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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1951-04/0004
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Die Markgrafschaft

ihr meinen. Tu dich auf, meint sie, auch für die
Fragen unserer Zeit und für die reine geistige
Welt inmitten der großen Verflachung! Und eine
ganze Strecke laufen sie jeweils Arm in Arm, das
Vreneli und die Markgräflerin, und kromen, was
alle rechten Hebelfreunde interessiert. Jedenfalls
aber wollen beide das Gleiche: in die Stuben

Zur Lage

Unser Zeitalter weist neben manchen charakteristischen
Merkmalen ein so überragendes auf,
daß wir es selbst aus dem kleinen, uns noch
verbliebenen oder möglichen Abstand von den
Dingen in aller Deutlichkeit verspüren können.
Es ist dabei gleichgültig, ob wir dieses Merkmal
oder Zeitmal vom Standort der Politik, der Wirtschaft
oder der Kultur betrachten. Es ist der
Hang zum Extrem, der Drang zum Radikalen,
zum sturen Ernst des Partei- oder Sektenfanatismus
, zum Selbst-Leben-Wollen, ohne Rücksicht
auf das Leben-Lassen des Nächsten, zu übertriebener
unechter Modernität wie zu ebensolchem
Festhalten an überholten Ansichten, zur Macht
wie auch zur Anarchie. Die Gegensätze haben
durch zahlreiche extreme Tendenzen Abgründe
aufgerissen, in denen nichts Gutes wohnt. Da wo
die Mitte, die in lang vergangenen Zeiten ausgleichend
und lebensspendend wirkte, sein sollte,
ist eine graue Leere. Was ist aber diese Mitte,
die heute so erschüttert — Pessimisten sagen:
verloren — und so kraftlos geworden ist, daß
das Gleichgewicht der Kräfte eine Angelegenheit
für Geschichtsforscher wurde? Ist diese Mitte der
Mensch etwa, der, verschont vom Lebenskampf,
ein ruhiges Dasein führen kann, niemand etwas
zu leid, vielleicht auch niemand etwas zu lieb
tut? Ist die erschütterte Mitte vielleicht nur
eine große Lebensversicherung gewesen, die den
Rechtschaffenen und recht Schaffenden in währungssicheren
Zeiten mit dem Bürgerrecht zufiel?
Diese Gedankengänge würden uns bald ad absurdum
führen und wir müssen übel oder wohl erkennen
lernen, daß diese Mitte etwas entscheidend
anderes ist, wenn auch ein ruhigeres Dasein
dann und wann einmal daraus resultierte. Vielleicht
kommen wir ihrem Wesen näher, wenn wir
sagen, ein in Gott ruhenderes Dasein, ein Menschentum
, das nicht viel mit der humanistischen
Autonomie zu tun hatte, sondern vielmehr in
dem begründet war, den wir heute zwar gerade
noch so viel mit den Lippen bekennen, wie es
usus ist, der aber nach Möglichkeit in seinen
Kirchen bleiben soll, um uns in unseren eigenen
Angelegenheiten nicht zu stören. Wir wollen es
den Berufenen überlassen, die Gründe hierfür zu
suchen und neue Wege, verschüttete und überwucherte
vielleicht frei zu legen.

Was uns zu dem Thema verleitet, steht nur in
etwa in Zusammenhang mit dieser Mitte. Es ist
eine geographisch-politische Mitte, um die es uns
geht. Feindselig stehen sich heute zwei Weltteile
gegenüber, Ost und West, bis an die Zähne bewaffnet
, zwei Extreme auch sie, eine graue,

unserer Markgräfler etwas von dem „freudige
Fyrtig" bringen und ins bescheidene Alltagsleben
den zarten Hauch hineintragen, den Hebels Dichtung
atmet wie einen Odem aus der großen,
gütigen Welt des Schöpfers. Wir wünschen den
beiden Botinnen ein gutes Geleit und allenthalben
ein herzlich „Gottwillche!" R. Nutzinger.

angstvolle Leere auch hier als Mitte, die ebenfalls
erschüttert, kraftlos, unwirklich und fast
schon historisch geworden ist. Europa, das Abendland
ist kein Mittelland mehr, zumindest noch
nicht wieder. Nicht von ungefähr. Die innerste
Mitte des abendländischen Mittellandes, das Herz
Europas, ist nicht mehr Zentrum, sondern Peripherie
, Grenzland, mit allen unwägbaren Aussichten
. Die ausgleichenden Möglichkeiten eines
Europas mit gesunder Mitte sind offenkundig.
Aber die Voraussetzungen für diese gesunde
Mitte sind nicht geschaffen worden in den Jahren
der Rache und der politischen Geschwätzigkeit.
Jetzt fehlt die Zeit, um ein ordentliches Werk zu
bauen, ein solides, das östlichen und westlichen
Stürmen standhalten könnte. Das atomare Zeitalter
hat Deutschland, die unbestrittene geographische
und politische Mitte Europas, gespalten
. Wie nach einem Atombombenangriff, eine
Zeit lang nachher, wuchern bei uns seltsame
Pflanzen, Regierungen genannt, monströse Gebilde
, die dem Naturforscher — Verzeihung, dem
Geschichtsforscher ein Rätsel sind. Mitte und Maß
gehören zusammen. So sind wir mittellos (in
jeder Hinsicht) und maßlos (in fast jeder Hinsicht
). Wir haben eine Hauptstadt, die nur eine
Bundeskanzlerstadt ist. Wir haben zwei Regierungen
(ohne die bayrische), aber kein Deutschland
. Wir können unter Umständen Pakte schließen
, aber es wird niemand daran glauben. Wir,
das bestrafte Bösewichter-Volk, sind vom Überzeugenlassen
weit entfernt, ebenso wie die extremen
Machtblöcke weit davon entfernt sind, uns
überzeugen zu können. Die Lage gleicht einem

Lustspiel, in dem niemand Beifall klatscht.

L. Börsig.

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Verlust der Mitte?


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