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Die Markgrafschaft
wahnsinnig um Hilfe schreienden Todgeweihten,
lebenden Fackeln gleich, vom brennenden Turm
mit den Balken herunterstürzten und lebendigen
Leibes verbrannten.
Wenn auch Heitersheim selbst von den Schweden
vorerst noch geschont wurde, was man darauf
zurückführt, daß der Fürst vermutlich eine
Sicherheitswache gekauft hatte, so weist das nur
darauf hin, daß es den anderen Dörfern des
Breisgaues umso schlimmer erging. In der „Werk-
mann'schen Chronik" ist da von einem Zeitgenossen
und Augenzeugen, einem Kaplan Thomas
Mallinger von Freiburg die Rede, der die
Schrecken jener Zeit in einem eigenen Tagebuch
festgehalten hat. Es heißt dort, daß sich fortan
kein österreichischer Bauer mit Weib und Kind
weder auf dem Felde, noch zu Hause sehen lassen
durfte, wenn ihm sein Leben lieb war. Er wurde,
wenn er sich zeigte, unbarmherzig niedergeschossen
. So kam es, daß in den Dörfern oft nur noch
zwanzig bis dreißig Prozent der Bevölkerung
übrig blieben. Viele Dörfer waren nicht mehr
bewohnt, die Äcker und Felder nicht mehr bestellt
, und die mit dem Leben davongekommenen
Bauern in den umliegenden Städten, wo sie eine
Zuflucht suchten. Und während draußen auf den
Feldern das Getreide in selten gesehener Üppigkeit
heranreifte, schnitten die rottenweise in die
Dörfer einfallenden Soldaten die Ähren an den
Köpfen ab, droschen die Frucht auf dem Felde
aus und verdarben zehnmal mehr, als es ihnen
von Nutzen war. Drinnen aber in den Städten
starben die Besitzer dieser Ländereien oft zu
Tausenden einen qualvollen Hungertod. Schließlich
blieb auch Heitersheim von den Kriegswirren
jener Zeit nicht verschont. Wie bereits in den
anderen Dörfern des Breisgaues, gaben sich auch
hier in der Folgezeit Brandschatzüng, Plünderung
und Not die Hand, wobei der Ort abwechselnd
von Schweden und Kaiserlichen gleichschwer
heimgesucht wurde. Sie trugen den Krieg im
Jahre 1638 auch hierher, wo alsbald ein großes
Sterben, hervorgerufen durch Seuchen und
Krankheiten, einsetzte. In diesen wechselnden
Kriegsläuften flüchteten abwechselnd Katholiken
und Protestanten, wobei die Chronik die Art, wie
sich beide Konfessionen christlich gegenseitig
halfen und einander Obdach boten, als erhebend
bezeichnet.
Am 28. Januar 1640 wurde den Bauern Gelegenheit
geboten, wieder nach Hause zurückzukehren
. Zwei Jahre später wurde die entweihte
Pfarrkirche wieder rekonsekriert. Ein schrecklicher
Sturmwind ging im Jahre 1645 über die
Gemeinde nieder, der viele tausende von Bäumen
entwurzelte. Fünf Jahre darauf stürzten bei einem
Erdbeben am 16. und 17. Mai etliche Häuser zusammen
, während die Glocken von selbst zu
läuten anfingen. Das Erdbeben wiederholte sich
übrigens im September, Oktober und November
des gleichen Jahres, sowie im Februar 1652. Am
19. März 1653 wurde mit großer Feierlichkeit das
St. Josefsfest begangen, bei dem ein Feuerwerk
abgebrannt und die Brunnen mit Wein gefüllt
wurden, was natürlich eine unübersehbare Menschenmenge
angelockt hatte.
Über die darauffolgenden Jahre lesen wir in
der Chronik:
„1658: Vom 21. Jänner bis 20. Februar grimmige
Kälte, die Leut, Vieh und Vögel erfrieren
ließ. Das Gewild konnte des tiefen Schnees wegen
mit Händen gefangen werden. Vieh und Menschen
von Wölfen gefressen.
1668: Am 12. Juni große Überschwemmung.
1674: Am 6. Dezember starkes Erdbeben.
1675: Ein Kriegsjahr. Am 28. Jännner überfielen
die Franzosen von Breisach aus den Ort,
plünderten und zündeten Häuser an. Viele flüchteten
sich nach Sulzburg, St. Trudpert und in den
Wald. — In diesem Jahr herbstete man erst am
Gallustag. Die Trauben waren so hart, daß man
sie kaum stampfen konnte.
1682: Am 19. Februar starb zu Rom Fürst und
Kardinal Friedrich, Landgraf von Hessen. Er war
der Erbauer der Herrenmühle und des Wein-
stetter Hofes.
1699: Einweihung des Spitalkirchleins durch
den Konstanzer Weihbischof Georg Müller. —
Immer noch Kriegs]ahre. Es wurde weiter geplündert
, verbrannt und unerhörte Lieferungen
an Geld und Früchten gefordert. Das hitzige
Fieber oder ,Nervenfieber' forderte als Folge des
Krieges besonders unter dem weiblichen Geschlecht
seine Opfer.
1703: Der Witwe Maria wurde das Häuschen
vom Feinde angezündet. Verlassen und arm nahm
sie ihre Wohnung im Beinhäuschen auf dem
Gottesacker, wo sie bald vor Hunger und Elend
starß und ihre Wohnung im Himmel erhielt.
1704: Am 1. November wurde unter Beiwohnung
einer überaus großen Menschenmenge Josef
Nikol, ein Italiener und Bürger zu Freiburg, auf
dem hiesigen Gottesacker beerdigt. Er wurde zu
Auggen von einem reichen Metzger aus Kandern
getötet, weil er seinen katholischen Glauben und
die unbefleckte Empfängnis Maria gegen ihn verteidigte
. Der Mörder entfloh.
1706: Am 28. Jänneri starb im Alter von 104
Jahren Anna Vögelin.
1707— 1708: Viel Elend und Not. Beständige
Lieferungen. Hitziges Fieber.
1708— 1709: Ein gar strenger Winter. Am
4. April war eine Wolfsjagd im Rheinwald.
1710: Wieder eine Wolfsjagd. Pulver und Blei
kosteten der Gemeinde einen Gulden und neun
Batzen.
1713: Hitziges Fieber. Viele Sterbefälle.
1724: Im Sommer herrschte hier die Ruhr.
Zehn Personen starben daran.
1727: In diesem Jahr wurde ein neuer Altar
errichtet für das Gnadenbild der schmerzhaften
Muttergottes, das beim Abfall Betbergs hierher
versetzt wurde.
1729: Im Juni versammelte sich das Paitel des
Johanniterordens deutscher Zungen zu Heitersheim
. Sie wohnten der Fronleichnamsprozession
bei. Der Comptur v. Schlettstadt trug das Aller-
heiligste und hielt das Hochamt/'
(Fortsetzung folgt.) Karl Kraus-Mannetstätter
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