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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1951-09/0009
Die Markgrafschaft

pflückende, schlafende, lesende, schreibende oder
raufende Kinder darstellt. Nur auf die humorvolle
und in der Komposition vortreffliche Szene
raufender Buben in der Karlsruher Kunsthalle
soll noch hingewiesen werden.

Eine ganz besondere Stellung in der Stoff weit
Thoma'schen Schaffens nimmt das Motiv: Mutter
und Kind ein. Das Schicksal hatte der Ehe Thomas
Kinder versagt. Doch ist aus seinen Werken zu
sehen, daß sie zu seinen liebsten, Freunden gehören
, mit denen er tagtäglich umgeht. Er hat sie
beobachtet, wie sonst nur ein Mutter- oder Vaterauge
bei Kindern verweilt, er kennt ihre Seele,
die rein und fröhlich ist wie seine eigene.

So hat er auch das Jesuskind dargestellt.

Ganz anders in seinem Gefühlsinhalt
hat der Meister das
Verhältnis der Mutter zu älteren
Knaben und Mädchen gestaltet
. Die jauchzende Freude
der Mutter an ihrem Kindchen
wird zur liebevollen Erziehungssorge
, und das unschuldige
fröhliche Kindergesicht-
chen wird zu einem ernst lauschenden
Knaben- oder Mädchenantlitz
, aus dem verwunderte
und "dankbare Augen
blicken. Die lehrende, erzählende
oder vorlesende Mutter
hat Thoma oft dargestellt. Das
bekannteste dieser Bilder ist
wohl der „Religionsunterricht",
der als Ölbild und Steindruck
ausgeführt ist. Zu Füßen der
Mutter, auf deren Knien die
Bibel liegt, sitzt ein Knabe, der
aufmerksam den belehrenden
Worten lauscht. Hinter dem
Gärtlein, in dem dieser Religionsunterricht
stattfindet, erheben
sich Schwarzwaldberge.
Es liegt Sonntagsnachmittagsstimmung
in dem schönen Werke. Was die
streng blickende Mutter dem stillen Knaben erklärt
, wird wohl nichts Engherziges sein; da
blicken ihre Augen viel zu klug drein, und angesichts
der schönen und freien Natur scheint das
auch nicht möglich. Thomas Mutter war eine
solche Frau. Sie hat von den ersten Schiefertafelkritzeleien
an dem Talent ihres Sohnes große
Aufmerksamkeit gewidmet, sie hat, als des Sohnes
Zukunft ungewiß schien, dem Oberamtmann
seine Zeichnungen vorgelegt, und dieser hat dann
Thomas Aufnahme in die Kunstschule veranlaßt.
Sie war eine phantasievolle Frau und eine gute
Erzählerin. Die Erinnerung an die Mutter und an
die Jugendzeit mag wohl bei der Entstehung der
„Märchenerzählerin" mitgewirkt haben. Dreimal
hat Thoma diesen Stoff dargestellt und in der
„Sommernacht" sehen wir dann, wie der Knabe,
der bis in die Nacht hinein den Märchen der
Mutter gelauscht hatte, in ihrem Schoß eingeschlafen
ist. Glücklich blickt die Mutter auf den
schlafenden Buben, in dessen Traum sich wohl
die Märchen weiterspinnen. Otto Julius Bierbaum

hat zu diesem Bild Verse geschrieben, die die
Schönheit und den Herzenstrost dieses Werkes
fein verkünden:

Sommernacht, Traumsommernacht,

Ein Rauschen lieb und leise,

Die Seele wiegt sich süß und sacht

Nach ihrer Geigenweise:

Traum und Frieden ....

Hingeschieden

Alles was uns traurig macht.

Sterne glimmen

Wolken schwimmen

Und das Märchen ist erwacht.

Was uns Erwachsene nur in besonders begnadeten
Stimmungen erfüllt: die Ahnung einer
schönen Märchenwelt, darin lebt des Kindes

Ansicht von Bernau

Phantasie stets. Darum haben Kinder und Künstler
so vieles gemeinsam, und es ist bezeichnend,
daß Thoma sein Selbstbildnis von 1880 (Dresdener
Galerie) mit einem Rahmen umgab, den
zwölf freundlich-kluge Kindergesichtchen schmük-
ken. Und was aus jedem der zwölf runden
Antlitze leuchtet, das strahlt auch aus dem des
kraftvoll dreinblickenden Meisters in der Mitte.
Thoma hat einmal geschrieben, daß der Künstler
ein Suchender ist nach dem passenden Ausdruck
für sein Seelenbild. So ist es denn klar, warum
Thoma so oft Kinder gemalt hat. In ihnen und
durch sie konnte er sein eigenstes Wesen darstellen
. Wie aus dem Munde eines seiner Kinderchen
klingt uns sein Lieblingsspruch entgegen:

Ich kam, weiß nit woher.

Ich bin und weiß nit wer.

Ich leb, weiß nit wie lang.

Ich sterb und weiß nit wann.

Ich fahr, weiß nit wohin.

Mich wundert's, daß ich fröhlich bin. .

Da ich so ganz mir unbekannt,

Nun ruh mein Sein in Gottes Hand,

Die leite mich so aus wie ein,

Wie sollt ich da nicht fröhlich sein.


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