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Die Markgrafschaft
11
Der Biersieder von Wehr / Von Jda Preusch- Müller
(Schluß.)
Nach Jahren war wieder einmal die Zeit des
Herbstmarktes herangekommen, und der junge
Berghofer befand sich in Begleitung seines starken
Hundes und zweier Bauern auf dem Heimwege
. Sie hatten alle gute Geschäfte gemacht und
trugen ihre gefüllten Geldgurte um den Leib. Es
war etwas spät geworden, aber trotzdem schritten
sie sorglos fürbaß. Schon lange war kein Marktgänger
mehr überfallen worden, und die Wege
galten als sicher.
Unten im engen Tal rauschten die Wasser der
Wehra, und über ihnen wisperte der Herbstwind
im dürren Laub. Die Sonne hatte sich schon einen
Nebelschleier vorgezogen. Plötzlich ließ der Hund
ein drohendes Knurren hören, und
aus dem Unterholz stürzten drei
Männer mit rußgeschwärzten Gesichtern
hervor.
Einen Augenblick standen die erschrockenen
Bauern ratlos; aber da
schrie der Adolf: ,,Drei gege drei!
Faß, Harro!" Schon hatte sich der
große Hund in der Brust des einen
Wegelagerers festgebissen. Die beiden
andern eilten ihrem Kameraden
zu Hilfe, und ein schwerer Hieb traf
das treue Tier in den Rücken. Aufheulend
ließ es sein Opfer los, und
mehr fallend als laufend stürzten
sich die Wegelagerer hangabwärts
ins Dickicht. Wie ein Spuk war
alles gewesen. An eine Verfolgung
in der einbrechenden Dämmerung
war nicht zu denken. So setzten
denn die drei ihren Heimweg fort.
Leise winselnd schlich der Hund
neben ihnen her.
Bald war der Überfall in der ganzen
Gegend bekannt geworden. Eine
große Unruhe bemächtigte sich der seeiandsc
Leute. Man forschte und suchte. Da
und dort wurde ein Verdächtiger in Haft genommen
, aber jeden mußte man wieder laufen lassen.
So verstrichen mehrere Tage. Eines Abends,
als der Wehrer Barbier auf der Kunst saß, vor
sich hin döste und dachte, daß es wohl Zeit sei,
ins Bett zu gehen, pochte jemand an den Laden.
„Wer isch dusse?", wollte der Barbier wissen.
„Der Jakob ob em Brennet, De sottsch mitcho, es
isch ein verunglückt!". Der Barbier öffnete die
Türe und ließ den späten Besucher eintreten. Im
Wald, beim Holzmachen sei's geschehen, berichtete
der Brenneter. Es sei einer ausgerutscht und
habe sich an der Waldsäge die Brust aufgerissen.
Jetzt üble es sich, und es sei höchste Zeit, daß der
Barbier dem Manne helfe.
Der Barbier hatte unterdessen seinen Verbandskasten
gerichtet und sich fertig gemacht,
nahm Stock und Laterne und schritt mit dem
Fremden in die Nacht hinaus. Zwischen Wehr
und Brennet erreichten sie eine halbzerfallene
Hütte. Drinnen lag der Verletzte im Fieber und
stöhnte. Der Barbier trat an das schmutzige Lager
. Er stutzte. In dem fiebergeröteten Gesicht
des Mannes waren deutliche Rußspuren zu erkennen
. Auf seine Frage erschrak der Begleiter
sichtlich, faßte sich aber gleich wieder und berichtete
, sein Kamerad sei beim Fallen mit dem
Gesicht in die Feuerstelle zu liegen gekommen.
Nun habe man eben ganz vergessen, sein Gesicht
zu säubern.
Der Barbier gab sich zufrieden und entfernte
den schmutzigen Verband des Verletzten. Er
stutzte zum zweiten Mal. Diese Wunde sollte von
einer Säge herrühren? Das sah viel eher nach
einer Bißwunde aus. Da er auch von dem Über-
h a f t
Nach einem Gemälde von E. Pfefferle
fall am Mettler Weg gehört hatte, so regte sich
in ihm der Verdacht, daß er hier einen der Wegelagerer
unter den Händen habe. Aber wohlweislich
schwieg er davon und schalt nur, daß man
ihn nicht schon früher gerufen habe.
Er reinigte die Wunde, legte Salbe auf und
verband sie. Dann gab er dem Kranken zu trinken
. Der hatte den Barbier während der ganzen
Zeit mit verstörten Blicken angesehen. Nun schrie
er plötzlich auf: „Der Hund, nemmet der Hund
eweg!" und versuchte, aus dem Bett zu springen.
Der Barbier beruhigte ihn, und als der Kranke
in einen unruhigen Schlummer gesunken war,
machte er sich auf den Heimweg mit dem Versprechen
, andern Tags wieder nach dem Verletzten
zu sehen.
Schlaf konnte er freilich in dieser Nacht wenig
finden. Sollte er die Sache gleich anzeigen?
Sollte er den Wegelagerer einfach verkommen
lassen? Oder war es nicht besser, er versuchte
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