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Die Markgrafschaft
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Ein Mann im Tale
Fabrikant Wilhelm Schöpflin, Haagen, vollendete sein 70. Lebensjahr
Es ist bezeichnend für die Popularität dieses
Mannes, daß er zur Vollendung seines 70. Lebensjahres
sowohl vom Badischen Staatspräsidenten
Leo Wohleb wie auch von dem einfachsten Manne
Grüße und Glückwünsche entgegennehmen durfte.
Alle diese Gratulanten waren sich in der Würdigung
des Lebenswerkes von Wilhelm Schöpf lin
einig. Sein Name ist mit der Gründung und dem
Aufbau der Textilmanufaktur Haagen für immer
verbunden. Als Sohn ehrsamer Bauersleute wurde
Wilhelm Schöpf lin am 26. September 1881 in
Haagen geboren. Nach dem Besuch der dortigen
Volksschule und des Hebelgymnasiums in Lörrach
absolvierte er eine kaufmännische Lehre bei
der Firma Gebrüder Großmann in Brombach.
Anschließend daran erwarb er sich weitere Kenntnisse
in einem Basler Speditionsgeschäft. Im
Jahre 1906 verheiratete sich Wilhelm Schöpf lin.
Gleichzeitig begründete er mit seiner Frau Wilhelmine
, geb. Sütterlin von Brombach ein Gemischtwarengeschäft
. Diesem Ladengeschäft wurde
später eine Abteilung des Großhandels angeschlossen
und im Jahr 1929/30 wurde die entscheidende
Wende herbeigeführt. Aus dem früheren
En-gros-Geschäft entwickelte sich das durch
seine Organisation wie ein Uhrwerk ablaufende
Versandgeschäft der Wiesentäler Webwaren. In
ungewöhnlich rascher Folge vervielfachte sich die
Belegschaft. Es war damals im Wiesental eine
sehr schwere Zeit. Wirtschaftliche Unternehmungen
, die einstens zu den besten Industriewerken
zählten, standen vor dem Zusammenbruch. Wilhelm
Schöpflin sah seine Sendung darin, diese
Werke wieder mit Arbeitsaufträgen zu bedenken.
Als damals immer mehr Räder still standen, legte
sich graue Hoffnungslosigkeit über das Wiesental.
Die Aufgabe zu helfen, schien Wilhelm Schöpflin
sozusagen vom Schicksal zugewiesen. Er hat mit
seinem Wagemut und Unternehmergeist die umliegenden
Betriebe mit seinen Aufträgen am Leben
erhalten, sie durch eine schwere Zeit hindurchgerissen
und dadurch vielen verzweifelten
Menschen wieder Arbeit und Brot gegeben.
Das bedeutende Werk, die Firma Großmann,
wo er einstmals als Lehrling tätig war, war am
Erliegen. Da trat man nun an Wilhelm Schöpflin
heran, er zögerte nicht und erwarb das Werk
1937. Er erneuerte den Betrieb und machte ihn
wieder leistungsfähig. In diesen letzten großen
Entscheidungen, in denen er in Tagen und Nächten
mit sich rang, standen ihm seine Frau und
seine beiden Söhne in Treue und Fleiß zur Seite.
Der Zusammenbruch des Jahres 1945 stellte
das Lebenswerk Wilhelm Schöpflins auf die
härteste Probe. Aus dem Krieg waren seine beiden
Söhne wieder zurückgekehrt. Mit ihnen und
einem Kreis treuer Mitarbeiter entfaltete der
heutige Jubilar wieder seine schöpferische Initiative
. Heute steht das Werk Wilhelm Schöpflins
festgegründet und festgefügt. Es ist in seiner Bedeutung
aus dem Wiesental, dem Heimattal der
Schöpflins, nicht mehr wegzudenken.
Seinem alemannischen Wesen blieb Wilhelm
Schöpflin immer treu. Er ist ein echter Bauernsohn
mit fleißigen Händen, kühlem Kopf und
einem Herzen voller Gemüt. Sein Heim wurde
zu einem Sammelpunkt der schönen Künste.
Dichter und Maler, Kunsthandwerker und Sammler
gehen neben den Industriellen und einfachen
Menschen darin ein und aus. Sie erleben seine
Freundschaft und die Gastfreundlichkeit seines
Hauses. Von der gepflegten Stille und Wohnlichkeit
seiner Räume in Haagen verfolgt er auch
heute noch den Pulsschlag seines Werkes, dessen
Leitung in den Händen seiner beiden Söhne liegt.
Hier auf der Heimatscholle errichtete er sein
weithin in Deutschland bekanntes Lebenswerk.
Mitunter zog es ihn in die Weite und auf manchen
Auslandsreisen weitete sich sein Blick, sammelte
er Erfahrungen, die er zu Hause wieder in
seinem Unternehmen auswertete. Bei all dem
vielen, das auf ihn einstürmte, hatte er immer
ein Herz für andere. Das kam so recht in den
Stunden seines 70. Geburtstages zum Ausdruck,
wo er Gegenstand herzlicher Liebe und Wertschätzung
war. Es waren unendlich viele, die
Wilhelm Schöpflin zu seinem Tage Gruß und
Dank entboten, weil er ihnen durch seine Tatkraft
im wahrsten Sinne des Wortes den Sinn des
Daseins wieder gab. Hanns Uhl
All' Labsal, die uns hier beschieden,
Fällt nur im Kampf und Streit uns zu,
Nur in der Arbeit wohnt der Frieden,
Und in der Mühe wohnt die Ruh.
Fontane
Fabrikant Wilhelm Schöpflin
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