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Die Markgrafschaft
Lörrachs Hebeltag 1951
Momentaufnahmen von dem festlichen Verlauf
Das S c h a t z k ä s 11 e i n
Es war eine schöne, kunstgerechte Arbeit, dieses
Schatzkästlein, das dem diesjährigen „Hebeldank
''-Träger, Professor Franz Philipp, als sichtbare
Gabe und Kulturpreis vom Präsidium des
Hebelbundes, überreicht worden war. In einem
reichen ornamentalen Schmuck tanzten 15 Putten
einen frohen beschwingten Reigen. Eine Melodie
der Freude, die Franz Philipp in seinen Liedern
und musikalischen Werken seinem Heimatvolk
geschenkt hat. Man muß die Stunde miterlebt
haben, als er unter dem Eindruck der „Laudatio"
die Festgabe tief gerührt entgegennahm und dafür
mit der „Hymne an Hebel" sich bedankte.
Die feierliche Eröffnung
Erwartungsfroh strömten zur Eröffnung des
diesjährigen Hebeltages viele Hunderte nach der
Stadthalle. Die Buben und Mädchen hatten es
besonders wichtig, sie warteten mit einer wahren
Ungeduld unter den Bäumen beim Bühneneingang
, bis sie gerufen wurden. Links und rechts
des Rednerpultes saßen in kleidsamer Tracht mit
den goldgestickten Miedern und dem schönen
Faltenwurf ihrer Kleider die Lörracher „Vrenele"
und feierlich und ernst neben ihnen, junge frische
Markgräflerinnen mit der Flügelhaube. Mit einer
gewinnenden Herzlichkeit grüßte der Staatspräsident
des Landes Baden, Leo Wohleb, der mit
seiner Frau gekommen war, diese Jugend des
badischen Landes. Unter den Ehrengästen sah
man den badischen Lantagspräsidenten, Dr. Karl
Person mit Frau, und den Regierungspräsidenten
der Regierung des Kantons Basel-Stadt, Dr. F.
Ebi mit Frau und Tochter. Es war im August des
Jahres 1932 das letzte Mal, seit dem die Basler
Regierung offiziell in Lörrach weilte. Regierung
und Bürgerschaft von Basel haben Leid und Not
im badischen Grenzland in den Jahren nach dem
Krieg gelindert und ihre Liebe und Sorge in
schwerster Zeit der Bevölkerung angedeihen lassen
. Dafür in aller Öffentlichkeit in dieser festlichen
Stunde zu danken, erachtete der Sprecher
des Hebelbundes als eine besondere Herzensangelegenheit
. Man hätte in dunklen Tagen oft
zur Kaiserpfalz hinübergeschaut, dort, wo die
zwei Türme des Münsters aufragen, über dessen
Hauptportal Sankt Georg noch immer den Drachen
der Ichsucht bekämpft und Sankt Martin
mit dem Bettler den Mantel teilt.
Der Willkommgruß galt auch den Vertretern
der Basler Hebelstiftung und einer Mitarbeiterin
des diesjährigen Hebelpreisträgers, von Dr. Albert
Schweitzer in Lambarene, jener Basler Ärztin,
Fräulein Dr. Schröder, die in der Stunde zugegen
sein wollte, in der dem anerkannten Meister eine
besondere Ehre zuteil wurde.
Vertreter der In- und Auslandspresse, des
Funks, Mitarbeiter der Nachrichtenbüros und
Männer der Kamera waren zugegen, lauschten
den festlichen Klängen des Rundfunkorchesters
vom Südwestfunk, Studio Freiburg i. Br., und
hörten die eindrucksvollen Lieder des Männerchors
Lörrach.
Mit Blumenkränzen im Haar hatten sich die
Mädchen geschmückt und mit einer Begeisterung
sangen die Buben der Volksschule Lörrach Hebellieder
. Dann trat
der Staatspräsident
an das Pult, um seine eindrucksvolle Rede auf
Hebel zu halten. Am Schluß derselben führte er
wörtlich aus:
„ ... Männer zu finden im alemannischen Lebensraum,
die man mit Hebel in eine Reihe stellen kann, ist schwer.
Es war für die badische Landesregierung eine große
Freude und Genugtuung, daß es in diesem Jahr möglich
war, wieder zu der alten Gepflogenheit zurückzukehren,
die den Hebelgedenkpreisträger abwechselnd in der
stammverwandten Schweiz, im stammverwandten Elsaß
•und in Baden suchte. Nachdem im letzten Jahr der
Gedenkpreis in das Land der Eidgenossen fallen konnte,
haben wir in diesem Jahr eine Persönlichkeit aus dem
Mutterboden des Elsaß gefunden, der den Gedenkpreis
zuerkennen zu dürfen für uns eine größere Ehre bedeutet
als für den Preisträger selbst.
Geboren in der einst so schönen Stadt Kaysersberg,
aufgewachsen im Münstertal, wandernd durch die Welt,
mit einer Heimat auch in unserem Badnerland droben
in Königsfeld, groß als Gelehrter und Lehrer, Theologe
und ausgezeichneter Kenner der Leben Jesu- und pau-
linischen Forschung, angesprochen als Menschenfreund
schon im Jahr 1928, als ihm die Stadt Frankfurt/Main
den Goethepreis verlieh, wurde in diesem Jahr Albert
Schweitzer in die Reihe der Hebel-Gedenkpreisträger
aufgenommen. Der Mann, der heute noch in
hohem Alter als Seelen- und Leib-heilender Arzt im
fernen Afrika zu Lambarene wirkt, und «Johann Peter
Hebel, Unser Seelenarzt, sind einander würdig, wenn
auch, so viel ich weiß, aus der Feder Albert Schweitzers
kein alemannisches Wort geflossen ist, und wenn auch
Johann Peter Hebel, nicht von Johann Sebastian Bachs
Werk erfaßt, kein Künstler war im Orgelspiel, sondern
in der Musik der Dichtung, über die wir im „Hebel-
Kranz" einen Versuch von Hermann Burte lesen können.
Albert Schweitzer wie Johann Peter Hebel, beide in der
Heimat verwurzelt, beide Lehrer, Theologen und Ärzte,
der eine im wörtlichen und übertragenen, der andere
nur im übertragenen Sinn, Geistes- und Seelenverwandte
beide, Gottes und Menschen Freunde, mit Herzen voll
Liebe. „Wer viel Schönes im Leben erhalten hat", schreibt
Albert Schweitzer, „muß entsprechend viel hergeben. Wer
von eigenem Leid verschont ist, hat sich berufen zu fühlen
zu helfen, das Leid der andern zu lindern. Alle müssen
wir an der Last von Weh, die auf der Welt liegt,
mittragen. Als Wirkende und Leidende haben wir die
Kräfte von Menschen zu bewähren, die zum Frieden
hindurchgedrungen sind, der höher ist als alle Vernunft
". Erfüllen wir uns mit dem Geist Johann Peter
Hebels und Albert Schweitzers, und es wird besser
stehen um diese verworrene Welt unserer Gegenwart,
und wir selber werden bessere Menschen sein, jeder
einzelne. Denn beim Einzelnen steht der Anfang. Im
Geiste Hebels und Schweitzers könnte das Angesicht
Europas, ja der Erde erneuert werden".
Der alemannische Lichtgang
Am Samstag, als die Dämmerung hereinbrach,
zogen Hunderte von Lörracher Schulbuben mit
lodernden Fackeln in den Händen durch die Straßen
der Innenstadt zum Denkmal des Dichters.
Die Kastanien blühten, der Flieder duftete, es
schien wirklich, als feiere die Natur die festlichen
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