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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1951-09/0016
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Die Markgrafschaft

gesegneter Fülle wölbt sich die in Fruchtbarkeit
schwellende Scheibe mit unzählbaren Körnern
und neigt sich niederwärts.

Und jedes Körnlein birgt ein Tröpflein milden
Öls im mandelsüßen Kern. In fernen Ländern
bist du das Brot der Hungrigen.

Die Kinder tragen deine fruchtgefüllte Schale

wie ein Geschenk Gottes in den Händen; kaum
können die kleinen Arme das weite Rund umfassen
.

Sonnenblume, du wachsest auf und welkst,
kommst und gehst. Du bist ein holder Traum
des Sommers, geträumt in wenigen gesegneten
Wochen.

Der Dorfpolizist

In einer Gemeinde des Reblandes gab es einen
„Polizei", der von männiglich nur kurzerhand der
„Hardi" genannt wurde, — nicht weil er hart
war, sondern weil er mit Rufnamen Reinhard
hieß. Hart konnte er nur gelegentlich gegen die
ungezogene Dorfjugend sein, die sich darum
immer in genügender Distanz von ihm hielt und
ihm, da er schon manchen von den „Sakramentsbuben
" ins Hüsli gesperrt hatte, im Stillen Rache
geschworen hatte. Dagegen war er gegen die
Erwachsenen die Freundlichkeit und Leutseligkeit
selbst, die sich etwa darin besonders kundtat, daß
er beim Ausschellen die bürgermeisterlichen Bekanntmachungen
nicht nur auf hochdeutsch auf
der Straße ausrief, sondern diese auch, in die
mundartliche Sprache übersetzt, in die Stuben der
angesehenen Bürgerhäuser und in die Dorfwirtschaft
überbrachte. Das war freilich nicht ganz
uneigennützig von ihm, denn meist schaute bei
diesem Sondergang ein „Glas voll Wii" heraus, in
das der Hardi so gern hineinsah — und manchmal
wurden's auch deren mehrere, die nicht mehr
genau zu zählen waren, dieweil man nach mark-
gräfler Brauch den Gast nie das Glas austrinken
ließ, sondern ihm immer nachgoß, bis das
„Chrüüsli" leer war. Man kann sich denken, daß
für den Hardi so eine Runde durchs Dorf eine
anstrengende und zeitraubende Tour, dennoch
aber nie eine Tortur war.

Nun begab es sich einmal an einem heißen
Sommertag, der schon an und für sich zum Durst
reizte, daß der Hardi ausschellen mußte, was ihm
der Bürgermeister, der selbst mitten im Heuet
stak, flüchtig auf einen Zettel diktiert hatte. So
erklang seine Schelle und Stimme gleich schätte-
rig am obersten Teil des Dorfes: Bekanntmachung
: Es wird zum wiederholten Male darauf
hingewiesen, daß sämtliche Hühner des Dorfes
von fremden Feldern und Gärten fern- und eingesperrt
zu halten sind. Im Nichtbeachtungsfalle
tritt Strafe durch das Bürgermeisteramt ein. —
Schelle. — Ferner wird wiederholt darauf aufmerksam
gemacht, daß die schulpflichtigen Kinder
sich beim Betzeitläuten auch im Sommer von
der Straße nach Hause zu begeben haben. —
Schelle. — Es wird den Eltern und Erziehungsberechtigten
zur Pflicht gemacht, daß sich nach
nunmehriger Beendigung der Heuferien sämtliche
Schulkinder am Montag, den 19. Juni, vormittags
8 Uhr, in der Schule einzufinden haben. — Schelle.
— Endlich wird bekanntgegeben, daß ein fast
neuer Lautsprecher sowie ein Leichtmotorrad am
Samstag, den 24. Juni, vormittags 11 Uhr, im
Rathaus auf dem Zwangswege meistbietend versteigert
werden. Das Bürgermeisteramt. —

Nachdem unser Polizist solch gewichtige Kunde
mit schnarrender Stimme an einigen ihm wichtig
erscheinenden Plätzen des Oberdorfs öffentlich
dargetan hatte, packte ihn ein namenloser Durst,
und er glaubte, nun für vorläufig ausreichend
selbst als Lautsprecher gedient zu haben. Er begab
sich also nunmehr in die Häuser der reicheren
Rebbauern mit dem Bemerken: Heit er ver-
stange? D' Schuelerching solle jo bim Betzitlüte
deheim sii, un wenn der e Radio oder e Motorrad
bruuchet, am Samstig in der ehnere Wuche wird
eins ufm Rothuus versteigt usw. — Und überall
bekam er für diese Zuvorkommenheit sein „Glas
voll Wii". Als er endlich in der Mitte des Dorfes
gerade vor dem Wirtshaus angekommen war,
trompetete er noch einmal seine Bekanntmachungen
unter lautem Geschelle auf die menschenleere
Straße, um sich dann beim Wirt für den weiteren
Gang ins Unterdorf hinlänglich zu stärken. Dabei
hatte er vor lauter Eile, in den Schatten des
„Ochsen" zu kommen, nicht bemerkt, daß ihm
sein amtlicher Zettel aus seinem Aktendeckel
geflattert war; aber einer der schlimmsten
Schlingel des Dorfes, der Heini, hatte den Vorgang
wahrgenommen, nahm das Schriftstück
schnell an sich und verschwand damit. Nun wollte
er Rache nehmen für die Prügel und Arreststunden
, die er schon wiederholt durch den Hardi
bezogen hatte, und er gedachte, den Zettel sogleich
unbemerkt zu zerfetzen und verschwinden
zu lassen; da würde der Gestrenge wohl Augen
machen, wenn er im Unterdorf dann weiter ausschellen
wollte und fände seine Bekanntmachungen
nicht mehr. Als der Heini aber mit sichtlicher
Schadenfreude den Zettel bereits in drei bis vier
Stücke zerrissen hatte, warf er nochmals einen
wollüstigen Blick auf dies Opfer seiner Rache,
und während er sie so wahllos nebeneinander
hielt und las, mußte er mit einem Mal hell hinauslachen
. Das war ja noch ein besserer Trick, den
Hardi, der ihn schon so oft übergelegt hatte, ganz
ordentlich hereinzulegen. Er trug die Papierschnitzel
behutsam in der Hand nach Hause und
klebte sie mit Briefmarkenpapier so zusammen,
wie es ihm passend schien. Den also wieder reparierten
Zettel trug er sodann ins Wirtshaus zum
Hardi und berichtete ihm mit der unschuldigsten
Miene der Welt, er habe zugesehen, wie ein Hund
diesen Zettel vor dem Wirtshaus aufgeschnappt
und zerfetzt habe, er habe ihn aber dem Vieh
wieder abgejagt und zusammengesetzt und bringe
ihn hiermit dem Eigentümer wieder rechtmäßig
zurück. Mit gelindem Schrecken stellte der Hardi
tatsächlich diesen Verlust fest, lobte den jungen
Finder recht ob seiner Tat und ließ ihn als Aner-


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