Reiche einer andern Welt, in welcher wir
den Heimweg zu uns selber wiederfinden, um
wieder nicht nur Nummer oder Maschine, sondern
Mensch zu sein, der noch den Glauben an
das Gute in sich trägt.
Aus dieser Einstellung heraus gründete Albert
Hitzig im Goethe-Jahr 1932 mit Freunden die
,,Lörracher Kunsthilfe", deren weitsichtiger und
um das kulturelle Leben hochverdiente damalige
Bürgermeister der Kreishauptstadt Lörrach, Dr.
jur. Heinrich Graser, das Wort als Mahnung vorausstellte
:
„In Leid und Musik versöhnt sich in einer Feierstunde
das menschliche Herz mit seinem schicksalhaften
Los unserer Tage.
Wohl der Stadt, in der es viele Menschen gibt, die
dann und wann nach einer solchen Stunde sich
sehnen!
Ich begrüße darum die Gründung der Lörracher
Kunsthilfe, die Vereinigung der Lörracher Theater-
und Konzertfreunde, weil sie aus dem nie versiegbaren
Born der deutschen Kunst geistige Aufrichtung
bieten möchte".
Seinen künstlerischen Höhepunkt entfaltete
Albert Hitzig in den Augusttagen des Jahres 1932
bei den Veranstaltungen zur Vierteljahrtausend-
feier der Stadt Lörrach. Was er in großer Stunde
seiner Heimatstadt und dem Markgräflerland
auch an dem sog. „Basler-Tag" des Jahres 1925,
im Verein mit Lörrachs Sängerinnen und Sängern
so einzigartig hat erstehen lassen, das klang wieder
an unsere Ohren und drang in unsere Herzen:
jener machtvolle Chor aus den „Meistersingern",
wo er Orchester und Sänger zu einer Höchstleistung
anspornte.
Schwierigkeiten des Lebens und Enttäuschungen
sind ihm während des Dritten Reiches nicht
erspart geblieben. Er, der mit allen Fasern seines
Herzens an seiner Heimatstadt hing, verläßt sie,
nur von einem Freunde begleitet, in einer Abendstunde
, um im schwäbischen Land weiter zu wirken
. Aber allzubald ward ihm die Erkenntnis, daß
ein in der Heimaterde Verwurzelter in diesen
Jahren nicht mehr zu verpflanzen ist. Die Liebe
zu seiner alemannischen Heimat ließ die Sehnsucht
in seinem Herzen nach „dem schönsten
Wiesengrunde" immer lebendig sein.
Seine Heimkehr hatten wir uns anders vorgestellt
. Nur die Urne mit der Asche kam. — Was
sterblich an dem Menschen und Musiker Albert
Hitzig war, wurde an der Stirnmauer des Lörracher
Friedhofes der Heimat übergeben. Dort an
der Straße, wo Hebels Gedicht „Die Vergänglichkeit
" entstand, ruht er nun von all dem Erdenleid
für immer aus.
Teuer und lieb ist uns dieser Flecken Erde, wo
Albert Hitzig, der Mensch und Musiker, jenes
Morgens harrt, wo er und alle andern einstens
gerufen werden:
„Wacht auf, es naht gen den Tag. . . !"
Hanns Uhl.
Eine merkwürdige Geschichte /j<j a Gulden schuh
Es war im Sommer 1914, kurz vor dem ersten
Weltkrieg, als ich nach einem Besuch in der alten
Heimat über Basel nach Bern fuhr zu meinen
Freunden. An einem kühlen Junitag kam ich dort
an, und ein gemütliches Kütschlein brachte mich
durch die schöne Stadt an das mir noch unbekannte
Reiseziel. Wir hielten vor einem der schönen
Berner Landhäuser, welche nicht zu weit weg
von der Stadt und doch nicht so nah sind, daß
der Lärm stören könnte. Das Haus lag sehr schön
und war mit seinem Garten und dem dazugehörigen
Wäldchen ein prächtiger Sommersitz.
Da im Sommer 1914 gerade die große Berner
Landesausstellung war, hatten meine Freunde
täglich Besuche aus allen möglichen Ländern. Für
mich war das sehr interessant, und ich genoß
diese, fast durchweg ungewöhnlichen Bekanntschaften
, mit besonderer Freude. Nur für meine
liebe Freundin war es wohl etwas anstrengend,
diese große Gastfreundschaft so gelassen, wie nur
sie es konnte, auszuüben.
Eines Tages rief ein Generalkonsul aus Batavia
an und teilte meiner Freundin mit, daß er mit
seiner jungen Frau hier sei und gern den Hausherrn
besuchen möchte, dessen Bekanntschaft er
auf einer Reise nach Indien gemacht habe. Er
wurde für den Abend zu Tisch eingeladen, und
wir freuten uns alle auf den seltenen Besuch. Es
war ein ganz reizendes Paar. Er, der personifizierte
Vertreter einer große Nation im Ausland,
sie, eine ganz entzückende junge Engländerin.
Nach dem Essen zog man sich in das sogenannte
„Säli" zurück, welches fast in allen Berner Landhäusern
der schönste Raum ist mit großem, offenem
Kamin. Hier war es das Arbeitszimmer des
Hausherrn. Meine Freundin hatte fürsorglich das
Kamin mit großen Holzklötzen heizen lassen, so
daß wir uns gemütlich um das Feuer gruppieren
konnten. Jetzt wurde die Stimmung bei den
flackernden Lichtreflexen ganz zauber- oder
besser gespensterhaft. Unser Herr Konsul fing
daher — englischer Sitte gemäß — zu erzählen
an, und zwar Gespenstergeschichten.
Eine dieser Geschichten, welche wir die harmloseste
nennen wollen, weiß ich noch heute und
diese will ich nun erzählen.
Ein Bekannter des Herrn Konsul, den wir
Herrn B. nennen wollen, hatte einen guten
Freund, den er im fernen Osten an sehr exponierter
Stelle wußte. Schon lange hatte er gar nichts
mehr von ihm gehört und war daher täglich und
stündlich mit seinen Gedanken bei ihm. Eines
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