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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1951-10/0003
DIE MARKGRAFSCHAFT

Nr. 10/ 3. Jahrgang

Monatszeitschrift des Hebelbundes

Oktober 1951

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Vom Besuch beim Hebelpreisträger Dr. Albert Schweitzer

Das war vielleicht das schönste Wort, das
Albert Schweitzer uns sagte von all den vielen
gütigen und klugen Worten, die er in den Stunden
unseres Beisammenseins in seinem Hause
aussprach, dies: Mir sinn doch freii Alemanne!
Der Zusammenhang, in dem er es sagte, war
freilich mehr scherzhaft. Wir drei Hebelpräsidiumsleute
, die wir pünktlich, wie wir bestellt
waren, um die Mittagsstunde des Sonntags am
Hause in Günsbach im Münstertal eintrafen, fanden
dort bereits eine große Gesellschaft an Gästen
vor von ganz internationaler Mischung. Es wurden
uns da vorgestellt ein Herr aus Schweden,
einer aus Neapel, zwei Damen aus London, von
denen die eine zu einem Sonntagsbesuch schnell
per Flugzeug gekommen war, ein amerikanisches
Ehepaar, ein Herr aus Marseille, eine Südafrikanerin
— man konnte es gar nicht behalten, von
woher überall! Und wir drei Lörracher Männer
machten uns angesichts dieser hohen und weitgereisten
Gäste im stillen keine große Hoffnung
darauf, daß wir Gelegenheit hätten, mit der vielbegehrten
Persönlichkeit des Urwalddoktors ins
Gespräch zu kommen. Und mit einem Mal erschien
er und rief zu allererst: „Wo sind die
Herren vom Hebelbund in Lörrach? Wir überreichten
ihm den herrlichen Herbstblumenstrauß,
den ein Lörracher Gärtnermeister für ihn uns
mitgegeben hatte, als Gruß aus unserer Heimat.
„Aus unserer gemeinsamen Heimat", verbesserte
er, „tausend Dank!" Und schon war aller Bann
gebrochen, und mit einer Herzlichkeit ohnegleichen
gab er uns seine feste, schöne Hand. Und
wie freute es ihn wieder so ganz von innen her,
als wir ihm auch noch einige Flaschen Mark-
gräfler Weins, die ihm die Winzergenossenschaft
Blansingen gestiftet hatte, präsentieren konnten.
Er setzte sich zu uns an den Tisch — es gibt
keine lange, steife Tafel in dem Haus, sondern
nur immer kleine Gruppen an Tischchen — und
wich nicht mehr von uns während des ganzen
Essens. Aufs köstlichste war die Mahlzeit durch
die geistvollen und launigen Aussprüche von Professor
Schweitzer gewürzt — wir durften ihn
übrigens nur per Herr Schweitzer anreden — und
bald war er in seinem urigen Elsässer Dialekt
und wir in unserer Markgräfler Mundart so vertraut
miteinander, als kennten wir uns schon
lange — bei mir war es auch tatsächlich ein
Wiedersehen seit vielen Jahren, aber er erinnerte
sich noch mit Liebe daraij. Beim Nachtisch erschien
die umsichtige Hausmutter, Frau Martin,
und bat den Doktor, sich doch auch den andern
Gästen etwas zu widmen. ,,Ich kumm glich", sagte
er und blieb bei uns sitzen. Nach einigen Minuten
tauchte die Schwiegertochter der Hausverwalterin
auf mit der Bitte, die Herren möchten
doch zum Kaffee ins Zimmer nebenan kommen.
„Jo, glich", war die Antwort des Doktors, und
wir redeten weiter — denn da sprudelt's und
quillt's nur so aus diesem regen Geist heraus.
Zuletzt kam die Amerikanerin — und übrigens
alles spricht gut deutsch in dem Hause — und
mahnte: Der Kaffee würde ja kalt, die Herren
möchten doch endlich kommen — und daraufhin
sprach Schweitzer dies denkwürdige Wort mit
heiterem Lächeln und seinem schalkhaften Augenzwinkern
: „Mir sinn doch freii Alemanne!"

Und wirklich diesen guten Geist eines freien
Denkens und Entscheidens empfanden wir so
beglückend in diesem. Haus und bei dieser Persönlichkeit
. Wie bezeichnend war doch für ihn
folgender Ausspruch. Er erzählte, daß er kürzlich
auf den Preis der Stadt Frankfurt in Höhe von
10 000 Mark verzichtet habe, so nötig er auch
diese Summe für Lambarene brauchen könne,
weil er es nicht verantworten könne, Geld aus
Deutschland abzuführen, solange da noch notleidende
Musiker, Schriftsteller und Ärzte seien,
und er habe gebeten, diesen Betrag solchen um
ihre Existenz ringenden Künstlern und Flüchtlingen
zukommen zu lassen. Als ich darauf
meinte, das sei edel und groß, fiel er mir ins
Wort: das sei nur vernünftig, aber nicht edel,
und wir sollten doch alle mehr die freie Entscheidung
der Vernunft walten lassen.

Wie frei und ungezwungen war auch das Gespräch
mit den anderen Gästen des Hauses; da
gab es keine verkrampften Gesellschaftsgeräusche,
sondern da war alles so natürlich, freundlich, gut
und herzlich. — Der gute Doktor meinte zwar, er
habe ja den Hebelpreis nicht verdient, dieweil er
noch nicht einen einzigen alemannischen Vers
zuweggebracht habe, wir aber durften ihm sagen,
daß er aus dem Geiste Hebels, und d. h. doch aus
der großen inneren Freiheit eines an Gott gebundenen
Gewissens heraus der ganzen Welt ein
Beispiel gegeben habe von wahrem, tätigem
Christentum und in vorderster Kampflinie bei
seinen Urwaldmenschen für seine europäische
Heimat die Tat des Friedens vollbracht habe. Wie
hat er doch in unser „Goldenes Buch" geschrieben
?: Köstlich, wie er da sagte: „Jetz sind still,
der Großpape müeß schriibe":

„Ich kann nichts anderes hinschreiben als das,
was ist. Daß ich sehr erfreut bin, den Hebelpreis
erhalten zu haben und daß ich dafür dankbar bin,
im Oberland auf beiden Seiten des Rheins mich
zu Hause fühlen zu dürfen. Denen, die sich nach1


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