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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1951-12/0003
DIE MARKGRAFSCHAFT

Nr. 12/ 3. Jahrgang

Monatszeitschrift des Hebelbundes

Dezember 1951

Weihnachtliche Gedanken bei Johann Peter Hebel

Wenn man die drei Weihnachtsgedichte Johann
Peter Hebels vornimmt, und sie in der vom
Dichter gegebenen Folge unter die Lupe nimmt,
so kommt man zu einem merkwürdigen, fast
peinlichen Ergebnis. Die drei Gedichte heißen
bekanntlich: „Die Mutter am Christabend", ,,Eine
Frage" und „Noch eine Frage". Entwickelt Hebel
im ersteren recht gediegene, erzieherische Grundsätze
und kommt er am Schluß wenigstens andeutungsweise
noch auf das Wunder der Heiligen
Nacht zu sprechen: „en anderi Chehri mehr: Der
heilig Christ isch hienecht choo, het Chindes
Fleisch un Bluet aagnoo, wärsch au so brav wie
er", so versucht er, im zweiten Gedicht: „Eine
Frage" dies Versprechen: „en anderi Chehri
mehr" einzulösen, entfernt sich aber darin vom
heiligen Geschehen der Weihnacht noch mehr
und läßt, was im ersten nur von ferne anklang,
Weihnachtskind und Mutterliebe in eins zusammenfließen
. Offenbär unbefriedigt auch von dieser
zweiten Dichtung macht er sich an das dritte:
„Noch eine Frage"; mit ihm ist er aber bereits
ganz von Weihnachten abgerückt und hat mit
dem Motto: „Nooch binenander wohne Freud un
Leid" eine eigentliche Neujahrsbetrachtung geschaffen
. Wir erkennen hier bereits den späteren
Kalendermann.

Immerhin hat Hebel — und das soll doch ja
nicht durch diese kritische Betrachtung übersehen
werden — zwei sehr wesentliche Gedanken
über Weihnachten herausgestellt, die uns noch
heute zu beschäftigen haben. In den beiden
ersten Gedichten wird übereinstimmend die
Armut dargestellt und gepriesen. Christus kehrt
für Hebel nicht in den Häusern der Reichen und
Verwöhnten, sondern, wie schon bei seiner Geburt,
in den Hütten der Armut ein. Diese Feststellung
unterstreicht er nochmals in seiner biblischen
Erzählung über die Geburt Jesu, die bezeichnenderweise
so anfängt: „Aber in welchem Palast
oder Kirchlein wird der Sohn Mariä geboren
werden? Wer wird ihm von Zedernholz die
Wiege verfertigen und mit goldenem Blumenwerk
schmücken?" — und im Verlauf der Geschichte
gibt er die Antwort: „Maria aber fand
keinen Raum, wohin sie ihn hätte legen können,
als in einer Krippe. Das war der Palast, in welchem
das Kind geboren ward, welches sein Volk
sollte selig machen von den Sünden. Denn Gott
sieht nicht auf das Auswendige".

Wir wissen, wie dieser Gedanke über die von
Gott bevorzugte Armut das gesamte Leben und
die ganze Dichtung unseres Hebel durchzieht. Er
hat seine klassische Prägung in dem Wort in der
„Frage" gefunden: „Gott im Himmel sieht's un

het us menggem arme Büebli doch ne brave Maa
un Vogt un Richter gmacht". Und wir wissen
auch, was das für uns Hebelleute zu bedeuten
hat. Der Dichter war zu sehr das Privileg der
gebildeten Schicht geworden, aber nicht mehr
das köstliche Allgemeingut unseres Volkes, auch
der Ärmsten unter ihnen. Noch stehen hier viele
fern. Und doch könnte und soll Hebel auch ein
Wegbereiter wieder sein für eine gesunde Struktur
unseres Volkes, für ein Zusammenfinden von
reich und arm, von hoch und nieder.

Aber der andere Gedanke ist Hebel noch
wichtiger: die Bedeutung der Mutter an Weihnachten
. Denn gerade an diesem Fest wird es
offenbar, daß die Mutter die Stellvertreterin
Gottes ist am Kind; dieser Gedanke geht durch
beide Gedichte sehr stark. Die Mutter, die die
Mühe des Rüstens und Vorbereitens hat und es
dabei Gott gleichmacht in der rechten Verteilung
von Liebe und Ernst, tritt ganz hinter Gott selbst
zurück, der dem Kind als der Geber aller weihnachtlichen
Gaben erscheinen soll. Das wiederholt
sich auch am Schluß der Weihnachtsgeschichte
in seinen biblischen Erzählungen: „Das
ist die heilige Christnacht oder Weihenacht, in
welcher Gott den Kindern schöne Gaben schenkt,
daß sie sich alljährlich ihrer Rückkehr freuen
und das Kindlein lieben sollen". Und der Mutter
wird sehr eindeutig der Vorzug gegeben in der
Geschichte vom zwölfjährigen Jesus, „Seine Mutter
nahm ihn zum ersten Mal mit auf das Fest.
Er war insofern einer guten Hand anvertraut.
Gute Mutterhand führt ihre Kinder frühe zu
Gottseligkeit".

In all diesen Andeutungen leuchtet — für uns
unschwer zu erkennen — das Bild der Mutter
Hebels selbst hindurch. Sie war es, die ihrem
Buben Weihnachten bereitete und jene Christgeburtsfeste
sind mit ihm durchs Leben gegangen
, und der Dichter hat dann seiner Mutter die
leuchtenden Kerzen liebevollen Gedenkens angezündet
. Denn hier am Christfest, wenn man es
auch damals viel weniger prunkvoll, aber darum
wohl umso inniger feierte, kam die ganze, große
Mutterliebe zum beredten Ausdruck, deren die
schlichte Frau aus dem Volk, die Ursula örtlin,
fähig war. Sie hat ihrem Hanspeter eine heilige
Weihnachtswelt aufgebaut, in der er zeitlebens
daheim war. Da war alles Wüste und Gehässige
ferngehalten, wie sie mit ihrem Hausspruch eine
Abwehr schuf gegen Neid und Haß, und im
stillen eigenen Heim brannte das Feuer einer
tiefen mütterlichen Güte.

Ihrer, dieser schlichten Ursula, die vor 225
Jahren geboren ist, sei auch wieder zu dieser


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