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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1951-06/0008
6 Die Markgrafschaft

Hans Adolf Bühler

Am 4. Juni 1951 beging einer der fraglos
bedeutendsten unserer zeitgenössischen Maler
seinen 75. Geburtstag. Er hat sich ganz in die
Einsamkeit seiner Sponeckburg am Kaiserstuhl
zurückgezogen, weil schweres Leid der letzten
Jahre ihn dazu trieb. Nun ist es jedoch wahrlich
an der Zeit, sich seiner zu erinnern. Es ist nicht
nur das Leid, das ihn persönlich getroffen hat,
ebenso schwer trägt er an dem furchtbaren
Schicksal, das über unser ganzes Volk gekommen
ist. Dabei ist weniger an die materielle Not
gedacht, als vielmehr an die kulturelle, an die
Verwirrung aller geistigen Belange, die ringsum
eingetreten ist, an das Fehlen unverfälschter
geistiger Nahrung, die uns so notwendig ist wie
das tägliche Brot.

Wenn wir den Namen Hans Adolf Bühler
nennen, so taucht vor, unserem inneren Auge eine
seltene Vielfältigkeit künstlerischen Schaffens,
ein farbiger Reichtum geistiger Gestaltungskraft
auf, wie er nur von wenigen Namen ausstrahlt:
ein Schüler Hans Thoma's, gleichzeitig aber ein
Meister von selbständiger Persönlichkeit. Er hat
uns ein nach dem Leben gemaltes Bildnis seines
Lehrers geschenkt, das die Zeiten überdauern
wird und das trotz der Bildnisähnlichkeit auch
Thoma symbolisiert. Bühler hat mit solch leidenschaftlicher
Intensität darin das Wesen Thomas
erfassen wollen, daß er unbewußt sein eigenes
mit hinein verwoben hat. Er zeigt uns Thoma,
wie dieser mit letzter Kraft den Gralskelch deutschen
Wesens in seinen Händen hält und durch
Sturm und Not durch die Zeit trägt und rettet.
Aber eine dramatische Seite, die Thoma selbst
nicht eigen war, die jedoch eine Stärke Bühler-
scher Sprache ist, lebt und vibriert sehr stark mit.
Während Thoma immer die gesetzmäßigen Grenzen
der Bildenden Kunst innegehalten hat, wie
Bach in seiner Musik, sprengt gewissermaßen,
wie Wagner in der seinigen, Bühler diese Grenzen
. Er ist viel dramatischer als Thoma. Zur
Bestätigung brauchen wir nur an den „Prometheus
" in der Universität Freiburg denken, der,
wenn auch beschädigt, uns gottlob erhalten geblieben
ist; oder an die Decke des Rathaussaales
in Karlsruhe, die dahingegen der Vernichtung
anheimgefallen ist.

Bühler ist ein Wiesentäler, in Steinen geboren,
in dem Tal, das Thoma so geliebt hat und das
nur wenige Stunden von seiner Heimat entfernt
liegt. Bühlers Vorfahren waren Bauern, auch er
sollte es werden, sein früher, nicht zu hemmender
dichterischer und malerischer Drang erreichte
jedoch, daß er nebenher ein Handwerk lernen
konnte, wie dies in seiner Familie üblich war.
Zu diesem Zweck kam er zu einem Malermeister
in Schopfheim in die Lehre. Das Hantieren mit
Farbe, Lack und Leim ist ihm später zu gute
gekommen. Dann ging's auf die Wanderschaft.
Der Besuch der Kunstgewerbeschule in Karlsruhe
wurde zu einer ersten Enttäuschung. Wiederum
griff er nach dem Wanderstab, verdiente
sich Geld auf Gerüsten und in fremden Stuben;
kurze Zeit hielt er sich in Stuttgart; auf, wo er

seinem Wissensdrang geistige Nahrung zuführen
konnte; er las Nietzsche, Tolstoi und Stirner.
Schließlich erreichte er, daß er die Karlsruher
Kunstschule besuchen durfte: eine zweite Enttäuschung
, die dazu führte, daß er selbst enttäuschte
, weil er einen tollen Lebenswandel zu
führen begann, was wiederum zum Zerwürfnis
mit seinem Vater führte. Es folgten Wanderungen
ins Elsaß hinein, zum Straßburger Münster,
zum Kolmarer Altar; Erwin von Steinbach,
Mathias Grünewald wurden ihm Begriffe und
erweiterten seinen Horizont. Er war in dem
Land, in dem man das Waltharilied, die Edda,
die Sagen eines Ekkehard geschehen wähnen
konnte. Aber die Not kehrte bei ihm ein. Begleiterscheinungen
waren Zweifel an sich selbst, an
seiner Berufung. Zwar arbeitete er wiederum wie
ein Besessener; Professor Fehr wird sein Lehrer,
der ihm zu helfen bestrebt ist, wenn er ihn auch
nicht voll versteht. Fehr bewirkt ein Stipendium
für den Wiesentäler Maler, den er hungern sah.
Zu Hause aber war man von der Aussichtslosigkeit
seines Studiums überzeugt. Wie sollte das
enden? Da kam Thoma nach Karlsruhe, sah seine
Arbeit und nahm ihn als Meisterschüler auf. So
öffneten sich ihm die Tore der Kunst. Thoma und
Drews, der Philosoph, wurden seine geistigen
Wegweiser, formten sein Weltbild, zeigten ihm
die großen Parallelen zwischen Wissen und
Fühlen mit ihren Geheimnissen göttlicher Erkenntnis
.

Mit der Anerkennung durch Thoma stieg auch
wieder das elterliche Vertrauen, wußte man doch
daheim, wie Meister Thoma selbst sich aus kleinsten
Anfängen emporgearbeitet hatte.

In einer der sternenhellen Nächte hörte Hans
Adolf Bühler zum ersten Mal mit Bewußtsein
den Gesang der Nachtigall. Diese Sehnsuchtslaute
geheimnisvoller Urmusik lösten eine Leidenschaftlichkeit
des Gefühls in ihm aus, daß er
schluchzend zusammenbrach. Er vergaß dieses
Erlebnis nie mehr. Im Jahre 1904 gab er seiner
Sehnsucht nach dem Süden nach und nahm den
Weg über den Brenner zunächst ins Tirolische.
Hier kamen ihm die schroffen Riesenfelsen wie
etwas Bekanntes vor; er hielt sie damals schon
im Bild fest. Weiter ging es, und der Süden
berauschte ihn und nahm ihn gefangen. Jahrelang
pendelte er immer wieder zwischen hier und
dort. Aber im Süden erfaßte er auch allmählich
seine Zugehörigkeit zur Heimat. Plötzlich packte
ihn das Heimweh nach ihr so stark, daß er alles
im Stich ließ und endgültig zurückkehrte:

„Und aus der Weite bin ich heimgegangen,
ich war von Anbeginn in einem Netz gefangen,'
dess' feine Fäden über Meere spielten,
und fester als metall'ne Ketten hielten,
und aus der Weite, aus dem Allgemeinen,
fand ich mich wieder zu dem Ewigmeinen!"

Eine Zeitlang lebte er im Hotzenwald. Die Armut
und Strenge der Menschen und Landschaft tat es
ihm an. Beides hält er im Bilde fest. Und nun


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