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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1951-09/0005
Die Markgrafschaft

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Herbst / ric

Ein lieber Freund und uriger Markgräfler, den
das Schicksal aus unserem Wiesental nach Sachsen
verschlagen hatte, schrieb mir von dort vor
etwa zehn Jahren: „Am liebsten möchte ich jetzt
im Spät jähr mit Dir einen Spaziergang auf die
Lücke machen und hinsehen auf die farbigen
Laubwälder im Tal und die sonnigen Rebhügel
am Rhein, wo man jetzt das Gold der flüssigen
Sonne einheimsen wird". Wir haben diesen
Herbstausflug nie mehr miteinander machen
können; zwei Jahre darauf ist er einem Bombenangriff
zum Opfer gefallen. Aber sein Heimwehwort
ist mir unvergessen geblieben und taucht
jedes Spät jähr wieder vor mir auf. Es ist ja auch
etwas überwältigend Schönes, der Herbst im
Markgräflerland. Auch unser Hebel hat's gewußt
und hat vor 150 Jahren, wie es uns Emil Baader
in unserem Heft berichtet, eine solche herbstliche
Fahrt durchs Markgräflerland getan und alle die
Schönheit in sich hineingetrunken als er über
Otlingen und Hertingen, über Müllheim und
Laufen in einzelnen Etappen wieder nach Karlsruhe
zurückfuhr.

Aber dieser unser Heimatdichter hat ja nicht
nur die Schönheit des Landes und die Güte des
Weines genossen, sondern uns selbst einen reichen
Herbst und eine volle Ernte gespendet und hinterlassen
, an der wir zehren. Es ist ja edelste Hauskost
, die er uns reicht: hausbacken Brot und eingefangener
Sonnenschein vom eigenen Rebgelände
seines Lebens. Und dies währschafte Brot wird
nicht altbacken und der Wein wird mit seinem
Alter nur köstlicher und wertvoller. Und wir,
seine Nachkommen, wollen wir keine entstellenden
Epigonen sein, haben den Auftrag, diese
Gaben wieder mehr und mehr zur kräftigenden
Hausmannskost unseres Volkes zu machen. Denn
die Ernte, die er vom Ackerfeld seiner Kunst eingeheimst
hat, ist ja gewiß nicht eine Delikatesse
für verwöhnte Feinschmecker, ja, es ist nicht einmal
nur ein Blumenkränzlein, wie es der Dichter
für die „Freunde ländlicher Natur und Sitten" in
Wald und Flur gepflückt und in der ersten Ausgabe
seiner Gedichte genannt hat, sondern es ist
wirklich Brot für den Alltag, an dem man sich nie
den Verleider ißt, und „ne Schöppli Wii" für den
Sonntag und für den Feierabend. Seine Dichtung
ist weit mehr geworden als der anspruchslose
Hebel es geahnt und beabsichtigt hatte, sie ist
Gemeingut eines Volkes geworden. Der Dichter
ist über die kleinen Grenzen, die er seinem „Wäl-
derbüblein" gesteckt hatte, weit hinausgewachsen;
und es geht doch seitdem immer wieder allen
denen so, die Hebel'sches Gut verwalten und
weitertragen, daß ihnen die Arbeit schier über
den Kopf wächst und sie kaum Meister werden
können mit dem Auftrag, der ihnen damit erteilt
ist. Denn — es muß immer wieder gesagt
werden: Was Hebel gibt, ist nicht nur, ja nur
zum kleinsten Teil für nette literarische Zirkel
bestimmt, sondern muß als gängige Münze und
gültige Währung hineingetragen werden in den
Alltag unseres Volkes und in unser Familienard
Nutzinger

leben. Und wir Hebelfreunde wollen nicht müde
werden, dies wichtige Werk auszurichten.

Hebel, der immer Bescheidene, meint einmal
in einem Brief an Gustave Fecht im Blick auf die
letzte Ernte, die Gott am jüngsten Tag von den
Menschen einheimsen wird: „Mein eigenes bißchen
Halmen, Gott erbarm's, wird alle Wege bald
unter Dach sein". Hier irrt er. Seine Ernte ist
heute, 125 Jahre nach seinem Tode, noch nicht
unter Dach. Und wenn wir uns in diesem Monat
September, den man ja auch den Scheiding nennt,
seines Sterbens erinnern, so kann das nicht bedeuten
eine wehmütige Erinnerung an sein Scheiden
aus dieser Welt, sondern kann uns nur lebensvoll
zur Mahnung werden, die reiche Ernte seines
Schaffens und Wirkens unter dem Dach seines
Volkes und unserer Zeit zu bergen.

Öae tooblfcilc fllifiageJTen

Johann Peter Hebel

Es ist ein altes Sprichwort: Wer andern eine
Grube gräbt, fällt selber darein. — Aber der
Löwenwirt in einem gewissen Städtlein war schon'
vorher darin. Zu diesem kam ein wohlgekleideter
Gast. Kurz und, trotzig verlangte er für sein Geld
eine gute Fleischsuppe. Hierauf forderte er auch
ein Stück Rindfleisch und ein Gemüs für sein
Geld. Der Wirt fragte ganz höflich: ob ihm nicht
auch ein Glas Wein beliebe? „O freilich ja!"
erwiderte der Gast, „wenn ich etwas Gutes haben
kann für mein Geld". Nachdem er sich alles wohl
hatte schmecken lassen, zog er einen abgeschliffenen
Sechser aus der Tasche und sagte: „Hier,
Herr Wirt, ist m e i n Geld". Der Wirt sagte: „Was
soll das heißen? Seid Ihr mir nicht einen Taler
schuldig?" Der Gast erwiderte: „Ich habe für
keinen Taler Speise von Euch verlangt, sondern
für mein Geld. Hier ist mein Geld. Mehr
hab' ich nicht. Habt Ihr mir zu viel dafür gegeben,
so ist's Euere Schuld". — Dieser Einfall war
eigentlich nicht weit her. Es gehörte nur Unverschämtheit
dazu und ein unbekümmertes Gemüt,
wie es am Ende ablaufen werde. Aber das Beste
kommt noch. „Ihr seid ein durchtriebener Schalk",
erwiderte der Wirt, „und hättet wohl etwas anderes
verdient. Aber ich schenke Euch das Mittagessen
und hier noch ein Vierundzwanzigkreuzer-
stück dazu. Nur seid stille zu der Sache und geht
zu meinem Nachbarn, dem Bärenwirt, und macht
es ihm ebenso!" Das sagte er, weil er mit seinem
Nachbarn, dem Bärenwirt, aus Brotneid in Unfrieden
lebte und einer dem andern jeglichen
Tort und Schimpf gerne antat und erwiderte.
Aber der schlaue Gast griff lächelnd mit der einen
Hand nach dem angebotenen Geld, mit der andern
vorsichtig nach der Türe, wünschte dem Wirt
einen guten Abend und sagte: „Bei Eurem Nachbarn
, dem Herrn Bärenwirt, bin ich schon gewesen
, und eben der hat mich zu Euch geschickt und
kein anderer".


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