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Die Markgrafschaft 3
Adolf Glattacker
Eines Malers Weg und Werk / Von Hanns Uhl
Es war an Hebels Geburtstag 1938. Seinen
alemannischen Landsleuten ist ja der 10. Mai in
die Seele geschrieben. Da liegt so ein Hauch von
feierlicher Sonntagmorgenstimmung über der
Heimat des Dichters und seinem lieben Wiesental.
Wir beide, der Maler Adolf Glattacker und
ich, fuhren gemeinsam nach Hausen zum Hebel-
mähli. Es war ein prachtvoller Maientag, ein
Blühen und Duften auf den Wiesen und Feldern,
an den Berghängen und droben am Waldesrand.
Reich gesegnet war die Flur, sie versprach eine
reiche sommerliche Ernte. Wir beide standen
unter dem Eindruck dieses Erlebens. Auch der
Maler sprach wenig und eine stille Freude leuchtete
aus seinen lebhaften Augen.
Ich wußte, was ihn beseelte: heute beim Hebel-
mähli kündete er allen alemannischen Heimatfreunden
sein Buch „Die Wiese" an. Er wollte
Hebel einen Kranz winden, dem guten und reinsten
Geist, der ihn durch seine Dichtung beseelte
und so ihm Urquell seines künstlerischen Schaffens
wurde. Zu Hebel hat es ihn immer gezogen,
und wo sein Skizzenbuch liegt, da findet sich auch
schlicht und bescheiden ein Bändchen alemannischer
Gedichte von ihm.
Ein paar Monate später standen wir zusammen
im Atelier seines kleinen Landhauses droben
am Tüllinger Berg. Der letzte Entwurf zu den
Zeichnungen jenes Buches war fertig geworden.
In wochenlanger Arbeit saß er mir gegenüber.
Mit Sorgfalt und Liebe entstand aus vielen tausend
Federstrichen Bild um Bild. Oft sank vor
Übermüdung sein Haarschopf über das Skizzenblatt
, oftmals aber auch hielten sich vor Schmerzen
seine Hände am Zeichentisch fest verkrampft.
„Bilde Künstler — rede nicht!" — und er schuf
unentwegt weiter.
Ob er jetzt daran dachte, als wir aus dem
Atelier auf die Terrasse hinaustraten und uns zu
Füßen die Hebelstadt im Tal, Lörrach, lag?
Wir lauschten in den strahlenden Sommermorgen
hinein. Zu uns herauf drang der Lärm
der Websäle der arbeitsamen Stadt. Er vermischte
sich mit dem Rauschen der Wasser der Wiese, die
voller Übermut drunten bei den Pappeln über
das Wehr sprang und hurtig weiterlief, dem
Rheine zu. Drüben rechts lag im stillen Frieden
St. Chrischona, und links von uns ging der Blick
über die Dächer alter Bauernhäuser, die aus Obstgärten
herausschauten, weit in das wundervolle
Tal, über dem Rauchfahnen wehten. Den Bergkulissen
, dem fernblauen Hintergrund des Talblickes
vorgelagert, stand fest und trotzig durch
die Jahrhunderte das Herzstück des Markgräfler-
landes: die Röttier Burg. Den Hang hinauf, über
dem wir standen, wuchsen Reben, blühten Blumen
, summten Bienen, klang von einem Baumzweige
her ein Vogellied. Hier ist die Heimat, das
Tal der Wiese, und hier ist der Maler Glattacker
zu Hause.
Aber noch nicht so lange. Denn erst nach vielen
Jahren des Suchens, Ringens und Kämpfens
fand er hier droben am Berg seine Bleibe. Mühen
und Sorgen sind auch ihm nicht erspart geblieben.
Das hatte er von Jugend auf schon erfahren
müssen.
Adolf Glattacker kam am 30. Juni 1878 in
Wehr-Enkendorf zur Welt. Er war unter seinen
Geschwistern, drei Buben und sechs Mädchen, der
Älteste. Sein Vater war Formstecher, von Weil
Adolf Glatt acker Federzeichnung / Seiibstporträt
gebürtig. Die Mutter stammte von Wehr-Enkendorf
. Beide haben sich mutig und zäh mit der
großen Kinderschar durch das Leben gerungen.
Viele, die den Maler Glattacker kennen, wissen
, daß er ein guter Erzähler ist. Oftmals schildert
er aus seiner Jugendzeit Erlebnisse, die sich
in dem idyllischen Tal der Wehra abspielten.
Hier empfing er ja erstmals die Liebe zum
Zeichnen. Er hantierte fast in jeder freien Stunde
mit Bleistift und Kreide. Zu seiner großen Freude
erhielt er, als er elf Jahre alt war, von einem
Fabrikanten Vorlagen zum Nachzeichnen geschenkt
. Er war überglücklich, und über die wohlgelungenen
Ornamente mag selbst sein Lehrer
Friedrich Beichel, der den kleinen Schüler Adolf
sehr förderte, gestaunt haben.
Durch seine zeichnerische Begabung fiel er
aber noch mehr in der Gewerbeschule auf und so
war es gar nicht verwunderlieh, daß er mit fünf-
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