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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1951-03/0017
Die Markgrafschaft

15

Vom Tanz in den Tod

(Nach mündlicher Überlieferung erzählt.)

Das Erzbergwerk an der Straße nach Liel war
gegen Ende des 18. Jahrhunderts noch in regem
Betrieb und Fremde sowohl wie Einheimische
fanden dort Beschäftigung und Brot. Lebhafter
Verkehr herrschte damals auf der schmalen Talstraße
. Fuhrwerke, schwerbeladen, holten das
Erz und schafften es auf holperigen Wegen nach
dem Schmelzofen in Oberweiler, und an den
Sonntagen beherrschte die malerische Tracht der
Erzknappen das Bild der umliegenden Dörfer
und Wirtschaften.

In der ,,Sonne" in Liel war Tanz. Die Musikkapelle
der Bergleute spielte, und manches Mägdelein
mag bei solchen Gelegenheiten sein Herz
an einen schmucken Bergknappen verloren haben.

Vom Schloß des Freiherrn von T. in Liel war
auch das liebliche Vreneli erschienen. Mit ihrem
Hansfrieder tanzte sie nach Herzenslust und war
über alle Maßen glücklich, endlich einmal wieder
bei ihrem Liebsten zu sein. — Auch der Freiherr
war da und mischte sich unter das junge tanzende
Volk. Er war ein übler Schürzenjäger, und das
Vreneli, das bei ihm diente, hatte alle Ursache,
sich vor diesem adeligen Wüstling in acht zu
nehmen. Unablässig beobachtete er das glückliche
Paar.

„Nein", sagte er in glühender Eifersucht vor
sich hin, „du schönes Röslein bist zu schad für
einen Bergknappen, dich pflücke ich!"

Hansfrieder und Verene hatten sich unterdessen
vom Tanzboden entfernt und schritten Hand
in Hand gehend durchs Dorf, hinauf gegen den
Wald, den Badenrain, — war doch der Hansfrieder
ein Hertinger Knab und wollte diesen
Abend den Waldpfad als Heimweg benutzen. Das
Herz ward beiden beim Abschied schwer, hatte
doch Vreneli erzählt und geklagt, daß der Freiherr
ihr auf Schritt und Tritt nachstelle.

Da plötzlich hörten die beiden durch die Stille
der Nacht den Ruf des Kuckucks. „Der hat sich
scheints in der Zeit geirrt, Vreneli", sagte der
Hansfrieder, „aber zähl rasch, Vreneli, damit wir
wissen, wieviel Jahre es noch dauert, bis wir
Hochzeit halten dürfen!" — „Eins!" — „Siehst
du, Hansfrieder, nur ein Jährlein müssen wir
noch warten. Und nun behüt dich Gott, Lieber,
und grüß mir dein Mütterlein!".

Doch der Hansfrieder ist in jener Nacht nimmer
heimgekommen. Sein Mütterlein hatte aber
sehnsüchtig auf ihn gewartet. Eine innere Unruhe
hieß sie endlich, einige Nachbarn zu wecken
und auf die Suche nach dem Ausgebliebenen zu
schicken. Nicht allzuweit mußten sie gehen. Im
Lieler Wald fanden sie ihn — tot, erschossen aus
dem Hinterhalt. Mit schwindender Kraft scheint
er noch versucht zu haben, seine Wunde mit
Fetzen seiner Kleider und mit Moos zu verbinden
, um das ausströmende Leben aufzuhalten.
Es ist ihm nicht gelungen. Er starb, und die
Hertinger Männer brachten der armen Mutter
einen Toten.

Der freiherrliche Mörder floh in jener Nacht
noch zum österreichischen Heer. Verena aber
fand Aufnahme in einem Kloster und suchte dort
ihr schweres Leid zu vergessen. Sie wurde eine
treue Pflegerin und Helferin der Armen und
Elenden, die es in jenen sturmbewegten, kriegerischen
Zeiten in reichem Maße gab.

Doch ihre Herzenswunde wurde im Jahre 1796
aufs neue aufgerissen als der österreichische
Hauptmann Freiherr v. T., dem Spital, das im
Walz'schen Anwesen in Schliengen eingerichtet
war, eingeliefert wurde. Gott fügte es, daß
Verena ihn pflegen mußte. Sterbend hat sie der
Freiherr erkannt und um Verzeihung angefleht.
Es wurde Schwester Verena nicht leicht, dem
Mörder ihres Hansfrieder zu verzeihen. Aber sie
sah in dem Gang ihres und des Freiherrn Schicksal
Gottes Fügung und konnte ihm verzeihen,
wenn auch blutenden Herzens.

Schwester Verena hatte nur noch wenige Jahre
zu leben. Sie wurde das Opfer ihres schweren
Berufs und starb an einer ansteckenden Krankheit
, die sie sich bei der Pflege ihrer Kranken
geholt hatte. Ihre Leiche wurde auf dem alten
Friedhof hinter der Kirche in Schliengen der
Erde übergeben. Ein einfacher Stein, über dessen
oberen Teil der Steinmetz einen Schleier meißelte,
schmückte das Grab. Ihr Andenken aber lebt
weiter; durch ihre versöhnende Liebe, die in
ihrer Größe soweit ging, daß sie auch dem Mörder
ihres Hansfrieder Verzeihung gewähren
konnte, hat sie ein Mahnmal aufgerichtet, das
nicht übersehen werden soll und besonders unserem
Geschlecht manches zu sagen hat.

E. Jäger.

Der Schneider von Kippenheim

Nicht weit von Lahr liegt das Dorf Kippenheim
. Die Einwohner sind fleißige, regsame
Leute, die in der Mehrzahl dem Bauernstande
angehören, heute aber auch z. T. bei den umliegenden
Industrien ihr Brot finden.

In diesem Dorf lebte um die Mitte des 18. Jahrhunderts
das Ehepaar Stulz *), rechtschaffene
Leute, die treu ihre Scholle bebauten und dem
sauren Boden mit Fleiß und Schweiß seine Erträgnisse
abrackerten. Dieses wackere Ehepaar
hatte ein Söhnlein, das Georg hieß, zart gebaut
und feingliedrig, so daß die Nachbarn von ihm
zu sagen pflegten: der kann nur ein Schneider
werden. Dies wurde den Eltern so oft gepredigt,
daß sie's am Ende selber glaubten, und Jörg zu
einem Schneider in die Lehre brachten. Daß sie
damit keinen Fehlgriff taten, sollte sich bald
erweisen. Denn der Jörg war nicht nur sehr
geschickt in seinem Beruf, sondern zeichnete sich

*) Der Name ist heute dort sehr verbreitet, so "daß
er fast bei jeder zweiten Haustüre zu hören ist.


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