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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1951-02/0012
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Die Markgrafschaft

Abends kam Herr B. von einer großen Gesellschaft
sehr spät nach Hause. Sein Diener hatte
ihm alles für die Nacht zurechtgelegt und auch
das Bad einlaufen lassen. Herr B. war in einer
merkwürdig erregten Stimmung. Alles störte ihn
irgendwie. Zudem hatte der Diener auch den
Badhahnen nicht ganz zugedreht, es tropfte!
Plötzlich blieb Herr B. wie angewurzelt stehen —
das tropfte ja in ganz regelmäßig sich wiederholenden
Abständen. Klang das nicht wie Morsezeichen
? Er lauschte atemlos — und hörte ganz
genau immerzu die Worte: Komme zu mir, bin in
großer Gefahr. Ohne Unterlaß fielen die Tropfen,
immerzu: Komme zu mir, bin in großer Gefahr.
Dann war auf einmal alles totenstill. Viele Wochen
nachher bekam Herr B. die Nachricht, daß
sein Freund in jener Nacht ermordet worden war.

Nach dieser Erzählung wurde es ganz still in
unserem Kreise. Alle saßen nachdenklich da, und
es wollte keine rechte Unterhaltung mehr aufkommen
. Bald verabschiedeten sich die Gäste,
und man begab sich zur Ruhe. Meine Freunde
geleiteten mich zu meiner etwas abgelegenen
Schlafstube. Der Hausherr erzählte mir noch
lachend, daß es gerade in dieser Stube spuken
soll, wie ihm die früheren Bewohner verraten
hatten. Ich war natürlich entsetzt über die Aus-

VOR 150 JAHREN

Ein aufschlußreicher Brief J. P. Hebels an seinen
Freund Hitzig vom Februar 1801:

Meine Liebhaberey in den Nebenstunden, zur
Schadloshaltung für den Ungenuß mancher Geschäftsstunde
hat sich in ein eigenes Fach geworfen
. Ich studiere unsere oberländische Sprache
grammatikalisch, ich versifiziere sie — herculeum
opus! — in allen Arten von matris, ich suche in
dieser zerfallenden Ruine der altdeutschen Ursprache
noch die Spuren ihres Umrisses und
Gefüges auf, und gedenke bald eine kleine Sammlung
solcher Gedichte mit einer kleinen Grammatik
und einem auf die Derivation weisenden
Register der Idiotismen in die Welt fliegen zu
lassen. Wenn du die Idee im allgemeinen billigst,
und es leiden magst, so werde ich dir mehreres
darüber schreiben, und dann über eins und das
andere noch deine Gedanken mir ausbitten. Zur
Beurtheilung schicke dir einsweilen anliegende
Jamben, die hiermit geeignet seyn sollen, und die
einschlagenden Artikel aus dem Idiotikon oder
Register als ein Müsterlein von dem letzteren.
Dermalen arbeite ich am Dengeligeist in
Hexametern. Soll ich ihn dem Blaurock *) dedi-
zieren? Es ist nicht mehr als billig. Vor der Hand
bitte ich indessen darüber stille zu seyn. Ich weiß
nicht, ob ich meinen Namen dazu hergeben werde.
Schreibe mir bald, wenn du Lust und Muße hast.
Deiner lieben Gattin meinen herzlichen Gruß.

Ewig dein redl. Fr. Hbl.

(Entnommen der Gesamtausgabe von Johann Peter
Hebels Briefen von Wilhelm Zentner.)

*) Blaurock bedeutet in der Proteusersprache einen
vornehmen Herrn. Ob Hebel bei dieser Dedikation an
den Markgrafen selbst oder an den Geheimrat Brauer
gedacht hat?

sichten auf ein nächtliches Spukerlebnis in der
ungewohnten Umgebung, und meine Freunde
amüsierten sich köstlich über meinen Schreck!
Während wir noch so standen, fiel plötzlich etwas
zu Boden wie ein Steinchen. Wir schauten einander
fragend an — da wiederholte sich das Geräusch
und zwar so, als ob zwei Steinchen fallen
würden. Meine Freunde waren nun etwas ernster
geworden, denn wir konnten uns den Vorfall, der
sich noch einmal wiederholte, gar nicht erklären.
Nun suchten wir den Boden ab und fanden einige
kleine Knöpfe im Zimmer verstreut. Das war
rätselhaft. Da streifte ich zufällig den Boden
meiner Handtasche, und wieder fielen die Knöpfe.
Meine Freundin, welche das bemerkt hatte, betrachtete
die Tasche näher und brach in helles
Lachen aus. Am Boden meiner Tasche war ein
dicker Streifen Knetmasse aufgeklebt und darauf
waren die Knöpfe in einer langen Reihe eingedrückt
. Jetzt erst fiel uns ein, wie die Kinder am
Nachmittag so stillvergnügt mit ihrem neuen
Knetkasten gespielt hatten. Sie ahnten ja nicht,
was die Verzierung meiner Tasche für Folgen
haben würde. Auf jeden Fall haben sie mir damit
über das Gruseln hinweggeholfen — die Gespenster
waren gebannt, und ich schlief herrlich in der
Spukstube.

Hlueterfpcod)

I ha nemol im Berner Oberland —
grad änehar vom hoche Jungfraujoch —
en Oberländer Maa so allerhand
verzelle ghört in siner Muetersproch.

's isch wie Lawinedunder gsi im Dal,

wie wenn der Föhn dur Felseschluchte doost.

Derzwüsche silberhelle Glöcklischall,

halt numme Chraft un Schönheit, wo me loost.

Do ischs mer cho, aß d'Umwelt Note sin,
d'Natur, wo me drinn lebt, isch d'Partitur.
Drum isch am diefste all verwachse drinn
un lests am reinste allewil der Bur.

Er hebt si dra, si ganzi Lebeszit.
Ihm seits der Acker, seits der Baum un 's Brot
un d'Stern. Un d'Sunne seits uf Schritt un Tritt,
wenn si am Himmel uf- un abegoht.

Un hör iech eismols ünsi Heimetsproch,
se sichi zerst der Chilchdurn un der Rhii —
der Blaue, d'Rebberg, d'Matte, 's Luckejoch
un näume ime Chrüülsi alte Wii.

Das isch wie Musik, wiene uralt Lied,

ruscht wie ne Sägese im volle Chorn,

singt wie ne Vögeli im wite Ried

un chroost wie d'Fuhre unterem Pflueg, im Zorn.

Du liebe Lut, wo alles was eim plogt
so ring un warm zuem Herzen us loßt cho!
Wenn uns emol der liebe Herrgott frogt,
wei mir uf alemannisch Antwort stoh.

Jda Guldenschuh.


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