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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1951-04/0005
Die Markgrafschaft

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Julius Weismann / zum Tode

(geb. am 26. 12. 1879 zu Freiburg i. Br.,

„Mich gemahnt es kummervoll, wie nun der letzte
aus der Reihe jener edlen, ernsten Musiker von
uns ging, deren Jugend noch von der strahlenden
Sonne Mozarts unmittelbar beleuchtet wurde, die
mit rührender Treue das empfangene Licht, wie
Vestalinnen die ihnen anvertraute reine Flamme,
pflegten und gegen alle Stürme und Winde des
Lebens auf keuschem Herde bewahrten".

Diese Worte, die Richard Wagner in seinem
Nachruf dem 1859 gestorbenen Komponisten und
Violinmeister Louis Spohr widmet, können fast
wörtlich auf den Meister angewandt werden, der
1950, fast einundsiebzig jährig in seiner Wahlheimat
am Bodensee kurz vor Weihnachten still
aus der Welt ging. Setzt man an die Stelle des
Gestirns Mozart, um das Spohrs Musikanschauung
kreiste, die zentrale, wärmende Sonne Schumannscher
Romantik, jener echten, zarten romantischen
Klangpoesie, die später so bald verblaßte
oder verfälscht wurde, so hat man in dem angeführten
Zitat eine ergreifende Deutung dessen,
was uns heute der Tod Weismanns bedeutet. Auch
der Freiburger Meister pflegte „wie eine Vesta-
lin die ihm anvertraute reine Flamme gegen alle
Sttirme des Lebens". Unabhängig von allen
Tagesströmungen ging er einsam durch unsere
Zeit, aber es war nicht die „Einsamkeit des
Schreibtisches, sondern Einsamkeit der Schwarz-
waldberge", die nach einem Wort von K. Laux
seine Musik atmete.

Als Sohn des berühmten Zoologen August Weismann
, der in der naturwissenschaftlichen Welt
des ausgehenden 19. Jahrhunderts sich internationalen
Ruf verschafft hatte durch die „Weismann-
Theorie", jene Lehre von der Unmöglichkeit der
Vererbung erworbener Eigenschaften, wächst der
Knabe in Freiburg heran, im Schatten der
Schwarzwaldberge und im Bannkreis des Münsterturms
. Ein musikfreudiges Elternhaus umgibt
ihn in jener malerischen Villa in der Stadtstraße
am Fuße des Schloßbergs, aber erst der Dreizehnjährige
erkennt seine eigene Berufung zur Tonkunst
, wobei Mozarts Violinsonate in e-moll als
entscheidendes Erlebnis genannt wird. Josef
Rheinberger, der streng-klassizistische Theoretiker
, und der Freiburger Lisztschüler Dimmler als
Pianist sind seine ersten Lehrer, bis er nach einigen
anderen Stationen von 1899 bis 1902 wieder
in München bei dem bekannten Komponisten
Ludwig Thuille seine Studien abschließt. Doch
bereits damals hält er sich von dem „neudeutschen
" orchesterschwülstigen Geiste des Münchner
Musikbetriebs um die Jahrhundertwende fern,
und in innigen Klavierliedern und schlichten
Kammermusikwerken liegen seine ureigenen
Wurzeln. Als Liedschöpfer und Klaviermeister,
der bereits mit vierzehn Jahren in Lausanne
konzertierend hervortritt und sich zeitlebens
pianistisch immer wieder im Konzertsaal bewährt,
erscheint er in den Kernpunkten seines Gesamtschaffens
, von den temperament- und melodieerfüllten
„Toseanischen Liedern" Opus 1 bis zu

des großen deutschen Komponisten

gest. am 23. 12. 1950 zu Singen a. H.)

den vierzehn anspruchsvollen Gesängen nach
eigenen Texten (Op. 129), wie von den frühen
Klavier-Impromptus bis zu seinem bedeutenden
Alterswerk, dem „Fugenbaum" Opus 150 für
Klavier. Von dieser intimen Welt aus dringt er
erst allmählich in die weiten Bezirke der Sinfonie,

der großen Chorwerke und vor allem der Oper
vor, um dann auch auf diesen Gebieten Gültiges
und Meisterliches aussprechen zu können.

So sei jetzt versucht, da sein überreiches Lebenswerk
vor uns liegt, sein Schaffen in drei
Stilperioden einzuteilen. Weismann selbst bezeichnet
das Jahr 1905, das Erscheinungsjahr
seiner Klavierimpromptus, als den eigentlichen
Beginn seiner schöpferischen Laufbahn, und diese
erste Epoche — man kann sie vielleicht die
„naive Epoche" nennen — zeigt ihn als stimmungsvollen
Melodiker, der in der Liedkomposition
die Linie Schubert—Schumann weiterführt,
doch ohne jedes Epigonentum und harmonisch
voller Kühnheiten, während in der frühen Kammermusik
Brahms'sche Kraft und gleichzeitige
Formstrenge walten. Im zweiten Bereich seines
Schaffens, als dessen Grenzmarken die erste Oper
„Schwanenweiß" (1923) und das letzte Bühnenwerk
„Die pfiffige Magd" (1939) gelten mögen,
darf man wohl den Höhepunkt seines Lebens-


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