http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1951-04/0003
DIE MARKGRAFSCHAFT
Nr. 4/3. Jahrgang
Monatszeitschrift des Hebelbundes
April 1951
Es währt vom Ostertag e freudige Fyrtig bis zuem Pfingstfest"
So steht es zu lesen in dem eigenartigen und
einem der letzten alemannischen Gedichte J. P.
Hebels: „Hephata tu dich auf!u. Denn in diesen
Wochen, die ihm auch im Kirchenjahr mit seinen
frohen, starken Texten die liebsten sind, erlebt
er die große bräutliche Rüstzeit der Natur. Ja,
wie dieses eine Wort: Hephata! „e chräftig Wort"
ist und eine elementare Gewalt in sich birgt, so
trägt auch diese ganze
Dichtung eine geradezu
urtümliche Kraft.
Man sieht den Dichter
selbst an einem Sonntagmorgen
über die
sommerlichen Fluren
wandeln — es scheint
die Gegend von Hertingen
und Tannenkirch
und also dies in
den beliebten Hexametern
geschriebene
Gedicht eine Reminiszenz
an jene unbeschwerten
Vikars jähre
gewesen zu sein —
und er lauscht der
Predigt der Vögel, um
sich dann von den
Glocken zur Kirche
laden zu lassen. Dort
predigt der Pfarrer
über das „Hephata",
einst von Jesus zum
Taubstummen gesprochen
, und weitet es
aus als das große
Schöpfungswort Gottes
über alle Kreatur
im erwachenden Frühling
. Warum Hebel dies
Gedicht trotz zweimaligen
Ansetzens nie
vollendet hat? Warum
ihm, dem sonst Bibelkundigen, am Schluß der
zweiten Fassung ein kleiner Irrtum unterlief?
(Nicht im zweiten, sondern im ersten Buch
der Könige steht die Geschichte von der Dürre
zu Elias Zeit.) Er macht auch hier wie fast
in allen seinen Gedichten, wo er es meisterhaft
versteht, den Versuch, all das Himmelhoch jauchzende
der hochzeitlichen Natur zurückzulenken
und einzubauen in unser Alltagsleben, aber hier
gelingt es ihm nicht; und so bleibt das Ende offen
— nämlich wie eine Mahnung an uns Epigonen,
den Weg zu finden von der Offenbarung der
göttlichen Güte in seiner Schöpfung hinein in
unser kleines, oft so beschwertes Dasein. Und mir
scheint, das ist auch eine der Hauptaufgaben, die
uns in unserer „Markgrafschaft" gestellt ist. Ein
Hephata, tu dich auf möchte doch in jeder Ausgabe
unsere Monatsschrift den lieben Lesern —
und zumal in dieser Frühlingsnummer — zurufen.
Tu dich auf der großen Gottesgüte über deinem
Leben! Laß es, wenn die ganze Natur feiert, auch
in dir freudigen Feiertag werden! Tu dich auf
dieser neuerstandenen Welt um dich, in der auch
du neugeschaffen werden
sollst! Tu deine
Ohren auf diesem einzigartigen
Anruf von
oberher und überhöre
ihn nicht vor
dem Lärm einer lauten
Diesseitswelt!
Und wenn unsere
,,Markgrafschaft'' von
heute an in einer kleinen
Verwandlung zu
unsern Lesern kommt,
so nimmt sie erst recht
diese Mahnung auf.
Wie es zwei Trachten
gibt in unserem Mark-
gräflerland, die alte
Vreneli-Kleidung und
die neuere Markgräf-
lertracht, so trägt nun
auch unsere „Markgrafschaft
' 1 zweierlei
Plunder, der aber alles
andere als „Plunder"
sein will. Wir verstehen
es, daß den einen,
die auf dem Land wohnen
, mehr das Vreneli
gefällt, das aus seinem
Chratte viele schöne,
alte Geschichten und
allerlei Geschichtliches
hervorzukramen weiß,
während andere wieder
mehr die Markgräflerin von heute estimie-
ren, die uns Fragen aus unserer Gegenwart
vorlegt. Das Vreneli spaziert in die Dörfer der
unteren Markgrafschaft und schaut manchen
Heimatfreund mit seinen heiteren Äuglein herzbewegend
an, ob er nicht auch die schönen, alten
Historien lesen will und sagt zu ihm: Tu dich auf,
lieber Freund, für das Geschehen aus früheren
Zeiten, damit du für deine Gegenwart dankbar
wirst, und schau dir das Leben des Landmanns
an in seiner bleibenden Eigenständigkeit! Und
die Markgräflerin wirbt im Wiesental und im
oberen Rebland — und da ist's mancherorts noch
schwerer, Eingang zu finden — und frägt mit
ernstem Blick, was denn die Leute in der Stadt zu
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1951-04/0003