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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1951-07/0003
DIE MARKGRAFSCHAFT

Nr. 7/3. Jahrgang

Monatszeitschrift des Hebelbundes

Juli 1951

jfeie'talevLl,

CjeL

Es gehört zu Hebels schöner Eigentümlichkeit,
daß er fast alle seine Gedichte in den Rahmen
der Familie faßt. Ist die Schilderung eines harmonischen
Familienlebens nicht schon selbst der
Gegenstand seiner Dichtung, so bildet doch der
geruhsame Feierabend im friedlichen Hause die
Voraussetzung für seine Gedichte, vor allem soweit
sie erzählender Art sind, wie etwa „der
Karfunkel", „der Statthalter
von Schopfheim" und „der Geist
in der Neujahrsnacht". Dieser
Familienkreis ist oft der kleinste
, wie ihn der Hanspeter ja
selbst nur erlebt hat: nämlich
Mutter und Kind, oder wir
können bei den größeren Dichtungen
etwa auch die Nachbarn
mitvorstellen, die „z'Liecht cho"
sind und nun vom Ätti etwas
aus alter Sage am langen Winterabend
berichtet bekommen.
Aber auch der kürzere Feierabend
der arbeitsreicheren Sommerzeit
läßt immer noch Raum
für eine sinnige Betrachtung
etwa der Sternenwelt, die selbst
eine vorbildliche Familie darstellt
„in Lieb un Freud' un
Einigkeit", und in der nur die
fleißige Mutter Sonne bedauert
wird, daß sie ihr „ehrlich Huus-
chrüz" hat mit ihrem Mann.
Aus solcher feierabendlicher
Besinnung spiegelt sich ein
Friede aus der oberen Welt
wider im eigenen Bereich der
Familie, es kommt der friedevolle
Ausgleich zustande zwischen
der harten Tagesarbeit
und der willkommenen und
wohlverdienten Ruhe der Nacht.

Dagegen scheint unser heutiges
Familienleben doch weithin
gezeichnet durch die Flucht voreinander
und auseinander. Wir kennen fast keinen
Feierabend mehr. Man kann doch sicher sein,
wenn man den Bauersmann oder den Arbeiter
auf seinem Nachhauseweg antrifft und frägt:
„Hesch Fiirobe?", daß man zur Antwort bekommt
: „Jo, an eim Ort" — und am andern,
nämlich daheim, geht es weiter im Krämpfen,
und er findet keine Zeit für die besinnliche Feierabendstunde
. Die Arbeit ist die Zwingherrin über
uns geworden und will uns nicht mehr zur besinnlichen
Ruhe kommen lassen. Und die nächsten
Menschen, die durch die Familie gebunden

In wyte Ferne
By helle Sterne
Dort goht my Härz.
Wenn d'Grille giige
Un d'Fälder schwiige —
Nüt sage gehrt's.

Will em nüt batte,
Stoht's dief im Schatte
Un het kai Rueh:
In helle Ferne,
Dort by de Sterne,
Goht's haimeszue.

's sin Nebelschleier
Um Dal un Weier:
Wo würsch du sy?
Kai ängstlich Froge —
Der Himmelsboge
Birgt di un mi!

Paula Kromer-Hollenweger

sein sollten, sind einander fremd oder gar überdrüssig
geworden. Und wo noch ein Abend frei
ist, zersprengt und zerstreut er die Familie durch
Abhaltungen, Veranstaltungen und Sonderinteressen
. Und sammeln sich wirklich einmal
ausnahmsweise die Familienglieder „um des
Lichts geselPge Flamme", dann muß der Lautsprecher
eingeschaltet werden, der ja von vorneherein
jedes besinnliche Wort
zum Verstummen bringt, und
dabei doch nicht beachtet wird,
weil der Vater die Zeitung liest
und die Tochter einen Roman
und der Sohn den Sportbericht
oder die Totoergebnisse. Das
Radio übernimmt aber die allen
erwünschte Funktion, einen luf t-
und liebeleeren Raum auszufüllen
und das Gefühl der Vereinsamung
auszulöschen. Kurz,
wir verstehen nicht mehr zu
feiern und das heißt doch, den
Sinn unseres Schaffens und
unseres Schicksals zu erfühlen
und dadurch unserer Gemeinschaft
dankbar bewußt zu werden
. Vielleicht sind wir auch
noch abgeschreckt oder entwöhnt
durch die sogenannten
„Feierstunden", die man uns
aufgetischt hat und in deren
Lautsein gerade das verschwiegen
blieb, was die wahre Feier
ausmacht.

Hier liegt m. E. ein wichtiger
Neuansatz für uns Hebelleute:
Wir müssen mit all unsern
Veranstaltungen der Feier dienen
, die Hebel im Stillen von
uns voraussetzt: einer tieferen
Besinnung und einer neuen
Freude aneinander. Daß wir
doch durch unsere Feierstunden
, Abendfeiern und Dorfabende
wieder den Menschen einen neuen Anreiz
gäben zu einem rechten Feierabendhalten
daheim in der Familie und umgekehrt: daß die
Menschen, die unter uns noch häuslichen Feierabend
zu halten wissen, unsere Zusammenkünfte
bereicherten und dadurch an kleinem Teil sich
erfüllte unter uns, was Hebel von den Sternen
sagt:

„'s macht keis im andere 's Lebe schwer.
Wenn's doch doniede au so wär'!

Richard Nutzinger.


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