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Die Markgrafschaft
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Bei der Nennung seines Namens schaute der
Biersieder auf. War er denn das? Seit Jahren
hatte ihn kein Mensch anders als „Biersieder"
angeredet, auch der Richter nicht, dessen graue
Augen ihn jetzt so fremd und hart ansahen, ganz
anders als so oft beim Trünke in seiner Wirtsstube
. Da war es ihm, als ob er die Worte der
drei Wälderbauern wieder hörte, als sie vergebens
nach dem vermißten Berghofer gefragt
hatten: „Vergelt's Gott!" Jetzt war es so weit.
Kein Fluch hätte ihn härter treffen können, als
dieses freundliche Wort. Er brach in die Knie und
gestand seine Untaten.
Der schwarze Brauknecht war sein böser
Dämon gewesen, der und seine eigene Geldgier.
Der Brauknecht war auch das Haupt der Räuberbande
, die so lange Zeit die Gegend unsicher
gemacht hatte. Aber die meisten Opfer hatte man
auf leichtere Weise beiseite geschafft. Was war
denn dabei, wenn der Biersieder einmal einem
Gast sein Brauhaus zeigte? Schon mancher hatte
es gesehen. Aber keiner, der wieder zurückkam,
bemerkte die Falltüre zwischen den beiden Kesseln
.
Unter dieser Falltüre befand sich eine tiefe,
mit Wasser gefüllte Grube. Geschickt hatte es
der Sieder so einzurichten vermocht, daß sein
Opfer zwischen die Kessel trat. , Er selbst stellte
sich auf die andere Seite des Kessels, und mitten
im gemütlichen Plaudern öffnete sich die Falltüre
. Der Gast stürzte in die grausige Tiefe, die
seinen Hilfeschrei sofort erstickte. In der Nacht
wurde dann das Wasser abgelassen und der Tote
heraufgeholt. Das Geld nahmen sie ihm ab, die
Kleider wurden im Brauofen verbrannt und der
Leichnam an geheimem Orte vergraben.
Und dann erzählte Martin Weber von den
furchtbaren Nächten, nachdem er auf diese Weise
den braven Berghofer gemordet hatte. Noch nie
hatte ihn sein böses Gewissen so geplagt, wie seither
. Weil der Berghofer so ein gottesfürchtiger
Mann gewesen sei, darum habe ihn das „Vergelt's
Gott" seines Sohnes so tief getroffen. So sei es
nun recht, daß er hier stehe und für seine Untaten
büße.
Der'Richter trat zu dem gebrochenen Manne
und legte ihm die Hand auf die Schulter. ,,Martin
Weber, wir waren Genossen in guten Tagen,
darum will ich nun auch in diesen bösen Stunden
zu Dir stehen. Ich will beten, daß Dir Gott gnädig
sei. Als Richter muß ich meine Pflicht tun".
Und zu den Häschern: ,,Führet ihn ab!"
Der schwarze Brauknecht, als man ihn fangen
wollte, war spurlos verschwunden. Als man am
andern Morgen in die Zelle des Biersieders trat,
fand man ihn erhängt. Martin Weber hatte sich
selbst gerichtet.
Hymnus an die Sonnenblume / von Franz Hirtier
Sonnenblume, prächtigste, wundersamste und
gesegnetste aller Blumen im deutschen Sommergarten
! Dir soll endlich eir^ Loblied ertönen!
Herrlicher bist du als die Rose, die duftende,
die man die Königin unter den Blumen nennt. In
ihrer wehmütigen, süßen Schönheit erscheint sie
fast krank neben deiner gesunden, lebenstrotzenden
Natürlichkeit.
Blume des Sommers und der Sonne, nicht in
Prunkgemächern ist dein Ort, nicht in jenen kostbaren
Gebinden, die man der Braut, der Sängerin,
dem Geburtstagskinde in die Hände gibt und die
dazu verurteilt sind, in wenigen Tagen ein, ach,
so trauriges Ende im faulenden Müll zu finden.
Stolz stehst du lachend im Garten, blickst über
den Zaun und lobst die gute, reiche Sommerszeit!
Veilchen, Nelken, Reseden, Chrysanthemen,
euer Reiz, eure Farbe, euer Duft soll nicht gering
geschätzt werden, ihr seid eine edle Zier der
sonnigen Jahreszeit. Aber du, Helianthus, bist
mehr als eine bunte, duftende Zier unseres Lebens
, du bist ein Wunder!
Aus Körnchen, davon ein halbes Hundert
auf ein Gramm gehen, wachsest du in wenigen
Wochen über uns Menschen hinaus. Schlank und
im schönen Ebenmaß deiner Blattglieder stehst
du da und reckst das Geheimnis deines Blütenkopfes
gegen den Himmel.
Peru, das ferne Land, ist deine Heimat, wo
einst die Inkas wohnten. Sonnenkinder waren sie,
wie du eines bist.
Der Sonne wendest du das Rund deines blühenden
Angesichts zu. Gelb wie die Flammen
alter Wachskerzen leuchten die im Kranze stehenden
Randblüten. Honigbraun ist die dichtgedrängte
Fülle der der Befruchtung harrenden
zierlichen Scheibenblüten, eine herrliche Weide für
die geschäftigen, aus hundert Kelchen naschenden
Insekten.
Edles Gebilde, du Gleichnis einer sehnsüchtigen
Menschenseele, dich sah der Dichter und
Blumenfreund Mörike, als er schrieb: Der Sonnenblume
gleich steht mein Gemüte offen, sehnend
, sich dehnend in Lieben und in Hoffen...
Ein feierlicheres Blühen gibt es nicht in unseren
Gärten, ein größeres Blumenangesicht schaut
uns nirgends im Gefilde an.
Du schaust zur Sonne hin, der wandelnden;
mit treuem Blick verfolgst du ihren Gang vom
Morgen bis zum Abend. So ist die fromme Seele
hingegeben ihrem Gott, so schaute einst der Ritter
zu seinem Lehnsherren, dein Bild als Zeichen
seiner Treue ward ein Schmuck seines Schildes.
Einst ersah dich ein Maler, der erkannte die
Seele aller Dinge, die unbegreifliche, gespenstische
. Er schaute in dir das Wunder eines Wesens,
den Zauber des rätselvollen Daseins, er malte
dich und sann sich müd an dir, bis sein ruheloser
Geist in Nacht versank: van Gogh!
Du beeilst dich, reif zu werden zur Ernte. Die
kleinen Blütchen welken, welken ab, die gelben
Flammen um dein Antlitz sinken zusammen. In
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