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Die Markgrafschaft
mut noch besonders zu dämpfen suchte. Schlimmer
war, daß er damit nun wieder in die Hand
der Polizei geraten war, die ihn nicht ohne weiteres
freiließ, sondern ihn, da er in Baden nicht
heimatberechtigt war, bei Grenzach nach der
Schweiz abschob. Dort aber wurde er alsbald von
den Schweizer Landjägern aufgegriffen, und wieder
wurde bei ihm als ein strafbarer Mangel gefunden
, daß er nicht Bürger der Eidgenossenschaft
und schon einmal des Landes verwiesen
worden war. So mußte er auch in Basel in den
Turm wandern und die Basler würzten dem Frieder
den Gefängnisaufenthalt durch die dort übliche
tägliche Zusatzration von Stockprügeln, die
ihm freilich keine so neuartigen Empfindungen
auslösten wie der Handkuß auf dem Stettener
Waldpfad, denn er hatte dieses damals obligate
Erziehungsmittel schon wiederholt kennen gelernt
.
Da er von den badischen wie den schweizerischen
Behörden nicht als heimatberechtigt anerkannt
wurde, wäre ihm schließlich nichts übriggeblieben
, als im neutralen Strombett des Rheins
seine Ruhe zu suchen. Aber solch ein verzweifelter
Ausgang aus dem Leben entsprach nicht seiner
allezeit nie aufs Kapilutieren eingestellten Art.
Er strich durch das Basler Gebiet und spähte nach
Gelegenheiten, sich auf eine gute Art in Sicherheit
zu bringen. Es gab sich, daß man um diese
Zeit in Basel-Land auf allen Straßen die Werber
trommeln ließ, um Soldaten zu gewinnen, für den
Krieg gegen Basel-Stadt. Denen lief der Zundel-
frieder nun geraden Wegs in die Hände, und er
sah nun mit einem Mal die einzige Möglichkeit,
den Fängen der Polizei zu entgehen, darin, sich
der kleinen Wehrmacht anzuschließen, die die
von Basel-Land gegen die Basel-Städtischen
rüsteten. Dem Werbeoffizier konnte er durch zerknitterte
Papiere, die er aus seiner alten Brieftasche
hervorzog, nachweisen, daß er ein alter,
gedienter Soldat war, der schon unter Napoleon
im Feuer gestanden hatte, und so wurde er in die
baselländische Armee eingestellt. Das war ein
kunterbunter Heerhaufen, und der Zundelfrieder
wußte gar nicht, für welche Sache er eigentlich
zu kämpfen hatte, aber er fühlte sich in seiner
sauberen Uniform und in der soldatischen Ordnung
wohl geborgen. Darum war er auch entschlossen
, seinen Mann zu stellen, wenn es galt,
die Basel-Städtischen zu schlagen.
Mit vielen anderen Angeworbenen wurde er
einexerziert und marschierte schließlich mit seinen
verwegenen Kameraden kaltblütig in das
Gefecht hinein, das bei dem Dorfe Pratteln stattfand
und die Entscheidung in diesem kleinen
Krieg auslösen sollte. Es war der 3. August im
Jahre 1833, da der vom Schicksal weit herumgetriebene
Friedrich Zundel denen von Basel-
Land den Sieg erringen half. Er stürmte durch
eine von Obstbäumen bestandene Wiese voran
und feuerte auf die weichenden Feinde. Als man
an einem Waldrand kurze Rast hielt, sah er einige
Erdbeeren rot aus dem Grünen leuchten. Ihm fiel
das Mädchen ein, das bei Stetten solche Beeren
gesucht hatte. In wehmütiger Dankbarkeit gedachte
er ihrer, die ihm zuletzt noch etwas von
der höchsten Wonne des Lebens hatte ahnen lassen
, was er freilich mit Hungerkost und mit obligaten
Prügeln hatte bezahlen müssen. Von diesem
in freundlichen Erinnerungen verlockenden Waldrand
ging es gegen das Dorf Pratteln zu, das der
Feind besetzt hatte. Die Musketen der Schützen
von Basel-Stadt krachten aus den Gebüschen. Der
Zundelfrieder spürte einen leichten Schlag gegen
die Brust, sah die grüne Landschaft wie im Nebel
zerfließen und stürzte zu Boden. Ein Kamerad
beugte sich über ihn, und das Gesicht des Zundelfrieder
wurde durch ein letztes schmerzliches
Lächeln verklärt, das seinem unruhigen und
wüsten Leben einen friedlichen Ausgang gab.
Der Neuenfels / von Dr. e. scheffeit
Nordöstlich von Badenweiler führt eine Straße
bergan zur „Schwärze", einem Paß, der das
Weilertal mit dem bekannten Weinort Britzingen
verbindet. Westwärts der Straße erhebt sich der
aus Jurakalk gebildete Steinberg, schwarzwald-
wärts das Urgebirge. Dort stehen, auf einer tan-
nendunkeln Gneiskuppe, weithin sichtbar, die
Reste der Burg Neuenfels. Sie ist nicht groß, aber
die ältere Geschichte des nördlichen Markgräfler-
landes ist eng mit dem Neuenfelser Rittergeschlecht
verknüpft. Dazu kommt, daß manche
Sagen sich um das verfallene Gemäuer ranken
und daß die Aussicht von der ersteigbaren Zinne
berühmt ist.
Die Burg besteht in der Hauptsache aus einem
nicht ganz regelmäßigen Rechteck, durch das eine
Querwand gezogen war. Im Westen, Süden und
namentlich im Osten, wo der Höhenzug weiter
geht, war eine Annäherung an die Burg durch
Gräben erschwert; nach Osten hin springt die
Mauer keilförmig vor und erreicht dort eine Dicke
von 4^ Meter. Die Nordseite war durch eine —
jetzt zerfallene — Mauer geschützt. Die Westzinne
ist ersteigbar und belohnt den Wanderer
durch eine wunderbare, umfassende Rundsicht.
Diese hat schon vor 100 Jahren den ersten Chronisten
Badenweilers, Dr. Wever, begeistert. Er
schreibt: „Der Weg nach Neuenfels ist äußerst
mühsam und wird nur von rüstigen Leuten zurückgelegt
, und dennoch ist es einer der häufigsten
Ausflüge, die von den Badegästen gemacht
werden, lediglich um der prachtvollen Aussicht
willen, die hier eine Ausdehnung hat, wie sie
sonst selten zu treffen ist.
Unübersehbar ergießt sich vor meinen Blicken die Ferne,
"Und ein blaues Gebirg endet im Dufte die Welt".
60 Ortschaften schaut das Auge. Britzingen,
Muggardt, Dattingen und Zunzingen sind die nächsten
; mit ihnen ist die Geschichte der Edelherren
von Neuenfels innig verknüpft. Aber auch in den
Chroniken anderer Orte des Oberlandes erschei-
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