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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1951-07/0017
Die Markgrafschaft

15

und erklärte, daß der langsame Bergbauer kaum
nachkam.

Unterdessen hatten seine Weggenossen ihre
Geschäfte beendet und strebten der Biersiederei
zu. Lebhaft grüßend kam ihnen der Wirt entgegen
. „Willkumm, Ihr Manne", rief er freundlich
, ,,chehret er au e weng bymer i? Das freut
mi, daß d'Gersbacher allimol der Weg zue mir
finde". Das war ein guter Auftakt, und jeder
hatte ein Scherzwort als Dank. Eifrig füllte der
Sieder sein schäumendes Bier in die Krüge, und
ein eifriges Essen und Trinken begann. Die Wirtsstube
füllte sich immer mehr, und der Wirt hatte
alle Hände voll zu tun.

Als Hunger und Durst gestillt und der Erfolg
des Tages besprochen war, fingen die Gersbacher
an, vom Heimgehen zu reden. Doch da fehlte
noch der Hansjörg. „He, Sieder, isch der Berghof
er no nit do gsi?" fragte der Fürchti-Schmied.
„Jo fryli, scho lang", entgegnete der Wirt, „er het
no öbbis vergesse gha un isch nomol uf der Märt.
Villycht wartet er ussen am Städtli". „I hanen
vorig uffem Märt gseh", sagte der Brauknecht,
der eben hereingekommen war, „er het gsait, er
lauf efange zue".

Die Bauern bezahlten und gingen langsam die
Straße fürbaß. „Das dunkt mi gspässig", sagte der
Gaisschnyder, „daß der Hansjörg hüte so unpünktlich
isch. Grad woner so viel Geld by sich
het". Sie warteten ein wenig, gingen ein Stück,
warteten wieder; der Hansjörg kam nicht.
Schließlich nahmen sie an, daß er vielleicht Gesellschaft
gefunden hatte und vorangegangen sei.
Sie machten die Messer in der Scheide locker und
schritten rüstig bergan, der Mettlener Höhe zu.
Jetzt wurde nicht mehr gesprochen, sondern nach
allen Seiten scharf aufgepaßt. Jeder war nur
noch Auge und Ohr. Die Höhe war erreicht, aber
weit und breit kein Berghof er zu sehen.

Es war den Männern nicht wohl dabei, und
sie machten sich Vorwürfe, daß sie nicht noch
länger gewartet hatten. Es knackte da und dort
im Gebüsch, und der Weg an der Halde entlang
war unübersichtlich und schmal. Oft zuckte eine
Hand nach dem Schießholz oder nach dem Messergriff
. Aber es war nichts. Sie hatten heute gute
Ruhe, und mit einem Aufatmen erreichten sie
das freie Feld vor Gersbach. Sie besprachen sich
noch einmal wegen des Hansjörg, und der Schneider
, der nächste Nachbar des Berghofes, versprach
, dort nach ihm zu fragen. Mit einem
„Bhüet Gott" trennten sie sich.

Durch das lange Warten und Zögern war es
später geworden als sonst. Die Dämmerung lag
schon über den Höhen, und auf dem Berghof
wurden die Leute unruhig. Die Kleinen blangten
auf ihre Chrömli, und die Großen sorgten sich
um den Vater. „Aber jetz darf er doch nümme
ellei furt", sagte der Adolf, „'s nächst mol gang
ich mit". Die Mutter faltete still die Hände, und
ihr Blick suchte angstvoll den Weg entlang. Der
aber war leer. Nach einer Weile entdeckten die
Zwillinge, die auf der Fensterbank knieten, hinten
auf dem Wege einen Mann. „Der Vatter, der
Vatter!" schrien sie und stürmten hinaus, ihm
entgegen. Die andern traten vor die Tür, und

erlöst atmete die Frau auf. Plötzligh blieben die
beiden Buben stehen. „Isch er's?" fragte scheu
der Uerich. „I glaub nit, euse Vatter isch größer",
sagte zögernd der Wilhelm. Endlich erkannten sie
den Mann. Nun fingen sie wieder an zu rennen.
„Geisschnyder", riefen sie, „ wo isch der Ätti?"
„Isch er denn no nit dehaim?", fragte dieser zurück
. Auf ihr angstvolles „Nai" schritt er dem
Hause zu, und auch die andern erkannten mit
Schrecken, daß es nicht der ersehnte Vater war.

„Grüeß Gott, Vren", sagte der Gaisschnyder
und streckte der blassen Frau die Hand entgegen
. Mit zitternder Stimme fragte diese nach
dem Hansjörg. „Wo isch er, worum hänt er en

Im Schwarzwald

Federzeichnung von M. Scherer-Wagner

nit mitbrocht?" stieß sie hervor. Der Gaisschnyder
berichtete und schloß: „Er isch sicher no ufghalte
worde un wird jetz scho z'Wehr blybe über
Nacht". „Geb Gott, de hesch recht", seufzte die
verängstigte Frau und streckte dem verlegen dastehenden
Bauern die Hand hin. „I dank der
schön für der Bschaid".

Die Mutter schickte die weinenden Kinder zu
Bett. Dann setzte sie sich mit den beiden Ältesten
in die Stube, um zu beraten, was zu tun sei.

Der Wind heulte und riß schwarze Wolkenfetzen
aus der Finsternis, um das bleiche Licht
des dämmernden Abends auszulöschen. Es war
unmöglich, jetzt etwas zu unternehmen, aber zu
Bett gehen wollte auch keines von ihnen. So
saßen sie mit verkrampften Händen beisammen,
und man hörte nur ihr schweres Atmen, während
ihre Herzen Gott um Hilfe anflehten.

(Fortsetzung folgt.)


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