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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1951-10/0008
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Die Markgrafschaft

Der Maler Karl Wolfsberger

Karl Wolfsberger wurde am 5. Januar 1889
geboren; sein Vater war Müller in der Kaisermühle
zu Müllheim. Dort besuchte er die Volksschule
, um nachher als Lehrling in die Lithographie
Ehrhard am Viehmarktplatz einzutreten.
Nach 18 Monaten lag schon der erste Wacken
auf seinem Weg, ja, für den Fünfzehnjährigen
wird es schon der erste Felsblock gewesen sein:
der Brotherr mußte infolge Zahlungsschwierigkeiten
den Betrieb einstellen. Karl sollte, damit
seinen Eltern keine allzugroßen Ausgaben erwuchsen
, zu einem Sattler im Städtchen in die
Lehre. Aber schon trat auch sein erster Schutzengel
in Aktion: ein unverhoffter Brief aus
Sachsen rief ihn zur weiteren Lehrlingszeit als
Lithograph zu dem Nachfolger von Ehrhard, wo
er zwei Jahre arbeiten und sich umschauen
konnte, bevor auch dieser Meister seine Insolvenz
erklären mußte. Haben wir Kinder Alemanniens
nicht alle in ähnlicher Lage, wenn die
Not uns als böses Gespenst ein zweites und drittes
Mal angrinste, ausgerufen: ,,Jetz aber nitt aß
heim! Zue dr Mueter! In unser Hiesle!"?

So saß der junge Karl Wolfsberger wieder
daheim bei Vater und Mutter, hörte von einer
guten Lehrstelle in Lahr, wanderte unverdrossen
dorthin. Nach mancherlei Hindernissen fand er
Arbeit, die ihm, die möglichen Überstunden einkalkuliert
, monatlich 40 Mark einbrachte — wie
oft mußte der Siebzehnjährige das Mittagessen
ausfallen lassen? Aber was andere entmutigt oder
verbittert hätte, gereichte ihm zum Ansporn:
jeden freien Augenblick, alle Sonn- und Feiertage
verbrachte der von den Sternen der Kunst Angestrahlte
in der Natur, und zeichnete. Ein gutmütiger
Sonntagsmaler ließ den wißbegierigen
Lehrling zuschauen, wie er Aquarelle malte. Wieder
knapste sich Karl das Geld für die ersten
Farben am Essen ab, und war glücklich über die
in rascher Folge entstehenden Bilder.

Nach beendeter Lehrzeit wanderte der Bursche
nach Eßlingen, weil er dort als Gehilfe
72 Mark monatlich bekommen konnte; sein bisheriger
Meister hätte ihm nur 60 bezahlen können
. Der junge Lithograph benützte das Eßlinger
Jahr, um sich zeichnerisch besser auszubilden.
Dann rief ihn der Lahrer Meister in seine Werkstatt
zurück. Hier durfte er nun schon seinem
persönlichen Geschmack Ausdruck geben; und
hier kam ihm, ermutigt durch den Erfolg seiner
ersten Ausstellung in einem Lahrer Schaufenster,
auch zum ersten Mal der Wunsch: wenn ich doch
erst einmal so viel verdienen könnte, um eine
Kunstschule besuchen zu können!

Und wieder wälzte ein Engel den Stein des
Geldverdienenmüssens hinweg: er bekam eine
Stelle in einem Dresdener Modeatelier, verdiente
soviel, daß er als Abendschüler auf der dortigen
Kunstakademie das nötige Rüstzeug des Künstlers
erwerben konnte. Es gelang ihm sogar, soviel
Geld zu sparen, daß er acht Monate lang auch als
Tagesschüler den Unterricht der ersten Meister
genießen durfte. Als er wieder den letzten Heller
im Dienst seiner natürlichen Begabung ausgegeben
hatte, verwand er jedes Bedauern über das
Abschiednehmenmüssen von den heiligen Hallen
— stellte ihm doch sein inneres Selbst das Zeugnis
eines ungeheuren Fleißes, eines absoluten
Eifers und einer vollkommenen Hingabe aus.

Auch lockte schon eine gehobene Stellung an
einer Kunstanstalt in Hannover. Nun hätte er
sich schon ,,Ankeschnitte un Zucker druff" leisten
können, wenn er nicht jede übrige Mark zur
künstlerischen'Weiterentwicklung verwendet hätte.

Die Militärzeit 1909—1911 absolvierte Karl
Wolfsberger bei den Bad. Leibgrenadieren in
Karlsruhe. In seiner freien Zeit zeichnete er
Soldaten und Vorgesetzte, auch huschte er, bei
jedem Ausgang, nicht zu den Mädchen oder zum
Bier, sondern in die Kunsthalle zu den alten und
neuen Meistern, um, in ihre Leistungen versunken
, seinen eigenen Willen zur künstlerischen
Zucht zu vervollkommnen.

Nach der Entlassung folgte er einem Ruf nach
Hamburg. Dann ging er zu seinem ersten Lehrmeister
nach Lahr zurück, wo er bis zum Kriegsausbruch
blieb.

Wie die meisten Männer aus unseren Gauen
mußte der junge Vaterlandsverteidiger die
Schlachten bei Mülhausen und auf den Vogesen-
flanken mitmachen. Im Frühling 1915 wurde er
schwer verwundet in das Lazarett Straßburg
eingeliefert, von dort später nach Tübingen in
die Klinik gebracht. Nach langwieriger Behandlung
entließ man ihn als dienstuntauglich im
Jahre 1916.

Zu der Genesungsabteilung nach Mannheim
beordert, übertrug man dem Markgräfler die
Führung der Bastelabteilung. Dort porträtierte
Karl Wolfsberger Ärzte, Pflegerinnen, Küchenpersonal
, Patienten. Jedes Aufleuchten des von
ihm so Beschenkten mag ihm damals als eine
Minderung, ein Kleinerwerden des Steinberges
erschienen sein, der sich vor ihm höher als je vorher
aufgetürmt hatte. Aber der Herrgott machte
auch dieses Mal wieder aus der Rute des befohlenen
Dienstes einen Stab für die Pilgerschaft in
das Reich der Kunst, und was Karl Wolfsberger
jetzt erleben durfte, klingt heute noch fast wie
ein schönes Märchen.

Das Lazarett veranstaltete eine Ausstellung
der Bastelarbeiten seiner Patienten. Unter den
Besuchern befand sich die Großherzogin Hilda
mit Gefolge. Die hohe Frau war von der ursprünglichen
, reinen Kunst des Müllheimer^ so
angetan, daß sie sich den Künstler vorstellen ließ
und ihm, nach einem eifrigen Gespräch mit ihrer
Umgebung, durch den Hofmarschall sagen ließ,
er würde nicht vergessen werden. Und siehe: die
menschen- und kunstverständige Fürstin wurde
wirklich Wolfsbergers Erzengel: sie sorgte binnen
vier Wochen für die Entlassung aus dem Militärdienst
, meldete ihn bei der Akademie Karlsruhe
als Student an und bezahlte das Studium an
dieser hohen und berühmten Kunstschule.

Vier Jahre lang durfte der dankbare und
glückliche Kunstgesell bei den besten Lehrern
seiner Zeit arbeiten und schauen lernen; die


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