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Die Markgrafschaft
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oder auf dem Hof zusammen gesprochen haben,
beim Eintritt in das Haus gehen Bauer oder
Bäuerin voraus und in der Stube heißen sie
einem mit Handschlag „willkumm". Beim ersten
Schritt in die Bauernstube wird einem auch klar,
wie sehr der Bauer an seinen Reben hängt. Voller
Stolz wandert er mit dem „Chrüsli" in den
Keller, um einen guten Trunk heraufzuholen.
Wehe, wenn der Gast ein Temperenzler ist oder
die ihm angetane Ehre nicht zu schätzen weiß
und den Tropfen aus den Reben des Bauern abschlägt
. Es ist manchem, der ins Markgräflerland
gekommen ist, schon recht heiß geworden, wenn
bei seinen Hausbesuchen vor ihm gleich ein Krug
Wein aufmarschierte. Es braucht da alles, um
nicht von vornherein „das gute Wetter" beim
Bauern zu verderben.
Gerne nimmt der Bauer auch seinen Gast in
den Keller, und es scheint ihm besonderes Vergnügen
zu machen, einen Mann, der nicht aus
dem Weinland stammt, dort unten so lange zu
halten und ihm Probe um Probe oder Glas um
Glas vorzusetzen — wobei es allgemein Brauch
ist, fast nach jedem getanen Schluck das Glas
wieder voll zu gießen —, bis er richtig „öl am
Hut" hat und, oben an der frischen Luft wieder
angekommen, mit ordentlich „runden Füßen" von
dannen zieht. Wenn das einem hohen Herrn
passiert, so macht dem Bauern das „Einseifen"
um so größeren Spaß.
Eigenartig ist des Markgräflers Verhalten,
wenn er beschenkt wird. Er würde es als unhöflich
ansehen, in Gegenwart des Schenkenden das
Dargereichte auszupacken oder zu besehen, Wenn
ihn noch so arg der „Wunderfitz" sticht, er wartet
ab, bis der Gast das Haus wieder verlassen hat.
Vielleicht ist es Schüchternheit, vielleicht ein
Zeichen der dankbaren Anerkennung jedes Geschenkes
, mag es groß oder klein, kostbar oder
weniger wertvoll sein, was ihn so handeln läßt.
Ein guter Unterhalter ist der Markgräfler
Weinbauer im allgemeinen nicht, er läßt lieber
den Gast reden. Dabei ist es nicht so, als hätte
er's nicht „in sich". Er ist schlagfertig und ein
treffender Mutterwitz ist ihm eigen, er interessiert
sich an allem, was in der Welt vor sich geht.
Oft ist man in öffentlichen Versammlungen erstaunt
, wie viele gut Redner aus der Menge aufstehen
. Eine besondere Vorliebe zeigt der Markgräfler
für Geschichte und Schöpfungen der
Technik. Von der deutschen Geschichte und der
seiner Heimat weiß er manches zu erzählen. Verwunderlich
dagegen ist, daß die meisten von
ihrem Dorf und ihrer eigenen Familie nur weniges
wissen. Es wird eine große Aufgabe der
jungen Generation sein, hier einmal tiefgründig
zu graben und ans Licht zu bringen, was noch
nicht der Zeitenlauf uns für immer entrückt hat.
Nur da und dort ist in einem Bauernhaus noch
eine alte Chronik, von den Vorfahren mit tiefem
Verantwortungsgefühl für die Nachkommen und
in Ehrfurcht vor dem Schöpfer geschrieben.
Große Volksfeste — mit Ausnahme der Vereinsfeste
— sind im Markgräflerland unbekannt. Auch
im Herbst geht es im Gegensatz zu anderen
Weinbaugebieten ruhig zu. Wohl ist man lustig
und fröhlich, aber Herbstjubel liegt dem JVEark-
gräfler fern. Die Familienfeste, von denen wohl
der „Judika" (Konfirmation) an der Spitze steht,
gelten als Höhepunkte des Lebens. Doch auch sie
werden ohne lauten Jubel begangen. Stundenlang,
von der Nudelsuppe am Mittag bis zum Kaffee
um Mitternacht, können die Männer beisammen
sitzen, ohne daß viel geredet würde. Doch mit
Begeisterung werden die Volkslieder gesungen,
worunter Hebels „Ne G'sang in Ehre" und
,,Z' Müllen in der Post" nie fehlen. Wie überhaupt
Hebel das geistige Band bildet, das sich
durch die Herzen aller Markgräfler schlingt und
sie zu einer Einheit zusammenschließt.
Äußerlich herb und verschlossen steht der
Markgräfler Weinbauer vor uns, aber sein Kern
ist weich. Er gleicht seinem Land, von dem Hermann
Burte einmal sagt: „Das Bild des Landes
ist ein Mosaik, die Melodie seiner Seele leise,
sein Zauber verborgen: aber dem Auge der Liebe
er schließbar".
Die Entwicklung des Müllheimer Weinmarktes
Die Entstehung des Müllheimer Weinmarktes
und auch der anderen badischen Weinmärkte
geht auf eine Anregung zurück, die im Jahre
1871 durch das damalige Großherzogliche Handelsministerium
in Karlsruhe an die Bezirksämter
, so auch an das Bezirksamt Müllheim, erging
, und in der zur Förderung und Erleichterung
des Absatzes unverkaufter Weinvorräte die
Abhaltung von Weinmärkten empfohlen wird.
Hierfür vorgesehen waren die Plätze Konstanz,
Müllheim, Riegel, Offenburg, Weinheim und
Tauberbischofsheim. Der Müllheimer Gemeinderat
hatte sich noch im gleichen Jahre bereit
erklärt, auf den Vorschlag einzugehen und den
Weinmarkt abzuhalten. Die Vorbereitungen wurden
getroffen, und unterstützt durch die von
Regierungsseite (Handelsministerium) erfolgte
Publikation in in- und ausländischen Zeitungen
konnte der erste Weinmarkt am Samstag, den
7. Dezember 1872, vormittags 9 Uhr beginnend,
im Rathaussaal für „oberhalb Freiburg erzeugte
Markgräfler Weine" abgehalten werden. Die
Erfahrungen auf diesem Weinmarkt und auch auf
den anderen Weinmärkten, die mit Ausnahme
von Riegel an den vorgesehenen Plätzen stattfanden
, wurden gesammelt und durch das Handelsministerium
verwertet und gingen als neue
Anregung wieder den einzelnen Marktkommissionen
und Gemeinderäten zu. So kam es, daß
schon wenige Jahre nach Einführung der Weinmärkte
eine gute Organisation bestand, die dem
Verkauf der Weine nur förderlich war. Von vornherein
wurde großer Wert auf Qualitätswein
gelegt, doch war es bei den ersten Weinmärkten
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