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Die Markgrafschaft
digen. Die Versammlung nahm einen stürmischen
Verlauf. Der Markgraf hab>e nicht gehalten, was
er versprochen hat. Die Landschaft huldigte
Philipp nicht.
Ein Aktenstück vom Jahre 1572 zählt an
Diensten und Steuern u. a. auf: den Großen und
Kleinen Zehnten, die Fasnachtshühner, den Weinzehnt
, das Ohm- und Maßgeld, die jährlich auf
Martini fallenden Steuern, das Vogtsgeld, das
Kalbsgeld.
Die noch vorhandenen Kirchenbücher beginnen
erst mit dem Jahre 1650; die früheren sind
durch den 30-jährigen Krieg verloren gegangen.
Im Jahre 1556 wurde in der Markgrafschaft
Baden die Reformation eingeführt. Meßpriester
Stephan, der damals hier amtete, trat zur Reformation
über und wirkte als Pfarrer weiter.
Bauernkrieg, Reformation und 30-jähriger Krieg
brachten auch für Tannenkirch bittere Zeiten,
Hunger, Elend und Not. In den ersten Jahren des
30-jährigen Krieges zog ein Fähnlein Tannen-
kircher mit ins Feld. Es gehörte dem Infanterie-
Regiment Oberbaden an, das vom Oberamtmann
von Rötteln angeführt wurde. Dieses Regiment
war den Truppen des Markgrafen Georg Friedrich
eingegliedert; es bestand außer dem Tannen-
kircher Fähnlein aus den Fähnlein Schopfheim,
Rötteln, Kandern, Kirchen, Weil, Eimeidingen,
Steinen (dabei von Steinen 32 Mann mit Rüstzeug
und langen Spießen), Tegernau, Auggen. Es
nahm an der Schlacht bei Wimpfen gegen die
Kaiserlichen im Jahre 1622 teil; hier hatte unser
Dorf die ersten Verluste zu beklagen. 1624 rückten
die Kaiserlichen Truppen in unserer Gegend
ein. Es gab Einquartierung auf lange Zeit. Der
Krieg brachte Plünderung, Raub und Requirierung
mit sich. Basel wurde damals von vielen
Einwohnern als Zufluchtsstätte gewählt, gar
mancher Bauer verließ mit seiner Familie Haus
und Hof, um den drohenden Schrecken und Qualen
zu entgehen. Es mußten große Summen für
die Unterhaltung des Besatzungsheeres aufgebracht
werden; es kamen Teuerung und Inflation.
Auch der Krieg Ludwigs XIV. gegen Holland
wirkte sich im badischen Oberland aus. Am
6. April 1677 wurde Tannenkirch geplündert. Besonders
schlecht ist es dabei dem 84-jährigen
Pfarrer Johann Jakob Kummer gegangen. Ein
Aktenstück (abgedruckt bei Mehrer) berichtet:
,,In der Kirche ist zwar viel verderbet und verwüstet
, auch aller ornat geraubet, doch hat man's
wieder seubern und z. T. ausbessern, bisher auch
den Gottesdienst darinnen verrichten können. Dem
Pfarrhaus an sich selbsten ist außer etlich zerschlagenen
thüren und abgebrochenen Schlössen
kein sonderlich Schaden geschehen. Es hat auch
Ihr Durchleücht der hertzog von Lotaringen eine
geraume Zeit sein Quartier darinnen gehabt. . . "
„Dem wolerlebten 84-jährigen Pfarrer Johann
Jakob Kummer, welcher zuviel gethrawet und zu
lang gewartet, ist's sehr übel ergangen, indem
eine starckhe Partey von etlich 100 Pferden ihme
im pfarrhaus überfallen, Sein Kleyder ausgezogen
, das gantze haus ausgeplünderet, allen vorrat
an vieh, wein, früchten, Viktualien und übrigen
hausrath weggenommen, auch kein bund Heu
oder einige wellen Stroh noch etwas anderes
überlassen, worüber er gantz allein und von
Jedermann deseriert (verlassen) die Flucht nehmen
, und ohne Hut, Kragen und schuh in Kaltem
Weter und diefem Weg, bis gen Basel gehen
mueße, da er sonst Seiner unvermöglichkeit
halber, Kaum aus dem Dorf zu Komen getrawt.
Zu geschweyge waß Ihme in seinem Eigentümlichen
güthern an abgehauenen Beümen und verbrennten
Rebsteckhen für großer Schaden geschehen
, hat also der Gutte Mann nicht allein in
hiervorige alten Kriegs viel Elendtes erfahren
und ausgestanden, Sondern muß auch in Jetziger
Kriegszeit und erst in seinem hohen alter, da er
bester pfläg bedörffte, Noth und mangel leyden".
In diesen Jahren hat die Gemeinde ihre Glok-
ken an einen Basler Bürger versetzt, wahrscheinlich
, um sie zu retten, nachher jedoch verkauft.
Wie groß Unrast und Elend waren, ergibt sich
auch daraus, daß von 1676 bis 1678 dreizehn
Tannenkircher Kinder auf der Flucht, meist in
Basel, getauft wurden. Auch 1690, in der Zeit des
Pfälzisch-Orleanischen Krieges, wurden vier Tannenkircher
Kinder auf der Flucht in Basel getauft.
Das 18. Jahrhundert war bis gegen sein Ende
weniger ereignisreich, daher sind den Akten und
Kirchenbüchern kaum wichtigere Vorkommnisse
zu entnehmen. Daß das Storchennest auf unserm
Kirchturm am 26. Juli 1741 einem Kind zum Unheil
gereichte, ist im Kirchenbuch angeführt. Der
siebenjährige Knabe Hans Jakob Hagin stand
mit andern Kindern an der Kirchentüre. Obwohl
es vollkommen windstill war, ist plötzlich das mit
viel Erde beschwerte Storchennest heruntergefallen
und erschlug den Jungen. Dem achtjährigen
Buben des Lehrers wurde dabei das Bein entzwei
geschlagen.
Im November und Dezember 1782 betreute
Johann Peter Hebel aushilfsweise von Hertingen
aus unsere Gemeinde. Er war damals bei Pfarrer
Schlotterbeck in Hertingen als Vikar. Damals
hielt Johann Peter Hebel hier drei Taufen und
drei Beerdigungen und predigte in unserem Gotteshaus
, dessen Turm seit Jahrhunderten erhaben
über das Dorf und das Markgräflerland hinblickt
wie ein Wächter und von dem Kirchenrat
Kolb in einem Gedicht sagte:
Der Wächter luegt no all ins Land,
As wie vor alder Zit,
In Rege, Schnee im Sunnebrand
Un luegt no grad so wyt.
Er rüeft üs zue im Glockeklang:
„Verzaget nit in Not!
Un luegt's o drii so angst un bang —
E festi Burg isch Gott!"
Das Rebland stoht im Sunneschii
— 's fließt Hunig drin un Milch —
Un fründli luegt der Wächter drii,
Der Chilchdurm z' Dannechilch!
die Monatszeitschrift des Hebelbundes
Sie erscheint monatlich und kostet einschließlich
Post oder Trägerlohn nur 50 Pfg.
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